Von Esser bis Gribkowsky Die spektakulärsten Wirtschaftsprozesse

Klaus Esser und die Mannesmann-Millionen
November 2006: Der Düsseldorfer Mannesmann-Prozess wird eingestellt. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel, der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser und drei weitere Angeklagte zahlen sechs Millionen Euro als Geldauflage. Hintergrund war der Verdacht, dass Klaus Esser unberechtigt und unter Einflussnahme von Vodafone als Prämien deklarierte Zahlungen in Höhe von umgerechnet 25 Millionen Euro erhalten hatte. Genehmigt worden waren die Prämien unter anderem von den damaligen Aufsichtsräten Ackermann und Zwickel.

Heros und das Geld der Kunden
Mai 2007: Der Gründer des größten deutschen Geldtransportunternehmens Heros, Karl-Heinz Weis, wird wegen Veruntreuung von rund 350 Millionen Euro und Bankrotts zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, zwei weitere Angeklagte zu jahrelangen Haftstrafen. Gemeinsam hatten die Verurteilten rund 350 Millionen Euro von Kundengeldern abgezweigt, um Finanzlöcher im eigenen Unternehmen zu stopfen - und um sich selbst zu bereichern. Von rund 70 Millionen Euro fehlt bis heute jede Spur.

Volkswagen und die Spesenkonten
Januar 2007: Im ersten Prozess des Skandals um Schmiergelder, Vergnügungsreisen, Bordellbesuche, teure Geschenke und Partys auf Kosten des Volkswagenkonzerns wird der frühere VW-Personalvorstand Peter Hartz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 576.000 Euro verurteilt. Er hatte gestanden, den ehemaligen VW-Betriebsratschef Klaus Volkert mit Sonderzahlungen in Millionenhöhe "gekauft" zu haben. Im zweiten Prozess wurden im Februar 2008 Volkert zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und Ex-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

Alexander Falk und die geschönten Umsätze
Mai 2008: Alexander Falk wird wegen versuchten Betrugs in Hamburg zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, die Revision vom BGH als unbegründet verworfen. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass Falk zusammen mit vier seiner Manager den Wert der Firma Ision durch Umsatzmanipulation künstlich nach oben getrieben hatte. So erzielte er beim Käufer, der englischen Energis, einen höheren Preis. Energis hatte Ision im Jahr 2000 für umgerechnet rund 800 Millionen Euro gekauft, um kurz danach in die Insolvenz zu gehen.
Das Urteil markierte das Ende des Abstiegs des Stadtplanverlags-Erben. Falk gehörte einst zu den 30 reichsten Menschen Deutschlands.

Reinhard S. und das System Siemens
28. Juli 2008: Im ersten Strafprozess um die Siemens-Korruptionsaffäre hat das Landgericht München den ehemaligen Siemens-Direktor Reinhard S. wegen Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem musste er eine Geldstrafe in Höhe von 108.000 Euro zahlen. Der Ex-Direktor hatte gestanden, für den Elektrokonzern 50 Millionen Euro in schwarze Kassen geleitet zu haben. Nach seiner Festnahme Ende 2006 hatte er der Staatsanwaltschaft das damalige Schmiergeldsystem bei Siemens umfassend erklärt.

Klaus Lederer und die verschleppte Insolvenz von Babcock Borsig
22. September 2008: Sechs Jahre nach der Pleite des Oberhausener Anlagenbauers Babcock Borsig wird Vorstandschef Klaus Lederer wegen Insolvenzverschleppung zu einer Bewährungsstrafe, einer Geldbuße und zu 1000 Stunden Sozialarbeit verurteilt. Der Angeklagte hatte im Prozess gestanden, schon im April 2002 von der Zahlungsunfähigkeit des Oberhausener Industriekonzerns Babcock Borsig gewusst zu haben. Der Insolvenzantrag war jedoch erst drei Monate später gestellt worden - nach dem Ausscheiden des Managers. Lederer erklärte vor Gericht: "Ich nehme für mich in Anspruch, wirtschaftlich sinnvoll gehandelt zu haben."

