Einzelkritik Deutschland Behäbig, ideenlos, unachtsam

Manuel Neuer, Tor: In den ersten beiden Spielen wischte der Kapitän alle noch vorhandenen Zweifel an seiner Form und Fitness mit starken Leistungen beiseite. Gegen Südkorea leistete sich Neuer aber seinen ersten Fehler des Turniers: Einen Freistoß von Jung Woo Young konnte Neuer nicht festhalten, immerhin rettete er per Faust vor dem heranstürmenden Son Heung Min (19. Minute). Gegen offensiv harmlose Koreaner danach nur noch selten gefordert, außer als Libero, was Neuer in bester Algerien-Manier meisterte. Als er dann in der gegnerischen Hälfte den Ball verlor, fiel das zweite koreanische Tor.

Jonas Hector, Abwehr: In wenigen Tagen wird Hector auch offiziell ein Zweitliga-Profi sein. Dass er dafür eigentlich viel zu gut ist, wissen sie in Köln auch und trotzdem hält er dem FC die Treue. Gegen Südkorea war Hector einer der wenigen Lichtblicke der ersten Halbzeit. Stand ähnlich hoch wie Kimmich auf der anderen Seite, flankte aber nicht so sinnlos in die Mitte. Stattdessen suchte er seine Mitspieler mit kurzen Pässen und tauchte auch einige Male im Strafraum auf.

Julian Brandt, Mittelfeld: In der Schlussphase sollte es der gute Joker der ersten beiden Spiele richten. Das war zu viel für Brandt, er ging mit der gesamten Mannschaft in der Schlussphase unter.

Niklas Süle, Abwehr: Der Vertreter des gesperrten Jérôme Boateng hieß nicht Antonio Rüdiger sondern Süle - eine verständliche Entscheidung nach Rüdigers durchschnittlicher Leistung gegen Schweden. Der Münchner war als rechter Innenverteidiger defensiv aber wenig gefordert und die Spieleröffnung lief nur selten über Süle.

Mats Hummels, Abwehr: Die beste Erkenntnis der behäbigen und ideenlosen ersten Hälfte war, dass die Sache mit der Kontervermeidung viel besser funktionierte. Das war auch ein Verdienst von Hummels, der nach seiner Nackenverletzung in die Startelf zurückgekehrt war, weil er nicht so schnell herausrückte und im Verbund mit Süle, Kroos und Khedira das Zentrum meist beherrschte. In der zweiten Hälfte, als die Konterkrankheit wieder ausbrach, avancierte Hummels zum umsichtigen Zweikämpfer, der einige Male rettete - und seinen Mitspielern lautstark die Meinung geigte. Hatte selbst die große Chance zum 1:0, sein Kopfball ging knapp vorbei (86.).

Joshua Kimmich, Abwehr: In der WM-Qualifikation, gegen Gegner wie San Marino oder Aserbaidschan, war Kimmich mit neun Torvorlagen in zehn Spielen ein Garant für immer bedeutungsloser wirkende zehn Siege. Von dieser Form war der Rechtsverteidiger bei der WM meilenweit entfernt. Kimmich war auf seiner Seite wieder sehr viel unterwegs, seinen Flanken und Rückpässen fehlt es aber an Präzision. Dass es Kimmich auch besser kann, zeigte er direkt nach Wiederanpfiff, als Goretzka nach Kimmich-Flanke per Kopf an Torhüter Cho Hyun Woo scheiterte.

Sami Khedira, Mittelfeld (bis 58. Minute): "Das Turnier ist noch lang", hatte Khedira nach dem 2:1-Sieg gegen Schweden bezüglich seiner Rolle gesagt - und damit ganz offensichtlich nicht die deutsche Mannschaft gemeint. Tatsächlich, schon im dritten Gruppenspiel kehrte er zurück. Nach wenigen Sekunden führte er sich mit einer Unachtsamkeit ein. Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte lief Khedira mit, aber seine frühere Stärke, mit Dynamik zwischen den Strafräumen Löcher zu reißen, ist ihm abhanden gekommen. Khediras Auswechslung war folgerichtig, auch weil mit Gomez mehr Präsenz im Strafraum nötig war.

