
Familiennewsletter Die richtige Entscheidung
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Eltern,
das Leben besteht ja bekanntlich aus Entscheidungen. Ständig muss man welche treffen. Ich musste in dieser Woche zum Beispiel entscheiden, ob wir einen Kommentar zum Vatertag veröffentlichen. Wir haben es nicht getan. Der Kollege Tobias Großekemper hat ein Interview vorgelegt, in dem erklärt wird, dass bei den klassischen Vatertagstouren mit Bier, Bass und Bollerwagen gar nicht so richtig viele Väter mitlaufen. Das muss reichen.
Unsere Kolumnistin Samira El Ouassil hatte im vergangenen Jahr einen schönen persönlichen Text zum Vatertag aus weiblicher Perspektive beigesteuert. Ich musste dabei an das starke Stück des Kollegen Markus Deggerich denken, der schon vor zwei Jahren beschrieben hat, was eine gelungene Vater-Tochter-Beziehung ausmacht .
Es gab auch in diesem Jahr verschiedene Angebote für Meinungstexte – alle von Männern. Sie waren gut. Vielleicht zu gut. Es ist nicht leicht, als Mann über das Mann- und Vatersein zu schreiben. Natürlich gibt es Kollegen, die das ganz hervorragend können (mehr dazu bei den Leseempfehlungen). Trotzdem haben wir uns dagegen entschieden.

Entscheidungsfindung bei uns im Symbolbild: Ich bin mit allem glücklich und zufrieden
Foto:iStockphoto / Getty Images
Dafür hat der Kollege Johannes Teschner ein Interview mit dem Familienberater Mathias Voelchert vorgelegt. Darin geht es unter anderem um Veränderungen in der Vaterrolle. Vor allem haben die beiden aber darüber gesprochen, in welchen Situationen man Kinder an Entscheidungen beteiligen sollte. »Entscheidungsfähigkeit kann man nicht anerziehen, die müssen Kinder lernen«, sagt Voelchert. »Und das fällt ihnen leichter, wenn man sie an Entscheidungen teilhaben lässt, die die Familie und sie selbst betreffen.«
Das Interview hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Wobei mir persönlich die Frage dazu gefehlt hat, ob es denn auch wichtig ist, dass ich als Vater mitentscheide. Denn ich habe den Eindruck, dass wir unseren Sohn nicht nur einbeziehen, sondern dass er die meisten Entscheidungen für uns trifft. Für mich ist das okay. Ich bin sowieso mit allem glücklich und zufrieden und freue mich sogar, wenn ich nicht entscheiden muss. Zum Beispiel beim Thema Essen. Meist gucken meine Frau und ich uns fragend an. Und am Ende gibt es dann doch wieder Nudeln oder Pfannkuchen. Oder bei der Frage, womit wir an unserem freien Tag spielen – regelmäßige Leserinnen und Leser dieses Newsletters werden es ahnen: Es beginnt mit L und endet mit ego.
Dabei ist etwas Bemerkenswertes passiert. Bisher hat mein Sohn darauf bestanden, die kleinen bunten Steine ausschließlich strikt nach Anleitung zu verbauen. Wenn ein Teil fehlte (dieses eine Teil), hat er frustriert aufgehört und sich etwas anderem zugewandt. Jetzt wird er kreativ, kombiniert Körper und Köpfe von Figuren und baut wilde Fantasiegebäude und -landschaften. Ob das auch eine (bewusste) Entscheidung war oder einfach so passiert ist, weiß ich nicht. Aber es ist wunderbar zu sehen, wie er sich und seinen Gedanken einfach freien Lauf lässt. Und es erspart mir die lästige Sucherei.
Wie ist das bei Ihnen zu Hause? Wer trifft die Entscheidungen? Rufen Sie einen Familienrat ein, wenn es zum Beispiel um das nächste Urlaubsziel geht? Oder müssen die Kinder nehmen, was kommt? Schreiben Sie es mir gern an familie@spiegel.de .
Einmal die Woche erzählen fünf Mütter und Väter aus ihrem Leben und geben Lesetipps, was für Familien interessant sein könnte. (Wer wir sind, lesen Sie hier.) Schreiben Sie uns gern Ihre Gedanken zum Thema Familie, Ihre kleinen Geschichten aus dem Alltag, Ihre besonderen Momente mit Ihren Kindern! Wir würden uns freuen! Unsere Adresse: familie@spiegel.de
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Meine Lesetipps
Ich habe es schon angedeutet: Glücklicherweise gibt es Kollegen, die viel besser als ich über sich als Männer im Erziehungskosmos reflektieren können. Sie haben in den vergangenen Jahren herausragende Texte darüber geschrieben. Viele davon werden Sie kennen, ich liste hier trotzdem noch mal meine persönlichen Highlights auf. Da wäre das zauberhafte Glanzstück von Markus Deggerich, der in einer seiner stets empfehlenswerten Elternkolumnen Frauen ebenso kunst- wie humorvoll als Sexistinnen outete .
Oder die erste Kolumne des Kollegen Julius Fischer, der sich seinen Leserinnen und Lesern mit einem überaus unterhaltsamen Text über seine Elternzeit vorstellte . Sehr gern habe ich auch immer die Stücke von Jens Radü gelesen, der einst mit sich selbst darüber diskutierte, ob er ein Helikoptervater ist . In einer Kolumne ohne zeitlichen oder inhaltlichen Bezug dazu gab sich Stefan Weigel ganz offen als solcher zu erkennen.
Und ganz besonders möchte ich Ihnen einen inzwischen schon drei Jahre alten Beitrag von Hajo Schumacher über sein Vaterdasein zwischen Pflicht und Traurigkeit ans Herz legen, der aus meiner Sicht als Standardlektüre an deutschen Schulen unterrichtet werden sollte.
Das jüngste Gericht
Der Burda-Verlag hat kürzlich ein Heft mit 99 Nudelrezepten herausgegeben, das weitgehend mithilfe von ChatGPT erstellt wurde , jenem selbst lernenden frei zugänglichen Sprach-Tool, das gerade im Zentrum der Debatte über Möglichkeiten, Vorteile und Gefahren von künstlicher Intelligenz (KI) zu stehen scheint .
Zum Glück haben wir mit Kochkolumnistin Verena Lugert auch menschliche KI – kulinarische Intelligenz. Sie hat für jeden etwas im Angebot, auch für meinen Sohn, den Nudelfetischisten. Diese Woche probieren wir die Pasta Ferrari. Die könnte ihm schmecken.
Mein Moment
In meinem letzten Newsletter habe ich unter anderem über Hochbegabung geschrieben und daraufhin zahlreiche Mails und Nachrichten erhalten. Vielen Dank dafür!
Viele Eltern berichten von frustrierenden Erfahrungen in der Schule. Eine Leserin berichtete von gleich zwei hochbegabten Söhnen, von denen der eine im Unterricht so gelangweilt war, dass der Hochschulabschluss in Gefahr geriet. Eine Mutter schrieb, dass ihre Tochter einen IQ von 130 habe, die Grundschullehrerin aber nicht gemerkt habe, dass es sich um ein besonders intelligentes Kind handele. Die allermeisten Zuschriften zeigen, dass es offenbar an Aufklärung, Unterstützung und Förderung mangelt und Schulen mit der Betreuung hochbegabter Kinder überfordert zu sein scheinen.
Wir werden uns dem Thema widmen und im Zusammenhang damit auf denen einen oder die andere von Ihnen zukommen. Für den Moment wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende – mit vielen richtigen und guten Entscheidungen.
Herzlich,
Ihr Malte Müller-Michaelis