Jürgen Sengera und die Boxclever-Kredite
August 2009: Der Prozess gegen den ehemaligen WestLB-Chef Jürgen Sengera wegen eines Milliardenkredits an den Fernsehgeräteverleiher Boxclever muss neu aufgerollt werden, nachdem der BGH den Freispruch des Düsseldorfer Landgerichts aufgehoben hat. Dem Manager wird Untreue vorgeworfen. Die zu seiner Zeit drittgrößte Landesbank in Deutschland war durch den Kredit in eine finanzielle Schieflage geraten. Durch das Darlehen in Höhe von 1,35 Milliarden Euro an Boxclever war der WestLB ein Schaden von rund 400 Millionen Euro entstanden. Sengera war an den maßgeblichen Vorstandsbeschlüssen im Dezember 1999 und im Frühjahr 2000 beteiligt.

Gerhard Schmid und der vorsätzliche Bankrott
April 2010: Der Prozess gegen den Gründer und früheren Chef der Mobilcom AG, Gerhard Schmid, muss neu aufgerollt werden. Denn Schmid hat mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof Erfolg: Die Karlsruher Richter machen zahlreiche Lücken in dem Urteil des Landgerichts Kiel vom Januar 2009 aus. Schmid war wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Er soll 2002 Unternehmensanteile und Geld im Gesamtwert von 1,2 Millionen Euro nach Liechtenstein geschafft haben, um sie vor einer drohenden Pfändung in Sicherheit zu bringen.

Stefan Ortseifen und die IKB-Rettung
Juli 2010: Der frühere Chef der Mittelstandsbank IKB, Stefan Ortseifen, wird in Düsseldorf wegen Börsenmanipulation zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Mittelstandsbank soll Aktionären bewusst die Auswirkungen der US-Immobilienkrise verschwiegen haben. Die Revision ist derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig. Ortseifen war bereits im Juli 2007 als Vorstandssprecher der IKB entlassen worden, weil die Tochter der staatlichen KfW-Bank durch Fehlspekulationen mit schlecht abgesicherten amerikanischen Hypothekenkrediten in Schieflage geraten war.

Die Deutsche Bank und die Zinswetten
März 2011: Der BGH verurteilt die Deutsche Bank zur Zahlung von rund 540.000 Euro Schadenersatz an ein mittelständisches Unternehmen. Dieses hatte bei einem sogenannten Swap-Geschäft - einer Wette auf die Zinsentwicklung - einen großen Verlust erlitten. Die Bank habe ihre Beratungspflichten verletzt, urteiten die Karlsruher Richter. Die "Spread Ladder Swap"-Verträge hatten die Deutsche Bank und andere Kreditinstitute auch mit zahlreichen anderen mittelständischen Unternehmen, Städten und kommunalen Unternehmen abgeschlossen.

Rolf Demuth und die Bilanzen von Schieder
April 2011: Der Gründer und Chef des einst größten Möbelproduzenten Europas, der Schieder-Gruppe, wird vom Landgericht Detmold zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sein Finanzchef bekam eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Zwei weitere Mittäter erhielten Bewährungsstrafen. Die Manager hatten Bilanzen gefälscht und damit Kredite in dreistelliger Millionenhöhe erschlichen. 2007 musste der Konzern mit rund 11.000 Mitarbeitern Insolvenz anmelden. Der finanzielle Schaden soll insgesamt 283 Millionen Euro betragen.

Wilhelm Schelsky und die AUB
Oktober 2010: Das Urteil des Landesgerichts Nürnberg-Fürth gegen den von Siemens geschmierten Gründer der IG-Metall-Konkurrenz AUB, Wilhelm Schelsky, wird vom Bundesgerichtshof (BGH) weitgehend bestätigt. Das Landgericht Schelsky zu einem Schadensersatz in Höhe von 3,2 Millionen Euro verurteilt. In dem Skandal ging es um veruntreute Gelder, mit denen Schelsky eigene Unternehmen aufgebaut haben soll. Der ehemalige Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer war zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Während des mehrwöchigen AUB-Strafverfahrens gegen Schelsky und Feldmayer war deutlich geworden, dass Siemens jahrelang versucht hatte, mit Millionenzahlungen an die AUB ein Gegenwicht zur IG Metall aufzubauen.

