
Menschen und Orte beschreiben, das gehört zum Job eines Journalisten. Aber wie geht das, wenn man selbst nichts sieht? Thorsten Schweinhardt macht es vor. Mit Scanner und Aufnahmegerät sucht er seinen Weg in den Medienberuf.
Das zum schreiben kein Sehvermögen notwendig ist hat schon der Kafka Freund Oskar Baum bewiesen...
Ich hatte mal in Marburg ein Seminar zusammen mit Thorsten und war damals schon beeindruckt wie er alles organisiert bekommen hat. Ich wünsche ihm viel Erfolg und alles Gute für seine berufliche Zukunft!
Ein sehr gelungener Artikel! Insbesondere, weil er denjenigen, - und davon gibt es einige, die noch nie mit blinden Menschen zu tun hatten zeigt, wie jemand mit einer Sehbehinderung ganz normal arbeiten kann.
Was mir gefehlt hat, war ein wenig darauf einzugehen, was man an den Missständen denn nun ändern kann und muss!
Ich bin selbst geburtsblind, und sei 25 Jahren Journalistin. Ich wurde mit 14 Jahren von einem Britischen Sender entdeckt, wo man mir in meinem damals zarten Alter oft einiges mehr zugetraut wurde, als bei manch einem ARD-Sender, bei dem ich mit ende 30 gearbeitet habe.
Ich habe bei einem ARD-Sender volontiert, und wenn ich aufzähle, was angeblich zu schwierig war, und wie oft ich das Wort Blindenspezifisch gehört habe, würde ich noch bis zu meinem Tod zählen.
Irgendwann verliert man bei all dem Zu schwierig" Gerede den Glauben an sich selbst. Alles änderte sich, als ich2011 durch ein Journalisten-Stipendium der IJP (Internationale Journalistenprogramme) die Chance bekam, für zweieinhalb Monate in Großbritannien bei der BBC zu arbeiten.
Auf allen BBC-Computern, und sei es noch der mickrigste und klapprigste PC, der in irgendeinem ausrangierten studio steht, sind Screenreader installiert. Eben diese Vorlesesysteme, die in dem Artikel beschrieben werden.
Die haben dort extra eine IT-Abteilung, die sich ausschliesslich damit beschäftigt, behindertengerechte Arbeitsplätze bei der BBC auszustatten. Als ich dorthin kam, hatte ich als Deutsche Stipendiatin eigentlich kein Anrecht auf Förderung von Britischen Staat. Ich hatte eine Braillezeile, der screenreader war ja eh dort installiert, aber da diese IT-Abteilung frei arbeitet, musste jemand die anpassung bezahlen! In Deutschland gabs dafür keine Mittel. Also hat der sender das geld bezahlt! Und: Als die meinen Lebenslauf gesehen haben, fanden die ein Praktikum total unpassend, und boten mir für die Zeit zusätzlich zu meinem Stipendium einen bezahlten redakteursvertrag an! Ein Sender, der mich damals kaum kannte! Wo niemand wusste, ob ich als Journalistin was tauge, oder nicht. Ich habe dort zum allerersten Mal erlebt, wie es sein kann, zu arbeiten, und frei zu sein von dieser Last, sich andauernd rechtfertigen zu müssen, andauernd erklären zu müssen, dass man seinen Job machen kann, obwohl man blind ist! Ich habe dort auch andere blinde Journalisten getroffen: Sportjournalisten, Hörfunk- und fernsehjournalisten!
Großbritannien ist ein ganz normales europäisches Land, wie wir auch. warum sollten wir es also nicht auch so gut können?
Für den Kollegen Thorsten Schweinhardt und mich wünsche ich mir, dass wir irgendwann nicht mehr die Blinden Journalisten sind, sondern die Journalisten, die gute Artikel oder Beiträge über dieses, oder jenes Thema gemacht haben, die krasse Interviewfragen stellen, vielleicht sogar die jemandem mit einem Artikel total auf die Nerven gefallen sind, und die eben zufällig auch noch blind sind. Denn dass habe ich in Großbritannien am Meisten genossen. Nicht die blinde Journalistin zu sein, sondern die Journalistin, die unteranderem eben auch blind ist.
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