Boxklub in Medellín Schwäche zeigen ist keine Option

Julian David Ramirez, 21, ist der Sohn eines Bordellbesitzers und wuchs auf der Straße auf. Er geriet früh an die falschen Leute, begann zu kiffen und zu koksen. Er dealt mit Marihuana und Waffen, trotzdem ist er arm.

Seit ein paar Monaten boxt Ramirez im "Boxeo para la vida", Boxen fürs Leben, einem Boxgym in La Honda - ein Slum der kolumbianischen Stadt Medellín. Er will Ordnung in sein Leben bringen. Sein Coach sagt: "Der Junge hat Talent."

Anfang der Neunzigerjahre hatte Medellín die höchste Mordrate der Welt. Der Kokainhändler Pablo Escobar und sein Kartell überzogen die Stadt mit brutaler Gewalt. Heute ist Medellín eine der innovativsten Städte Südamerikas. Nur die Menschen in den Slums profitieren wenig von dem Aufschwung.

Briggith, 17, boxt seit drei Jahren. Ihr Onkel wurde vor Kurzem erstochen. Sie wurde in der Schule für ihr Übergewicht gehänselt, litt lange an Depressionen. Heute ist sie eines der größten Talente des Boxklubs.

Mehr als ein Dutzend Jugendliche und Erwachsene kommen drei Mal pro Woche für zwei Stunden ins "Boxeo para la vida". Für sie ist der Boxklub ein Ort der Hoffnung.

Boxturniere sind für die Athleten eine Möglichkeit, sich den Talentsichtern der Stadt zu zeigen.

Niederlagen wiegen für die Jugendlichen aus dem Armenviertel La Honda doppelt schwer. Ihre Chancen auf einen gut bezahlten Job in Medellín sind aufgrund mangelnder Bildungsmöglichkeiten begrenzt.

Didier, 18, musste sich aus einer Gang freikaufen und ist hoch verschuldet. Früher hat er Leute verprügelt, Geld erpresst und Monate im Gefängnis verbracht.

Die Tattoos auf seiner Hand stehen für Erlebnisse aus seiner Zeit als Bandenmitglied. Ein großes Auge erinnere ihn daran, dass er wachsam sein muss, sagt er. Er habe noch immer viele Feinde. Er boxt, weil er die Vergangenheit vergessen will.

Noch vor ein paar Jahren dealten Jugendliche am Fußballplatz gegenüber vom Boxklub Pillen, Kokain und Heroin. Seit der Boxklub eröffnet hat, sind die Junkies verschwunden.

Unter dem Wellblechdach im Boxklub flackern zwei Glühbirnen, manchmal versagt eine kurz den Dienst, aber das bemerken die Sportler gar nicht. Dafür sind sie zu sehr mit dem Training beschäftigt.

Vor einigen Wochen hatte Julian Ramirez in der Boxhalle Coliseum Carlos Mario Hoyos sein erstes Boxturnier in der Klasse bis 52 Kilo. Amateurregeln, zwei Runden á drei Minuten. Den ersten Kampf gewann er durch technischen K.o., den zweiten nach Punkten. Er konnte es kaum glauben.

Der frühere Boxtrainer César Cardona, 31, überzeugte die Anführer der Gangs, dem Boxen eine Chance zu geben. Cardona bezahlte einen Kunststoffboden, eine Stiftung stellte Sandsäcke und Boxhandschuhe.

Julian Ramirez träumt von einem eigenen Boxklub. Er hört jetzt vor jedem Training Rammstein, sagt er, das motiviere ihn. Und er kifft weniger, weil er im Ring länger durchhalten will.

Diego Beltrán, 22, ist Cheftrainer im Boxklub "Boxeo para la vida". Er hilft den Jugendlichen bei Bewerbungsschreiben und schickt ihnen Links zu sozialen Förderprogrammen. Einige seiner Schüler haben dadurch Studienhilfen bekommen.

Assistenztrainer Joan Lopez sagt, dem Boxklub fehlen Kopf- und Tiefschutze. Sparring ist nur möglich, wenn sein Team zu Gast in einem anderen Boxklub ist.

Bei starkem Regen werden die steilen Straßen in La Honda spiegelglatt, weil Abwasserkanäle fehlen. Die Gassen sind so eng, dass der Bus, der sich dort hinaufwindet, fast die Hausfassaden streift. Wer hier aussteigt, besitzt nicht viel. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, der Schritt in die Kriminalität nicht groß.

In der Boxhalle Coliseum Carlos Mario Hoyos sollen die Fotos von Boxlegenden die Athleten motivieren, ihnen nachzueifern.