Die Telekom und die Spitzelaffäre
November 2010: Im Prozess um die Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom hat das Landgericht Bonn den früheren Sicherheitschef des Konzerns zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Der Angeklagte Ex-Abteilungsleiter für Konzernsicherheit, Klaus Trzeschan, hatte im Prozess als Hauptangeklagter die alleinige Verantwortung für das illegale Ausspionieren übernommen. In den Jahren 2005 und 2006 waren mehr als 40 Personen von den Ausspähungen betroffen, unter ihnen waren außer Journalisten auch Aufsichtsräte und Gewerkschafter.
Die Ermittlungsverfahren gegen Ex-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke sowie gegen Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel waren schon vor dem Prozess eingestellt worden.

Helmut Kiener und der 345-Millionen-Betrug
März 2011: Der Fondsmanager Helmut Kiener soll Anleger um 345 Millionen Euro betrogen haben. Die Anklage wirft ihm gewerbsmäßigen Betrug in besonders schweren Fällen, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung in Höhe von 5,1 Millionen Euro vor. Dem ebenfalls angeklagten Claus Z. wird Beihilfe vorgeworfen. Er soll für Kiener Depot und Kontodaten frisiert haben. Unter den Opfern sind außer rund 5000 Privatanlegern auch Großbanken wie Barclays Capital und die BNP Paribas.

Leo Kirch und die Interview-Pleite
März 2011: Neun Jahre nach der Pleite der KirchMedia-Gruppe sagt der Medienunternehmer Leo Kirch erstmals als Zeuge im Schadensersatzprozess gegen die Deutsche Bank und deren ehemaligen Chef Rolf Breuer aus. Es geht um zwei Milliarden Euro. Kirch wirft dem Frankfurter Geldhaus vor, 2002 durch ein TV-Interview Breuers die Insolvenz seiner Gruppe herbeigeführt zu haben. Darin hatte Breuer über die Kreditwürdigkeit Kirchs gesagt: "Was man alles lesen und hören kann, ist, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder Eigenmittel zur Verfügung zu stellen." Danach haben aus Kirch-Sicht die Banken den Geldhahn zugedreht. Seither überzieht er die Deutsche Bank mit Klagen und fordert Schadensersatz in Milliardenhöhe.

Thomas Middelhoff und die Arcandor-Deals
April 2011: Im Landgericht Essen beginnt der Prozess Görg gegen Middelhoff und vier weitere ehemalige Vorstände des insolventen Handelskonzerns Arcandor (Karstadt, Quelle, Thomas Cook). Middelhoff wurde 2004 Aufsichtsratschef des Handelskonzerns. Von 2005 bis 2009 war er Vorstandschef Arcandors. Im März 2009 übernahm Karl-Gerhard Eick, kurz darauf meldete Arcandor Insolvenz an. In der ersten Klage des Arcandor-Insolvenzverwalters Görg geht es um Schadenersatzforderungen von 175 Millionen wegen Mietverträgen mit der Oppenheim-Esch-Holding. In der zweiten Görg-Klage gegen Middelhoff geht es um Spesen, Boni und Abfindungen - die sich auf rund 25 Millionen Euro summieren. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt zudem gegen Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue. Middelhoff indes hat Strafanzeige gegen Insolvenzverwalter Görg wegen Prozessbetrugs erstattet.

Die BayernLB, die Formel 1 und die Hypo Alpe Adria
Mai 2011: Ein Gericht hat der BayernLB erlaubt, das Vermögen ihres früheren Risikovorstands Gerhard Gribkowsky sicherzustellen. Gribkowsky wird vorgeworfen, beim Verkauf von Formel-1-Anteilen Bestechungsgelder von 50 Millionen Dollar kassiert zu haben.
Offen sind Strafverfahren und Prozesse gegen diverse Ex-Vorstände der BayernLB. Ihnen werden unter anderem der verlustträchtige Kauf der Österreich-Tochter Hypo Alpe Adria (HGAA) vorgeworfen. Der Kauf der HGAA im Jahr 2007 hatte der BayernLB horrende Verluste eingebrockt und die Steuerzahler mit 3,7 Milliarden Euro belastet.