Fußballmythen im Test Elf Freunde müsst ihr sein - wirklich?

Die Haben gerade eine Lauf, die kann man nur schwer aufhalten
Seit Jahren widerlegen Wissenschaftler den Mythos, dass eine Mannschaft nach einigen Siegen in Folge über sich hinauswächst und besonders schwer zu schlagen ist. Ein Psychologe hat das kürzlich am Beispiel eines anderen Sports, nämlich Basketball, getan. Er untersuchte, ob ein Spieler, der dreimal in Folge den Korb traf, beim vierten Wurf mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Erfolg hat als ein Spieler, der zuvor danebenwarf. Das Ergebnis: Nein, bei jedem Wurf werden die Karten neu gemischt - und wer auch beim vierten Mal am Stück trifft, hat einfach Glück. Das lässt sich auch auf Fußballteams übertragen, wie Untersuchungen aller Bundesligaergebnisse von 1987 bis 2012 zeigen: Die Wahrscheinlichkeit, nach zwei Siegen in Serie auch das dritte Spiel zu gewinnen, steigt nicht. Nach vier Siegen in Serie sinkt sogar die Wahrscheinlichkeit, auch das fünfte Spiel zu gewinnen. Eine mögliche Erklärung: Das Team wird zu siegessicher, unterschätzt den Gegner - und verliert.
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Beim Tippspiel gewinnt immer jemand, der keine Ahnung hat
Stimmt zur Hälfte. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht geringer als bei einem Experten, der vorher das "Kicker"-Sonderheft auswendig gelernt hat. Studien zeigen, dass Zocker, die viel Zeit und Geld in Fußballwetten investieren und dafür stundenlang in Tabellen und Listen stöbern, nicht erfolgreicher tippen als ahnungslose Laien. Der einzige Unterschied: Die Experten überschätzen sich gnadenlos selbst, weil sie fest davon überzeugt sind, die besseren Tipper zu sein. Deswegen laufen sie auch Gefahr, in Wettbüros mehr Geld zu verlieren.

Engländer können keine Elfmeter schießen
Richtig. Englische Nationalspieler verwandeln nur 68 Prozent ihrer Elfmeter, und das ist kein Zufall: Untersuchungen zeigen, dass Fußballer auf dem Top-Niveau häufiger treffen, wenn sie sich erstens zwischen dem Pfiff des Schiris und dem Schuss viel Zeit lassen und zweitens dem Torwart zwischen dem Zurechtlegen des Balls und dem Anlauf nicht den Rücken zudrehen; beides signalisiert Selbstvertrauen, und beides beherrschen die Engländer von allen untersuchten Nationen am schlechtesten. Konsequenterweise schieden sie zwischen 1990 und 2012 bei sechs von sieben Elfmeterschießen aus.

Geld schießt keine Tore
Stimmt natürlich. Aber es lässt sich statistisch nachweisen, dass Bundesligateams, die viele Profis mit hohem Marktwert in ihren Reihen haben, in der Regel besser abschneiden als Klubs, die über weniger Geld verfügen. Das Schöne am Fußball sind aber die Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Dass der FC Bayern in dieser Bundesligasaison wieder Meister geworden ist, überrascht nicht. Dass Mainz und Augsburg oben mitgespielt haben, dagegen schon.

Elf Freunde müsst ihr sein
Nein, müsst ihr nicht. Echte Freunde sind häufig schon dann zufrieden, wenn sie zusammen sein können und eine spaßige Zeit verbringen. Für den Ballermann reicht das, auf dem Fußballplatz jedoch nicht: Hier kommt es auf den Erfolg an. Und dieser stellt sich häufiger ein, wenn alle Spieler im Team ein gemeinsames Wettbewerbsziel vor Augen haben. Gruppenforscher sprechen hier von einem "aufgabenbezogenen Zusammenhalt": Jeder Spieler widersteht der Versuchung, sich selbst in den Vordergrund zu spielen, und erledigt stattdessen die Aufgabe, die ihm der Trainer aufgetragen hat. Der Job der Psychologen im modernen Fußballsport ist es nun, jedem einzelnen Profi klarzumachen, dass es ihm persönlich besser geht, wenn die Mannschaft funktioniert. Bester Beweis: Wenn das Weltmeisterteam den Pokal bekommt, sind alle glücklich, sogar die Auswechselspieler.

Trainer raus! und alles wird besser
Pustekuchen! Eine Untersuchung der Bundesligaspielzeiten von 1963 bis 2009 zeigt, dass erfolglose Klubs nach einem Trainerwechsel nicht besser abschneiden als Teams, die am Trainer festhalten. Die Vereinsbosse kennen diese Untersuchung. Trotzdem werden die Trainer wohl weiter rausfliegen - so wie Christoph Daum (Foto) beim VfB Stuttgart 1993.
Mehr über diese und andere Phänomene findet sich im Buch "Der Fußball. Die Wahrheit" von Daniel Memmert, Bernd Strauß und Daniel Theweleit (München, 2013).

Wird Deuschland Weltmeister? Hilft der Seleção der Heimvorteil? Verstehen Spieler ihren Trainer? Daniel Memmert erforscht an der Uni Köln das Fußballspiel. Im Interview erklärt er, wie sein Wissen beim Gewinnen helfen kann.