Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg Von Europa nach Syrien

Flucht übers Mittelmeer: Im Frühjahr 1941 hatte die Wehrmacht auf ihrem Balkanfeldzug Jugoslawien und Griechenland besetzt. Unterstützt von italienischen und bulgarischen Truppen errichteten die Deutschen dort ein brutales Besatzungsregime. Schon damals wurde das Mittelmeer für Flüchtlinge zum größten Hindernis. Auf alten Fischerbooten oder Schiffen wie diesem flüchteten Zehntausende in Richtung Nordafrika und Türkei.

In umgekehrter Richtung: Wie heute lag eine der beliebtesten Fluchtrouten zwischen den griechischen Ägäis-Inseln und dem türkischen Festland. Nur die Fahrtrichtung der Boote, in denen polnische, jugoslawische, bulgarische und griechische Flüchtlinge versuchten, einem mörderischen Krieg zu entkommen, war eine andere.

Weiter per Zug: Von der türkischen Stadt Cesme brachten Züge die europäischen Flüchtlinge weiter in Richtung Aleppo. Rund 1000 Menschen kamen jeden Monat am Bahnhof der Stadt an und fuhren auf Lkw weiter in zwei Lager, die der britische Armeegeheimdienst außerhalb der Stadt errichtet hatte.

Camp Nuseirat: Der Aufenthalt im kleinen Durchgangslager von Aleppo dauerte für die meisten Flüchtlinge nur einige Tage. Für jene, die nicht der griechischen Armee zum Fronteinsatz übergeben wurden, ging es weiter in Richtung Süden. Unter anderem an einen Ort, der auch heute noch ein Flüchtlingslager ist: das palästinensische Nuseirat. Rund 10.000 Europäer konnte das ehemalige Lager der australischen Armee im heutigen Gazastreifen aufnehmen.

"Nichts als Sand": Weiter nördlich und nahe der ägyptischen Großstadt Alexandria befand sich das Lager Talumbat, in dem vor allem Mütter und Kinder untergebracht waren. In einem Memo an die UNRRA berichtete die amerikanische Krankenschwester Margaret G. Arnstein am 8. Mai 1945 über "dehydrierte Babys" und "kilometerweit nichts als Sand".

Einmarsch in Damaskus: Die Grundlage dafür, dass die Briten überhaupt Flüchtlingslager in Syrien errichten konnten, war bereits drei Jahre zuvor geschaffen worden. Nach der Niederlage Frankreichs im Zweiten Weltkrieg waren im Juni 1941 Truppen der Royal Army in Damaskus einmarschiert und hatten das französische Vichy-Regime als Besatzer Syriens abgelöst.

Internationale Flüchtlingshilfe: Organisiert wurden Flucht und Aufnahme der Flüchtlinge zunächst vor allem von der britischen Middle East Relief and Rehabilitation Administration (MERRA). Am 9. November 1943 beschlossen Vertreter von 44 Staaten die Gründung eines internationalen Flüchtlingshilfswerks: die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), hier zu sehen bei einem Treffen am 7. August 1945 in London.

Flüchtlingsabkommen: Eine Vereinbarung sorgte dafür, dass die überwiegend griechischen Flüchtlinge im britischen Machtbereich - wie hier in Damaskus - blieben. Die britische Armee sicherte der Türkei zu, alle Flüchtlinge zurückzunehmen, die ihr Staatsgebiet erreichten.

Heimatkunde im Exil: Aber Arnsteins Aufzeichnungen zeugen auch von den Anstrengungen der Helfer, den Kindern so etwas wie Normalität zu ermöglichen. Hier erklärt der jugoslawische Lehrer Josif Radic Flüchtlingskindern anhand einer selbst gezeichneten Karte die Geografie ihrer Herkunftsregion Dalmatien.

Helfer und Chronisten: Krankenschwestern wie Arnstein waren nicht nur für die medizinische Versorgung in den Lagern verantwortlich, in denen es kaum Ärzte gab. Von ihnen stammt auch ein Großteil der Aufzeichnungen aus jener Zeit.

El Shatt, größtes Flüchtlingslager des Nahen Ostens: Rund 20.000 Menschen beherbergte das Camp östlich des Suezkanals. Dort wurde auch für die berufliche Weiterbildung der Männer gesorgt, wie hier in einem Schuster-Workshop für Flüchtlinge.

Schulen: scheint es in den meisten Lagern im Nahen Osten gegeben zu haben. Eine Klasse mit 20 bis 30 Kindern traf sich jeden Morgen im Lager von Aleppo. An der Schule im Flüchtlingslager Moses Wells am Roten Meer konnten sogar 600 Kinder unterrichtet werden, vormittags und nachmittags an sechs Tagen in der Woche.

Schulmaterialien, Kleidung und Spielzeug kamen vor allem vom Roten Kreuz. In den MERRA-Berichten finden sich auch Hinweise auf die Willkommenskultur jener Tage: In Ägypten spendeten lokale Schulen Unterrichtsmaterialien - und Puppen - für die europäischen Migranten.

Wäsche waschenden Frauen im Lager von El Shatt: In kritischen Berichten über europäische Flüchtlinge war von "fehlender sozialer Verantwortung" die Rede und davon, dass die Europäer "nur wenig Sinn für persönliche Hygiene" hätten.

Zurück nach Europa: Erst als sich die deutsche Wehrmacht Ende 1944 aus Griechenland zurückzog, konnten viele der europäischen Nahost-Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren. Etwa mit diesem Schiff, auf dem sich rund 500 Menschen befanden, die im ägyptischen Moses Wells Zuflucht gefunden hatten.

Viele Rückkehrer, wie diese Bewohner der griechischen Ägäis-Insel Samos, hatten bis zu drei Jahre in den Wüstenlagern des Nahen Ostens verbracht. Zurück in der Heimat fanden sie oft nur noch Trümmer vor. Die Flucht war zu Ende, die Not nicht.

Die Hilfe der UNRRA ging weiter: Statt im Nahen Osten versorgte das Flüchtlingshilfswerk die Menschen nun in Lagern auf dem europäischen Kontinent. Wie hier bei einer Lieferung von 3000 Tonnen Weizen am 24. Mai 1946 im griechischen Hafen von Kalabaka.

Wenige Monate später war auch die UNRRA Geschichte, nicht aber ihre Flüchtlingshilfe. Aus der UNRRA wurde am 31. Dezember 1946 die International Refugee Organization. Deren Nachfolgerin spielt auch heute noch eine wichtige Rolle in der europäisch-nahöstlichen Fluchtgeschichte: das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR.