

Corona-Eskapismus einer Familie Ich mal mir die Welt, wie sie mir gefällt

Was passiert im Lockdown mit den Räumen, in denen wir leben? Wenn Schulen, Kindergärten und Geschäfte zeitweise geschlossen sind? Wenn Reisen unmöglich sind – und nur das Zuhause bleibt? Diese Familie aus Montreal, Kanada, hat eine ziemlich kreative Antwort auf diese Fragen gefunden: Sie verwandelte, wann immer die Zeit es hergab, ihre Wohnung in die Welt – und fuhr in den Urlaub, obwohl sie daheimblieb.

Jean-Manuel Nadeau und Leila Afriat, beide 36, wollten ihren beiden Kindern zeigen: Es ist gerade nicht alles schlecht und schwierig, wenn wir uns das Leben ein wenig bunter machen. Sie tauchen ihre Räume in Farben, imaginierten sich selbst an ferne Orte.

Von März bis September seien Schulen und Kindergärten in Montreal immer wieder geschlossen gewesen, erzählt Jean-Manuel Nadeau, derzeit befinde sich die Stadt wieder im Lockdown. »Unser Zuhause wird zu unserem Büro, unserer Schule, dem Gemeinschaftscafé, in das wir früher gingen, wird zum Restaurant, Yogastudio, Kino«, sagt er. Weil die Räume dabei immer dieselben bleiben, bekamen sie an manchen Tagen einen neuen Farbanstrich.

Das kleine Fotoprojekt sei auch der Versuch, mal etwas anderes zu machen, als auf einem Bildschirm das Leben außerhalb des eigenen Hauses zu betrachten, sagt Jean-Manuel Nadeau, der lange Zeit als Reisefotograf arbeitete. Seine Frau Leila arbeitet als Anthropologin in einem Museum – das momentan nicht geöffnet hat.

»Die Kinder liebten dieses Theaterspielen«, sagt Jean-Manuel Nadeau. Für das Familienprojekt hätten sie die Wohnung immer wieder nach bestimmten Gegenständen, bestimmten Farben abgesucht – das habe manchmal einen ganzen Tag lang gedauert, sagt Nadeau. Beschäftigungstherapie also, in Grün, Gelb, Pink.

»Es ist ein Geschenk, gerade etwas mehr Zeit als Familie zu haben«, sagt Nadeau. »Wir haben in den vergangenen Monaten gelernt, einen neuen Rhythmus zu finden, uns besser zuzuhören. Wir sind langsamer geworden, vielleicht auch sensibler.«

An manchen Tagen ließ sich die Familie von den Farben des Regenbogens inspirieren – den haben in der Pandemie viele Familien in ihren Fenstern angebracht. Ein »Alles wird gut«-Zeichen, sagt Jean-Manuel Nadeau: »Eine leuchtende Hoffnung.«

Trotzdem sei es vielen im Umfeld der Familie in diesem Jahr nicht gut gegangen: Nadeau erzählt von Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit und Jobverlust im Freundes- und Bekanntenkreis. »Unsere Farben sollten den Kindern auch zeigen: Es gibt in dieser Zeit ein Spektrum von Emotionen, die die Menschen gerade erleben.«

Milan ist übrigens sieben Jahre alt, Kahina ist fünf. Zur Familie gehört auch eine Katze. Die beiden Eltern hätten sich, erzählt Jean-Manuel Nadeau, schon vor 30 Jahren kennengelernt, da waren beide selbst noch Kinder. »Ich wünsche mir, dass wir nach Corona nicht einfach so zur Normalität zurückkehren«, sagt er, »sondern dass wir aus den Chancen, die uns diese Zeit bot, gelernt haben, wie wir besser zusammen leben können.«