
Familiennewsletter »Wenn ich nicht fernsehen darf, habe ich Hunger!«
Wir haben in der vergangenen Woche zu Hause viel über Essen gesprochen. Das liegt vor allem an der SPIEGEL-Titelgeschichte zu dem Thema . Vielleicht ist Ihnen die Cover-Optik mit der triefenden Pizza und dem anderen ungesunden Zeug irgendwo begegnet.
In dem Artikel geht es unter anderem darum, wie wichtig Ernährungserziehung und frühe Prägung sind. Ich habe vor allem mitgenommen, wie sehr wir als Eltern aufpassen müssen, damit wir unsere Kinder nicht zu emotionalen Essern machen. Das wusste ich auch vorher, aber es war doch eindrücklich, es sich noch mal so deutlich vor Augen zu führen.

Das ist nicht mein Sohn, aber der Blick kommt mir bekannt vor: »Ich habe Hunger!«
Foto: djedzura / iStockphoto / Getty ImagesUnd natürlich habe ich daraufhin mein eigenes Verhalten und das meines Sohnes noch genauer beobachtet als sonst. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit ein Belohnungssystem eingeführt. Wenn er es schafft, sich in einer bestimmten Zeit morgens und abends umzuziehen und die Zähne zu putzen, sammelt er Punkte. Bei ausreichend Punkten gibt es ein kleines Geschenk.
In der Vergangenheit war das meist ein Überraschungsei. Ich konnte meine Frau überzeugen, dass das eine schlechte Idee ist. Wir haben uns auf eine Belohnung geeinigt, die man nicht essen kann. Ein kleines Spielzeug oder noch besser einen gemeinsamen Ausflug, bei dem er bestimmen darf, wo es hingeht. Vermutlich ist die gesamte Idee des Konditionierens durch Bestechung der falsche Weg. Aber auf andere Arten sind wir nicht durchgedrungen.
Was ich auch bedenklich finde: Mein Sohn zeigt schon Muster von Frustabbau durch Essen. Wenn er seinen Kopf nicht durchsetzen kann, geht er reflexhaft in Richtung Kühlschrank. Ein typischer Dialog bei uns kann etwa so verlaufen.
Sohn: »Ich will fernsehen.«
Ich: »Lass uns lieber was spielen.«
Sohn: »Ich will aber nichts spielen. Ich will fernsehen.«
Ich: »Das machen wir jetzt aber nicht.«
Sohn: »Ich habe Hunger!«
Wir können die Situation dann immer recht schnell spielerisch auflösen. Aber der laute Ruf nach Essen zur Kompensation von Enttäuschung lässt mich trotzdem zusammenzucken. Wie gehen Sie zu Hause mit dem Thema Essen um? Erleben Sie ähnliche Momente? Oder haben Sie Tipps, wie es gelingt, Essen anders zu besetzen?
Einmal die Woche erzählen fünf Mütter und Väter aus ihrem Leben und geben Lesetipps, was für Familien interessant sein könnte. (Wer wir sind, lesen Sie hier.) Schreiben Sie uns gern Ihre Gedanken zum Thema Familie, Ihre kleinen Geschichten aus dem Alltag, Ihre besonderen Momente mit Ihren Kindern! Wir würden uns freuen! Unsere Adresse: familie@spiegel.de
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Meine Lesetipps
Meine Kolleginnen und Kollegen beim SPIEGEL haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit Ernährung von Kindern auseinandergesetzt. Einige der Texte sind zu echten Evergreens geworden. Vielleicht kennen Sie diese Archivperlen schon, weil sie in unregelmäßigen Abständen auf der Homepage auftauchen. Empfehlen möchte ich Ihnen zum einen dieses Interview meiner Kollegin Irene Berres mit der sehr einprägsamen Überschrift »Quetschies sind für mich ein Produkt aus der Hölle« .
Auch sehr schön – und beruhigend für alle, die glauben, ganz viel falsch zu machen – ist dieses Interview von Jana Sepehr aus dem Jahr 2019 mit dem Kinderarzt Berthold Koletzko: »Wochenlang Nudeln mit Ketchup? Bleiben Sie gelassen!« In dieselbe Richtung zielt ein Artikel der Kollegin Julia Koch mit der elternfreundlichen Überschrift »Den Kampf ums Essen kann man sich sparen« .
Ist also doch alles nicht so schlimm? Sollten wir insgesamt entspannter auf das Thema Essen schauen? Für das private Umfeld mag das gelten, gesamtgesellschaftlich muss sich aber doch etwas ändern. Was das sein könnte, hat meine Kollegin Anika Freier in ihrem Artikel aus dieser Woche zusammengefasst, der auf der Titelrecherche beruht. Ein Ansatz für eine systemische Änderung wäre eine Zuckersteuer oder gar ein Verbot zu zuckerhaltigen Lebensmitteln, wie es Spitzenkoch Tim Raue im Gespräch mit meinem Kollegen Sebastian Späth fordert .
Und für alle, die sich dafür interessieren, wie unser Körper eigentlich mit Essen umgeht, dürfte dieser Artikel meines Kollegen Jörg Blech zum Thema Stoffwechsel interessant sein. Forscherinnen und Forscher haben nämlich herausgefunden, dass es unterschiedliche Stoffwechseltypen gibt.
Das jüngste Gericht
Auf die Theorie folgt die Praxis: Was gibt es denn nun zu essen? In der SPIEGEL-Kantine wurde heute unter anderem Brathähnchen angeboten, und ich gestehe: Ich bin nicht daran vorbeigekommen. Wie es so richtig schön knusprig wird, verrät Ihnen dieses Rezept unserer Kochkolumnistin Verena Lugert. Und wenn es doch fleischlos sein soll, kann ich das schnelle Pfannenbrot mit Feta aus der Reihe »Kochen ohne Kohle« des Kollegen Basti Maas empfehlen.
Mein Moment
Sie haben doch sicher Anekdoten zum Thema Essen, oder? Schicken Sie uns Ihre Erlebnisse gern an familie@spiegel.de . In unserer »Mein Moment«-Sammlung von Zuschriften habe ich nichts zu diesem Komplex gefunden. Dafür aber diese hübsche Einsendung einer Leserin zur häuslichen Streitkultur:
Sohn, stark vorpubertär, und ich, stark genervt, streiten mal wieder. Ich setze gerade an, um mein Grundprinzip »Wir können uns streiten wie die Kesselflicker, aber das ändert nichts daran, dass ich dich unendlich liebe« anzubringen, da unterbricht mich der (natürlich weltbeste😉) Sohn und sagt völlig entnervt: »Ja, ja, ich weiß, wir lieben uns trotzdem. Und jetzt lass uns endlich weiterstreiten!«
Genießen Sie das Wochenende, lassen Sie es sich schmecken, und wenn Sie mal streiten, dann streiten Sie bitte richtig.
Herzlich
Ihr Malte Müller-Michaelis