Ganges in Indien Verehrt, verdreckt, verreckt

Als kristallklarer Bergfluss entsteht der Ganges im Himalaja hoch im Norden Indiens: Im Bergdorf Devprayag vereinen sich die Quellflüsse Bhagirathi und Alaknanda. Ein junger Priester, gerade einmal 19 Jahre alt, steht dort andächtig am Ufer und betet.

Der heiligste Fluss der Hindus bekommt viele Besucher: In einer kleinen Höhle neben dem Flussbett sitzen einige Priester zusammen und bereiten sich auf das Abendgebet vor.

Im Glauben daran, sich von ihren Sünden rein zu waschen, tauchen täglich Tausende Inder in den heiligen Fluss ein, trinken das Wasser, huldigen ihren Göttern.

Ganga heißt auch eine hinduistische Göttin, sie wird auch "Mutter Ganga" genant - ebenso wie der Fluss. Von Devprayag aus schlängelt er sich rund 2600 Kilometer durch Indien - vorbei an Dörfern, an Städten, durch Gebirge und Täler.

Auf seinem Weg ist der Ganges Bestandteil des alltäglichen Lebens: In der Pilgerstadt Haridwar treffen sich Hunderte Hindus am Flussufer zum Abendgebet.

Haridwar zählt zu den sieben heiligen Städten der Hindus. Alle zwölf Jahre wird dort das Fest Kumbh Mela ausgetragen - mit Lichtern und Blumengaben, die den Fluss hinab geschickt werden.

An Delhi vorbei fließt der Ganges nun Richtung Südosten. Ein Junge folgt ihm in der Nähe der Stadt Kanpur ein Stück auf seinem Holzboot.

Doch von den unberührten, klaren Gewässern ist in Kanpur nichts mehr zu sehen. Rötlich-braun und trüb ist das Wasser inzwischen geworden.

Denn so heilig den Hindus ihre Mutter Ganges ist, so unbedacht gehen sie auch mit ihr um. Giftige Abwässer werden in den Fluss geleitet, Chemikalien, Müll - die Belastung durch Kolibakterien ist enorm.

Schaumiges Wasser fließt eine Abwasser-Rinne entlang direkt in den heiligen Fluss. Um den Ganges zu retten, hat die indische Regierung vor Jahren einen Aktionsplan gestartet - doch der liegt weit hinter dem Zeitplan zurück.

In der heiligen Stadt Varanasi ist die Verschmutzung des Flusses nicht mehr zu übersehen. Dem hinduistischen Glauben zufolge wird man aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt befreit, wenn man in Varanasi stirbt.

Tausende Gläubige pilgern jährlich nach Varanasi, um dort ihre letzten Tage zu verbringen. Um ihrer Mutter Ganges ganz nah zu sein, schlafen sie teilweise auf den Stufen, die zum Wasser hinab führen.

Wer in Varanasi stirbt, wird verbrannt oder mit Steinen beschwert in der Mitte des Flusses versenkt - das hält die Hindus aber nicht davon ab, am Ufer ihre spirituellen Waschungen vorzunehmen.

Ein Mann trägt sein kleines Kind nach einer Zeremonie in Varanasi am Flussufer entlang. Hindus glauben an die reinigende Kraft von Mutter Ganges - auch wenn sie selbst vergiftet ist.

Verseucht und trüb fließt der Ganges von Varanasi weiter gen Osten, bis in die Millionen-Metropole Kalkutta - wo Menschen sich neben Müllbergen und Industriegebäuden die Zähne mit ihrem Wasser putzen. Kurz darauf mündet der heilige Fluss in den Indischen Ozean.