Verbannte Bücher Ab in den Giftschrank

Hysterische US-Moralwächter nehmen gern Literatur-Klassiker unter Beschuss, Bibliotheken kontern mit der "Woche der verbannten Bücher".
Die Vorwürfe gegen Harry Potter: Verführung zur Hexerei, Verklärung des Okkulten, kein Respekt vor Autoritäten - dazu Autorin Joanne K. Rowling: "Nicht ein einziges Mal ist ein Kind zu mir gekommen und hat gesagt: 'Ich bin so froh, dass ich dieses Buch gelesen habe, denn jetzt möchte ich Hexe werden'."

Mark Twain: Die Abenteuer von Huckleberry Finn, erschienen 1884
Die Bücher über Tom Sawyer und Huckleberry Finn, oft zusammen veröffentlicht, sind echte Jugendbuch-Klassiker. Schwarze werden als "Nigger" bezeichnet - zu dieser Zeit in den USA noch gängig. Im Roman suchen Außenseiter Huckleberry Finn und der entlaufene junge Sklave Jim ihren Weg den Mississippi hinab.
Mark Twain über Zensur: "Sie schreibt einem Mann vor, dass er kein Steak essen darf, weil ein Baby es nicht kauen kann."

Plakatmotiv zur "Banned Books Week": Die Comicfigur "Batgirl" alias Barbara Gordon arbeitete zunächst als Bibliothekarin in Gotham City. Im richtigen Leben sind Bibliothekare ebenfalls echte Helden, finden amerikanische Autoren, Verleger, Buchhändler und Bibliothekare - jedes Jahr Ende September starten sie eine Aktionswoche, um auf verbannte Bücher aufmerksam zu machen.

Nobelpreisträgerin Toni Morrison (unter anderem "Menschenkind", "Jazz"): Macht sich bei der Kampagne stark gegen das Verbot von Büchern.

William Golding: Herr der Fliegen (erschienen 1954)
Immergrüner Klassiker aus der Jugendbuch-Abteilung - die düstere Robinsonade einer Gruppe Schuljungen, die nach einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel stranden. Erst genießen sie die Freiheit ohne Erwachsene, dann kommt es zu heftigen Konflikten. Und zum Mord an Piggy, einem sehr schlauen und sehr dicken Jungen.
Erboste Eltern entdeckten allerhand Böses: Demoralisierend sei das Buch, diffamiere Minderheiten, enthalte exzessive Gewalt und schlimme Wörter.

Margaret Mitchell: Vom Winde verweht (erschienen 1936)
Mega-Beststeller - und in der Hollywood-Version auch einer der erfolgreichsten Filme ever. Ein Südstaatendrama um Scarlett O'Hara und ihre unglückliche Liebe zum Abenteurer Rhett Butler im amerikanischen Bürgerkrieg.
Da der Roman vor dem historischen Hintergrund von Sklaverei und Ku-Klux-Klan-Attacken spielt, scheint es wenig überraschend, dass das Wort "Nigger" auftaucht - Grund genug für manche US-Eltern, die Verbannung aus dem Unterricht zu fordern.

John Steinbeck: Von Mäusen und Menschen (erschienen 1937
Die Geschichter zweier Wanderarbeiter und ihrer Träume: Der riesige und kräftige, aber debile Lennie und sein Kindheitsfreund George finden Arbeit auf einem Hof. Es gibt Ärger, unbeabsichtigt tötet Lennie die Frau des Chefs und wird am Ende von George erschossen.
Der Roman wurde vielfach aus Schulen verbannt: wegen "Blasphemie", "vulgärer Sprache", "rassistischer Verunglimpfungen" - und natürlich wegen des Wortes "Nigger".

Toni Morrison: Menschenkind (erschienen 1987)
Mit dem Pulitzer-Preis prämierter Roman über die psychischen Folgen der Sklaverei - über eine Frau, die eines ihrer Kinder tötet, um es vor einem Leben in Knechtschaft zu bewahren.
Die üblichen Beanstandungen: zu viel Gewalt, zu viel Sex.

George Orwell: 1984 (erschienen 1949)
Zukunftsroman mit der düsteren Vision eines totalen Überwachungsstaates, regiert vom omnipräsenten Großen Bruder.
Geriet auf die Liste der "challenged books" wegen des Vorwurfs, es sei "pro-kommunistisch" und "sexuell anstößig".

J.R.R. Tolkien: Herr der Ringe (erschienen 1954)
Der Prototyp des Fantasy-Romans mit allerlei Zwergen und Zauberern und Elben und Hobbits, auch höchst erfolgreich verfilmt.
Gilt amerikanischen Fundamentalchristen als "satanisch".

Aldous Huxley: Schöne neue Welt(erschienen 1932)
Neben "1984" von Orwell der andere große Zukunftsroman. In der "Schönen neuen Welt" ist einer totalitären Weltregierung eine scheinbar perfekte Gesellschaft gelungen. Per Fabrikproduktion werden alle Menschen im Labor gezüchtet, entsprechend ihrer Güteklasse konditioniert und mit Sex, Konsum und Drogen ruhiggestellt.
Mehrfach beanstandet, zum Beispiel weil im Roman Menschen vorkommen, die "Verachtung für Religion, Ehe und Familie zeigen".

J.D. Salinger: Der Fänger im Roggen (erschienen 1951)
Ein Klassiker der Literatur-Gattung "Adoleszenzromane", die Geschichte des 16-jährigen Holden Caulfield, der zum vierten Mal von einer Schule fliegt, durch New York streunt und dort nichts als Ärger hat.
Der Roman war für US-Zensoren stets eines ihrer Lieblingsziele - sie halten es für "obszön", "vulgär", "blasphemisch", ganz und gar "inakzeptabel".

"Open your mind": Der Aufruf in der Woche der verbotenen Bücher.

Alice Walker: Die Farbe Lila (erschienen 1982)
Mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Roman (von Steven Spielberg mit Whoopi Goldberg verfilmt), der in den Südstaaten Anfang des 20. Jahrhunderts spielt und die Geschichte einer jungen schwarzen Frau erzählt, die sich allmählich von ihrem gewalttätigen Ehemann löst.
Angekreidet wurden Alice Walter die Darstellung von Gewalt und Sex, rüde Sprache sowie das "negative Bild von schwarzen Männern".

Freiheit für Harry Potter und den Herrn der Ringe: Mit Autorenlesungen, Theateraufführungen und Sonderaktionen in Bibliotheken kämpft eine große Literatur-Koalition gegen Zensur und für das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung.

Bekenner-Sticker: Die Bibliotheken, Verlage und Autoren rufen jeden Bürger dazu auf, die verbotenen Bücher zu lesen - jetzt erst recht.