Leipzig im Oktober 1989 "Fotografiere das hier doch mal"

Zwei Tage nach dem 40. Geburtstag der DDR gingen in Leipzig rund 70.000 Demonstranten auf die Straße. Siegbert Schefke und Aram Radomski gelangen

Observierungsfoto des MfS: Mitarbeiter der Staatssicherheit beobachteten Siegbert Schefkes Wohnung in Berlin und verfolgten ihn bis zum Bäcker.

Stasi-Mitarbeiter standen an diesem Tag "wie immer im Hof", erinnert sich Schefke. Das Haus verließ er am 9. Oktober 1989 durch eine Luke im Dach.

Der in Eberswalde geborene DDR-Bürgerrechtsaktivist und Regimekritiker war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt. An eine Reform der DDR glaubte er nicht mehr.

Siegbert Schefke und Aram Radomski beobachteten die Leipziger Demo am 9. Oktober 1989. Sie hörten Sprechchöre wie "Wir sind das Volk", "Neues Forum zulassen", "Gorbi, Gorbi".

Ihr Drehmaterial steckten sie dem SPIEGEL-Korrespondenten Ulrich Schwarz zu, der die Videokassette in den Westen brachte. Gespannt wartete Schefke (Foto) darauf, ob ihre Aufnahmen in den Abendnachrichten gezeigt würden.

Den Fotografen Aram Radomski hatte Siegbert Schefke in der Ost-Berliner Umweltbibliothek kennengelernt. Im Sommer 1989 fuhren sie für ein Stadtporträt nach Leipzig. Eine Frau mit Kleinkind forderte sie auf: "Fotografiere das hier doch mal, setze es in die Zeitung, wie wir hier leben." Schefke schreibt im Rückblick: "Ja, genau das war es, worum es uns ging, zeigen, in welchem Dreck und Schmutz wir leben mussten."

Der Fotograf Aram Radomski berichtete ab 1987 illegal aus der DDR für das westdeutsche Fernsehen. Zusammen mit Siegbert Schefke drehte er etwa Filme über Umweltzerstörung und den Abriss historischer Bauten.

Siegbert Schefke und Aram Radomski dokumentierten vielerorts den Zerfall der Städte in der DDR.

Am Vorabend des 1. Mai 1989 drehten sie in Halberstadt.

Aus den Akten der Staatssicherheit erfuhr Schefke später, dass eigens ein Zimmer gegenüber seiner Wohnung angemietet worden war, um ihn zu beobachten. Von dort aus entstand dieses Observationsfoto.

Seit 1991 arbeitet Schefke als Journalist für das MDR-Fernsehen und lebt heute in Leipzig.