Mario Gomez, Angriff (ab 58. Minute): Es dauerte zehn Minuten, ehe die Einwechslung des Stoßstürmers erste Früchte trug. Sein Kopfball war aber leichte Beute für Torhüter Cho (68.). In der Folge schaffte es die Mannschaft dann zu selten, Gomez in Position zu bringen.

Toni Kroos, Mittelfeld: Sein Freistoßtor wurde in Deutschland bereits zu einem Jahrhunderttor verklärt. Doch bei einem WM-Vorrunden-Aus werden keine Jahrhunderttore erzielt. Kroos agierte gegen Südkorea gewohnt passsicher, für Raumgewinn sorgte aber auch der Champions-League-Sieger viel zu selten. Ohne Fortune, als er recht freistehend mit Goretzka seinen eigenen Mann anschoss. Bekam noch weitere Chancen per Fernschüsse, die Kroos aber entweder zu hoch ansetzte oder am Torhüter scheiterte. Lenkte in der Nachspielzeit dann auch noch den Ball zum südkoreanischen Torschützen Kim - welch Ironie.

Leon Goretzka, Mittelfeld (bis 63. Minute): Der Neu-Münchner sieht sich lieber im zentralen Mittelfeld, das ist bei Löw (noch) anders. Goretzka spielte als Vertreter von Thomas Müller auf der rechten Seite und leitete die erste gefährliche Aktion der DFB-Elf ein, als er den Ball selbst eroberte, seine flache Hereingabe auf Werner aber abgefangen wurde. Goretzka zog es immer wieder in die Mitte, aber nicht in die Spitze, sondern eher in die Räume von Özil und Khedira. So fehlte dem deutschen Spiel in der ersten Hälfte die Breite. Zu Beginn der zweiten Hälfte hatte Goretzka die große Chance zum 1:0, konnte einen freistehenden Kopfball aber nicht platzieren.

Thomas Müller, Angriff (ab 63. Minute): Der Münchner ist kein guter Einwechselspieler, das ist nun auch dem Bundestrainer klar.

Mesut Özil, Mittelfeld: Rotation ist die neue Masche von Löw, der bei den bisherigen Turnieren stets auf eine Stammelf aus war. Wie Khedira kehrte auch Özil nach einem Spiel Pause zurück - und war im zentralen Mittelfeld sofort bemüht, Struktur ins Spiel zu bringen. Seine kurzen Pässe kamen auch meist an, den Weg in die Spitze fand Özil aber nicht. In Deutschland bricht vermutlich wieder eine Diskussion über Özils Körpersprache los, aber daran lag es sicher nicht. So bewegt sich der Spielmacher einfach, wichtiger waren die fehlenden Ideen, Özil fand seine Mitspieler einfach zu selten.

Marco Reus, Mittelfeld: Der Torschütze und "Man of the match" beim 2:1-Sieg gegen Schweden tauchte in der ersten Hälfte komplett unter. Tauschte dann mal mit Timo Werner die Position, aber auch das brachte Reus nicht ins Spiel. In der zweiten Hälfte war Reus dann am bis dahin besten Spielzug beteiligt, sein direkter Pass fand Özil, der Werner gekonnt freispielte. Und dann? Tauchte der Dortmunder, der mit seinen Läufen für die nötige Tiefe im deutschen Spiel sorgen sollte, wieder ab. Bis zur 83. Minute, als sein Schuss von der rechten Seite knapp am Tor vorbeistrich.

Timo Werner, Angriff: Es bleibt eine Geschichte dieser WM. In der Sturmspitze wird Werner nur schlecht ins Spiel eingebunden, wechselt er aber auf die linke Seite, kann er in dieser deutschen Mannschaft seine Schnelligkeit viel besser einsetzen. Gegen Südkorea wechselte er schon im Verlauf der ersten Hälfte seinen Platz und war sofort einer der wenige Aktivposten. Löw forderte in der Pause noch mehr Flexibilität, denn plötzlich tauchte Werner auch auf der rechten Seite auf. Hätte nach Özils Flanke die Führung erzielen müssen (51.). Auch mit weiterem Verlauf ohne Glück bei seinen Abschlüssen.