

Fotobuch über heranwachsende Jungen Ritter, Rocker, Brüder
SPIEGEL: Herr Raschka, Ihr Buch "The World Ain't Enough…" zeigt angeblich "den männlichen Blick" auf zwei heranwachsende Jungen, Ihre beiden Söhne. Wie sieht dieser Blick aus?
Raschka: Die Besonderheit liegt schon einmal darin, dass es ein Vater macht. Bücher dieser Art werden fast immer von Frauen gemacht, und sie fotografieren häufiger Mädchen. Was ich interessant finde, woraus für mich ein Motiv entsteht, das unterscheidet sich vermutlich von der Sicht von Frauen. Ich mache das nicht an einzelnen Bildern fest. Aber ich glaube, dass ich häufig intuitiv einen anderen Ausschnitt, einen anderen Moment einer Szene wähle.
SPIEGEL: Weshalb sind Ihre Bilder anders?
Raschka: Als Vater kann ich mich bei meinen Jungs mit dem, was sie tun, sehr identifizieren. Weil ich es aus meiner eigenen Kindheit kenne. Die beiden bewegen sich viel, sie lieben die Action, sind sehr kreativ und erfinderisch. So war ich auch. Wahrscheinlich sind Jungs generell energischer und wilder als Mädchen. Das will ich zeigen.
SPIEGEL: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Raschka: Ich wollte das Leben der Kinder von Anfang an dokumentieren. Ich wollte aber nicht einfach nur knipsen. Ich war mir schnell sicher, dass daraus ein Projekt wird. Die Idee des Buchs kam erst später.
SPIEGEL: Eltern fotografieren normalerweise in Farbe, um es im Familienalbum realistisch aussehen zu lassen. Sie zeigen ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder. Warum?
Raschka: Ich arbeite auch professionell so. Ich richte den Fokus auf Strukturen, um eine andere Wahrnehmung zu finden. Neudeutsch würde man es mit dem Ansatz der Street Art Photography umschreiben. Bei den Fotos meiner Söhne hat Schwarz-Weiß den Effekt, dass das Ungestüme, auch mal die Härte ihres Wesens, optisch verstärkt wird. Ich wollte nichts Verklärtes schaffen, nichts Inszeniertes mit hübschem Hintergrund. Ich versuche, die wahren Emotionen einer Situation zu erfassen, vor allem im Alltag.

Stark und schwach – Kindheit als Jungen
SPIEGEL: Kinderbilder wirken oft gestellt, weil die Eltern eingreifen und die Szene zurechtrücken. Wie haben Sie das zu vermeiden versucht?
Raschka: Meine Söhne kennen mich mit Kamera, sie sind es gewöhnt. Trotzdem habe ich die Kamera nur wohldosiert eingesetzt und bin nicht den ganzen Tag damit herumgelaufen. Ich hatte sie oft griffbereit. Als Fotograf entwickelt man ja mit der Zeit ein Gespür dafür, wann sich ein Motiv ergeben könnte. Und dann muss man schnell handeln.
SPIEGEL: Konnten Ihre Söhne mitbestimmen, welche Bilder veröffentlicht werden und welche nicht?
Raschka: Ja, bei allen. Ich entscheide das nicht allein. Wir haben überlegt: Was wollen wir zeigen, und wo sind unsere Grenzen?
SPIEGEL: Hat dabei auch Ihre Frau mitgewirkt? Sie hat als Mutter vermutlich einen eigenen Blick auf die Motive.
Raschka: Natürlich. Fotografieren spielt in unserer Familie eine große Rolle, wir diskutieren viel darüber. Wir vier haben viele Bilder für das Buch ausgeschlossen, weil die Szenen zu privat waren. Und manchmal habe ich mich getäuscht, wenn ich dachte, die Jungs hätten sich in einer Situation toll gefühlt. Dabei haben sie sie als blöd empfunden. Darüber, dass man sich über die Bilder unterhält, lernt man die Kinder und sich als Familie noch besser kennen.
SPIEGEL: Ihre Söhne sind jetzt acht und elf Jahre alt. Machen Sie weiter?
Raschka: Ich hoffe, dass ich es möglichst lange fortführen kann. Denn es ist eigentlich ein Lebensprojekt. Aber ich habe keine Ahnung, wie lange das tatsächlich geht. Jetzt kommt so langsam die Pubertät. Vielleicht werden mir die Jungs irgendwann verordnen: Nee, lass mal, jetzt nicht mehr.