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Erde an Anwalt Beispiele für gescheiterte Mandantengespräche

Redet ein Anwalt, versteht der Laie nur StGB und BGB. Selbst kommt er kaum zu Wort, was den Advokaten nicht weiter schert. Eine Doktorandin belegt verheerende Folgen für Kanzleien: Wegen solcher Gesprächspannen nehmen viele Mandanten Reißaus. Fünf Beispiele illustrieren das Problem.
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Nix verstehen: Viele Anwälte und Mandanten reden aneinander vorbei - fatal in einem Gewerbe, in dem es um Sprache geht. Inzwischen beschäftigt sich die Sprachwissenschaft mit dem Problem,...

Foto: Corbis
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...Ina Pick hat dazu ihre Doktorarbeit verfasst. Das Ergebnis, nachdem sie 90 Stunden Beratungsgespräche ausgewertet hat: Anwälte verstehen oft nicht, was die Mandanten wollen - und interessieren sich nicht einmal dafür.

Die folgenden Beispiele sollen die Kommunikationsprobleme zwischen Anwalt (A) und Mandant (M) veranschaulichen. Sie stammen komplett aus den Tonbandaufzeichnungen von Ina Pick, sind jedoch stark vereinfachte Reinschriften.

Foto: Moritz E. Trebin
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Juristendeutsch

Viele juristische Begriffe versteht ein Laie nicht auf Anhieb, zum Beispiel die Darlegungslast. Sie besagt: Jeder muss vor Gericht das beweisen, was für ihn günstig ist. Im folgenden Beispiel erfragt der Anwalt nach etwa fünf Minuten zum ersten Mal, ob der Mandant Beweise dafür hat, einer anderen Person Geld gegeben zu haben. Der Mandant versteht den Grundsatz der Darlegungslast nicht, der Anwalt erklärt ihn nicht vernünftig, das Gespräch bekommt einen unangenehmen Charakter. Dem Anwalt gelingt es auch nach verschiedenen Versuchen nicht, dem Mandanten sein Wissen zu vermitteln.

Nach fünf Minuten

Anwalt: Haben Sie ihr (das Geld) in bar gegeben?

Mandant: In bar.

A: Und dieses Büchlein oder die Quittung, haben Sie das noch?

M: Das müsste normalerweise meine Tante haben, bei den Papieren. (...)

A: Das heißt also jetzt, direkt einen Beweis, dass sie es bekommen hat, haben Sie in schriftlicher Form nicht?

M: Anders nicht.

Nach 15 Minuten

A: Und die Weitergabe ist ja etwas, was abweicht von dem, was die Papierform hergibt. Deshalb sind wir da in der, wie die Juristen sagen, Darlegungsverpflichtung zu sagen, das Geld haben wir ja gar nicht gekriegt.

M: Das versteh ich zum Beispiel gar nicht.

A: Das ist aber eigentlich doch recht einfach.

M: Ja eigentlich nicht, weil das ne Behauptung ist von jemandem, obwohl es ja anders da steht.

A: Nein.

M: Durch die Vollmacht, und dann plötzlich muss man irgendwas beweisen.

A: Nein, nein.

M: Und das nach so viel Jahren.

A: Nein, nein, das ist ja komplett anders.

Nach 60 Minuten

A: Sie verstehen mich nicht, oder wollen mich nicht verstehen.

M: (lacht)

A: Wir müssen doch beweisen, dass es zurückgegangen ist.

M: Jaja.

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Unklare Ziele

Das folgende Beispiel zeigt das häufige Dilemma einer gescheiterten Zielklärung. Hier kommt der Anwalt nach einer halben Stunde auf die Idee, den Mandanten nach seinen Erwartungen zu fragen. Eine gute Idee, aber damit ist es nicht getan. Denn der Mandant antwortet ausweichend, er hat keine Vorstellung von der Rechtslage. Er glaubt lediglich, Ansprüche zu haben. Seine Motivation wird jedoch nicht deutlich. Welche Ansprüche meint er genau? Wie kommt er darauf? Welches Ergebnis würde ihn freuen? Womit könnte er noch leben? Der Anwalt gibt sich jedoch mit der vagen Aussage zufrieden und steigt wieder in die rechtliche Betrachtung ein. Somit entsteht keine Verbesserung für den weiteren Gesprächsverlauf.

Anwalt: Und auf der Basis Ihre Forderungen formulieren, Ihre Wünsche, Ihre Vorstellungen. Oder was ist das, was Sie, was Sie ... Was, was ist Ihr Plan oder was ist Ihr Ziel, was Sie sich hier heute von mir erhofft haben oder erhoffen immer noch?

