Sigmar Gabriel Der SPD-Krawallmacher

"So, nu' is' Pause". Jetzt ist Marie dran, twittert SPD-Parteichef Sigmar Gabriel am 13. Juli. Gemeint war seine dreimonatige Babypause für Tochter Marie. Doch nun ist er trotzdem auf allen Kanälen präsent - und verwirrt mit seinen Vorstößen gelegentlich Freund und Feind.

Bereits am 21. Juli meldet sich Gabriel (hier mit einem Geschenk eines Genossen für seine Tochter) mit einem Acht-Punkte-Thesenpapier zur Regulierung der Finanzmärkte in der "Bild"-Zeitung zu Wort. Rüde attackiert er darin die Banken: "Eine Minderheit schadet der Mehrheit - und dem ganzen Land." Die Banken erpressten die Staaten und diktierten die Politik. Sie leisteten Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zahlten unanständige Gehälter und zockten ihre Kunden ab.

Und auch für die Bundestagswahl gibt Gabriel seiner Partei die Strategie in seinem Thesenpapier vor: "Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden."

Alles, was bisher zur Bekämpfung der Euro-Krise getan wurde, sei Krisenmanagement, sagt Gabriel am 22. Juli im Interview mit dem "Tagesspiegel". "Das ist nötig, zeigt aber immer wieder, wie erpressbar der Staat inzwischen durch das außer Kontrolle geratene Banken- und Finanzsystem geworden ist." Und weiter: "...zur Krisenlösung brauchen wir vor allem eine harte und kompromisslose Bankenregulierung in Europa."

Danach greift der SPD-Vorsitzende in den niedersächsischen Wahlkampf ein: Er begleitet den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Stephan Weil auf dessen Sommerreise durchs Land. Beim Streit um die Suche nach einem Atommüllendlager widerspricht Gabriel am 23. Juli dem niedersächsischen Genossen: Der Salzstock in Gorleben dürfe "nicht aus politischen Gründen aus dem Spiel" genommen werden, auch wenn er geologisch schlecht geeignet sei. Weil dagegen will Gorleben von vornherein ausschließen.

Und auch in die aktuelle Politik mischt sich Gabriel immer wieder ein - auf dem Bild ist er mit seinen Konkurrenten um die SPD-Kanzlerkandidatur Peer Steinbrück (l.) und Frank-Walter Steinmeier (r.) zu sehen: Als am 25. Juli das Bundesverfassungsgericht die schwarz-gelbe Wahlrechtsreform kippt, twittert der SPD-Vorsitzende: "Merkel & Co. haben versucht, ein Wahlrecht zu ihren Gunsten durchzupauken. 3000 Bürger und die SPD haben das beim BVerfG gestoppt!"

Der SPD-Chef legt beim Banken-Bashing immer wieder nach. Nicht nur in zahlreichen Interviews mit Zeitungen und Fernsehsendern erklärt er seine Kritik, er lädt auch am 27. Juli zum Bürger-Interview via Twitter ein. Auf den Tweet "SPD vs. Wallstreet. Good luck" von einem User antwortet der Sozialdemokrat: "In der 150-jährigen Geschichte der SPD gab es mächtigere und schlimmere Gegner!"

"Was immer im Investmentbanking in Zukunft noch möglich sein wird, an jeder Eingangstür einer Bank auf diesem Sektor muss ein weithin sichtbares Schild stehen: Hier endet die Staatshaftung", fordert Gabriel am 30. Juli in einem Gastkommentar im "Handelsblatt". Er plädiert erneut dafür, die Banken in Deutschland aufzuspalten. "Es geht nicht um eine Zerschlagung der Banken, sondern um eine Abschirmung des Geschäftsbankings."

SPD-Chef Sigmar Gabriel wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - ebenfalls am 30. Juli mangelndes Engagement bei der Regulierung der Finanzmärkte vor. "Merkels Irrglaube, die aktuelle Euro-Krise sei allein die Folge überbordender Staatsverschuldung einzelner Euro-Staaten, führte fast schon zwangsläufig dazu, dass die Arbeit an einer robusten Regulierung der Finanzmärkte und des Bankensektors aus den Augen verloren wurde", sagt er der "Financial Times Deutschland".

Am 2. August ist er dann wieder voll des Lobes für die Kanzlerin: In der "Tageszeitung" lobt er Merkel und bekennt sich zu einer gemeinsamen Europapolitik. "Man muss nicht in einer gemeinsamen Regierung sitzen, um in wichtigen Fragen gemeinsame Politik zu machen", so Gabriel mit Blick auf die jüngsten Abstimmungen zur Euro-Rettung, in denen die SPD Merkels Kurs stützte. Über die Kanzlerin sagt er: "Ich schätze an ihr, dass sie ihr Amt nicht wie eine Monstranz vor sich her trägt. Sie hat Selbstironie. Das macht sie grundsympathisch. Und sie ist sehr verlässlich."

Ganz andere Töne dann wieder im Essay "Mut zur Politik", das Gabriel am 3. August in der "Welt" veröffentlicht: Darin schreibt der Sozialdemokrat, dass die Bundeskanzlerin sich um die Verantwortung in der Europapolitik drücke, diese an die Europäische Zentralbank abschiebe. Der Euro könne nur gerettet werden, wenn die Staaten Europas auf einen Teil ihrer nationalen Souveränität verzichten würden.

Gabriel verlangt von den Wohlhabenden in Deutschland mehr "sozialen Patriotismus". Hinter Reichtum stecke meist eine große persönliche Leistung, sagt er der "Süddeutschen Zeitung" am 4. August. Andererseits werde niemand allein reich. "Immer gehört dazu auch ein Land mit guter Bildung, Rechtsstaat und sozialem Frieden", betont der Parteichef. Deshalb sei es gerechtfertigt, von den Wohlhabenden mehr zu verlangen.

Bisher hat die SPD den harten Kurs der Bundesregierung in Sachen Euro-Schuldenkrise weitgehend mitgetragen. Doch am 6. August spricht sich SPD-Chef Gabriel, hier mit Steinbrück (l.) und Steinmeier (r.), für einen grundsätzlichen Strategiewechsel aus. Er plädiere für eine offene gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle, sagt er der "Berliner Zeitung". Dafür müsse ein Verfassungskonvent eine Grundgesetzänderung erarbeiten, die dann den Bürgern in einer Volksabstimmung vorgelegt werde. Der Euro-Rettungskurs der Bundesregierung sei gescheitert.