Rupert Neudeck Leben eines Lebensretters

Seit den Siebzigerjahren mischte sich Rupert Neudeck als Journalist und Aktivist in das politische Geschehen ein - und rief immer wieder mit Wortmeldungen und Aktionen kontroverse Reaktionen hervor. Nun ist er gestorben.

Schiffe machten Neudeck 1979 weltberühmt: Cap Anamur heißt dieses Rettungsschiff (2004 im sizilianischen Porto Empedocle) - ebenso wie die Flüchtlingshilfsorganisation, die Neudeck mitgründete.

Während des Kosovokriegs und der Nato-Luftangriffe auf Serbien organisierte Neudeck 1999 Hilfe für die Vertriebenen auf dem Balkan. Cap Anamur half unter anderem beim Wiederaufbau im Kosovo, besorgte Müllfahrzeuge und richtete medizinische Ambulanzen ein.

Seit den frühen Siebzigerjahren arbeitete der Journalist unter anderem für den Deutschlandfunk, Neudecks publizistische Arbeit ging dabei oft eng mit seinen politischen Aktionen einher.

Neudeck engagierte sich bis zuletzt für Flüchtlinge. Vor wenigen Monaten erst schrieb er in einem Beitrag für das "Philosophie Magazin": "Das schlimmste Hindernis der Integration sind die Untätigkeit und Passivität, zu denen das deutsche Asylbewerbersystem nicht nur neigt, sondern die es verfügt."

Hilfe für Notleidende wurden zum zentralen Thema im Leben Neudecks (Foto von 2009) - doch sein Wirken war auch umstritten: Die geschickte Öffentlichkeitsarbeit für Cap Anamur brachte Neudeck den Vorwurf ein, humanitäre Einsätze mit Medienauftritten zu verquicken.

Tausende Menschen rettete Cap Anamur im Laufe der Jahrzehnte aus Krisengebieten. Neudecks Organisation betrieb Krankenhäuser in Vietnam, Ambulanzstationen in Kolumbien und Äthiopien sowie ein Hospital im Nordirak. Cap Anamur half Bürgerkriegsopfern im Sudan genauso wie Opfern der Taliban in Afghanistan.

2002 verabschiedete sich Neudeck bei Cap Anamur - mit dem Ruf, kompromisslos und bisweilen auch autoritär zu sein. 2003 rief er mit Aiman Mazyek, dem heutigen Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, die Grünhelme ins Leben: ein interreligiöses Friedenscorps.

Neudeck mit CDU-Chef Wolfgang Schäuble (im April 1999): In späteren Jahren kritisierte der Aktivist Cap Anamur, weil die Organisation auch weniger hilfsbedürftige Flüchtlinge unterstütze - und so die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setze.

Neudeck kam am 14. Mai 1939 in Danzig, dem heute polnischen Gdansk, zur Welt und wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg in Hagen auf. Nach wenigen Semestern an der Universität schloss er sich für kurze Zeit dem Jesuitenorden an, anschließend studierte er Theologie, Philosophie, Germanistik und Soziologie.

Zuletzt lebte Neudeck mit seiner Frau Christel in Troisdorf bei Bonn. Das Paar war seit 1970 verheiratet und hat drei Kinder. Rupert Neudeck wurde 77 Jahre alt.