Mandant: Ja, dass ich auch mal ... ich hab, ich kenn die gesetzliche Regelung nicht, wie das aufgestellt ist und so weiter. Weil, wenn ich heute sage, du, ich habe zehn Jahre eine eheähnliche Gemeinschaft geführt, dann, dann kann das nicht sein, dass ich heute mit null rausgehe.

A: Hmhm. Aber den Rechtsgrundsatz gibt's nicht.

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Nerviger Mandant

Spätestens, wenn Mandanten Dinge zweimal sagen, sollte ein Anwalt hellhörig werden. Im folgenden Beispiel weist der Mandant zum ersten Mal zu Beginn des Gesprächs vorsichtig darauf hin, dass er einen Vertrag aufsetzen will. Darauf reagiert der Anwalt nicht. Auch im weiteren Gesprächsverlauf wird über einen möglichen Vertrag nicht mehr gesprochen. Am Ende des Gesprächs wiederholt der Mandant seine Frage. Damit zeigt er, dass er das Thema klären möchte. Diesmal reagiert der Anwalt, geht aber nicht auf den Mandanten ein, sondern antwortet lediglich, dass ihm die Information nicht neu ist. Für ihn reicht es offenbar aus, dass er selbst weiß, was zu tun ist, und er schließt den Mandanten zu weiten Teilen von der Entscheidungsfindung aus.

Zu Beginn des Gesprächs

Mandant: Jetzt müssen wir wahrscheinlich irgendwie einen Vertrag aufsetzen, dass er ausgeschieden ist oder ausscheidet.

Anwalt: Ausscheidet, ja.

M: Aus der Firma.

A: (keine Reaktion)

Zum Ende des Gesprächs:

M: Und die sind letztes Jahr zum Notar gegangen, da ist dann so etwas hier aufgesetzt worden. Ich denke, das müssen wir dann ja auch machen, ne?

A: Klar! Hmhm, ich weiß.

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Redeschwall

Der folgende Ausschnitt stammt vom Beginn eines Mandantengesprächs. Zuvor hatte der Anwalt sein Wissen zum Fall referiert und mögliche rechtliche Schritte genannt. Der Mandant kam nicht zu Wort. In der Folge ist zu beobachten, dass der Anwalt das Rederecht nicht abgibt, sondern den Mandanten stark steuert, unterbricht und belehrt.

Anwalt: Sie haben die jetzt bekommen mittlerweile...

Mandant: ...hab ich bekommen.

A: Also der neueste Stand. Okay, wollen Sie mir vorab etwas sagen?

M: Hmm. Das...

A: Oder soll ich das durchlesen, die Ablehnung?

M: Ähm ja, was soll ich...

A: Erst mal ihre Motivation vielleicht.

M: ...Ihnen sagen, also... Zum einenmal... Zum einenmal wusste ich gar nicht, dass diese Möglichkeit besteht.

A: Ja irgendwann müssen Sie es ja gewusst haben, denn Sie haben ja den...

M: Ja, ich hab...

A: ...den Antrag gestellt.

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Fehlende Orientierung

Das folgende Beispiel zeigt eine Situation, in der der Mandant nicht weiß, wo es inhaltlich hingehen soll. Der Anwalt stellt eine Rückfrage, sagt aber nicht, warum er das Erfragte wissen möchte. Der Mandant beginnt daraufhin, sich für die Annahme einer nicht so gut bezahlten Arbeitsstelle zu rechtfertigen. Erst danach erklärt der Anwalt, wozu die Frage diente.
Teilweise fühlen sich Mandanten in Erklärungsnöte gedrängt oder aber sie liefern die Informationen, weil sie nicht wissen, worauf die Frage zielt. Das kann der Anwalt leicht vermeiden, indem er vorher sagt, wozu eine Frage dient.


Mandant: War ich dann halt am Schalter. Ich hab auch ganz normal da meinen Dienst angetreten.

Anwalt: Auf dieser unterwertigen Stelle aber?

M: Ja genau. Also da hatte ich ja auch, da konnte ich ja jetzt erst mal nicht zurück. Da hatte, da hatte ich ja auch zugestimmt. Denn ich muss ja da...

A: Nur, dass ich das... Nee, das... Jetzt im Moment geht's ja erst mal darum, dass ich einfach so den Ablauf, einen möglichst konkreten Überblick habe. Und deswegen...

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