Weihnachtstraditionen Das machen wir schon immer so

Bei uns ist Hawaii-Toast das Traditionsessen am Heiligen Abend. Mein Vater war Küster und Organist, die Weihnachtstage waren immer die stressigsten des Jahres (abgesehen von Ostern). Meine Mutter konnte nie mit Sicherheit sagen, wann er am 24. Dezember zu Hause sein würde. Also suchte sie ein Essen, das schnell gemacht ist, das es nicht jeden Tag gibt und das alle Kinder begeistert: voilà.
Matthias Kaufmann

Im Studium habe ich Weihnachten um einen Tag verlängert. Nach dem Motto: Nach so viel Familie braucht man Zeit mit Freunden. Weil wir alle woanders studiert haben und zur Weihnachtszeit alle zusammen in der Heimat waren, hat sich dort der alte Freundeskreis getroffen. Wir hatten immer ein Essensmotto, etwa eine Spezialität aus dem Studienort. Es gab Smörrebröd, weil ein Freund in Kopenhagen studierte, Spätzle von dem, der in Stuttgart blieb, ich brachte Franzbrötchen aus Hamburg mit. Wir haben uns jedes Jahr was anderes überlegt und jeder hat was mitgebracht. Leider ist diese Tradition eingeschlafen, aber wir müssen sie nächstes Jahr echt wieder aufleben lassen!
Mara Veigel

Heiligabend würfeln wir immer um die Geschenke. Jeder, der eine Sechs hat, darf sich ein Geschenk unter dem Baum hervorholen, liest dann vor, für wen das Geschenk ist und gibt es demjenigen. Das zieht sich meist über drei Stunden hin. Aber so laufen wir nicht Gefahr, alle Geschenke auf einmal auszupacken. Jedes Geschenk erhält auf diese Weise auch einige Minuten Aufmerksamkeit. Wenn abzusehen ist, dass die Bescherung viel zu lange dauern wird, verkürzen wir das Spiel ein bisschen. Jeder darf dann gleich drei Mal würfen, in der Hoffnung, schneller eine Sechs zu bekommen.
Kristin Haug

Ich gehöre zu den bösen Müttern, die ihre Kinder in der Adventszeit schnöde anlügen: "Bald kommt der Weihnachtsmann." Mein Schauspiel reicht allerdings nicht so weit, dass ich an Heiligabend einen verkleideten Kunstbartträger einsetzen würde. Größer ist ja der Spaß an Fantasie und Illusion. Bei uns ist deshalb Tradition, dass auf magische Weise irgendwie ein Geschenkesack im Haus landet, ohne Zeugen. Dazu muss ich a) einen Vorwand finden, um mit der Familie das Haus zu verlassen und b) einen weiteren Vorwand haben, um kurz alleine wieder zurückzugehen und den Sack zu postieren, zum Beispiel unter dem geöffneten Dachfenster. Ideal: Spaziergang, Handschuhe vergessen. Finden die Kinder dann den Sack, fängt das Rätseln an: Wie und wann ist der Weihnachtsmann ins Haus gekommen? Und stammen die Haare auf der Treppe wohl von einem Rentier oder von unserem Hund?
Silke Fokken

Monopoly ist dämlich. Ein wenig Würfelpech am Anfang führt gleich zu zwei Stunden Dauer-Demütigung. Aber egal: Am ersten Weihnachtstag - und nur dann -, wenn sich meine Verwandtschaft zum Sauerbraten-Essen trifft, landet das Brettspiel alljährlich auf dem Kindertisch, auch wenn der Name nicht mehr so richtig passt, weil die jüngste Mitspielerin inzwischen 24 Jahre alt ist. Gestartet ist unsere Runde um die Jahrtausendwende. Es gab Jahre, da nahm man sein Spielgeld sicherheitshalber mit aufs Klo und malte sich dort aus, wie sich alle anderen gerade einen 1000-Mark-Schein aus der Bank gönnen. Diese Schreckenszeiten sind vorbei, aber noch immer gilt: Wer bei Monopoly gewinnt, macht sich so ein schönes Geschenk, denn er darf die Mitspieler zwölf Monate damit aufziehen, ganz gleich, ob der Sieg nun Glück war oder nicht. Im nächsten Jahr bekommen schließlich alle eine neue Chance; und davor natürlich auch wieder lecker Sauerbraten.
Markus Böhm

Weihnachten habe ich einen genauen Fahrplan: in meinem Elternhaus, bei schummerigem Licht, immer mit Gans, Rotkohl und Klößen, der immer gleichen Musik und dem Gottesdienst in der immer gleichen Kirche. Das ganze Jahr hält so viele Veränderungen und Ereignisse bereit; ich brauche diese Insel der Verlässlichkeit einmal im Jahr, auf der alles genauso ist, wie es immer war und auch nächstes Jahr wieder sein wird. Einmal habe ich mich überreden lassen, es anders zu machen, und bin zu den Schwiegereltern mitgekommen. Wirklich nette Leute. Doch ich fühlte mich furchtbar unwohl, und Flüchten war wenig verheißungsvoll: Ich würde Weihnachten im Auto verbringen. Egal. Ich bin losgefahren, habe an der Tankstelle schnell Geschenke gekauft und war im Morgengrauen bei meinen Eltern. Die Schwiegereltern 500 Kilometer entfernt: reden wir nicht drüber. Wir mögen uns immer noch. Und immerhin: Es gab nie wieder Diskussionen über Änderungen am Weihnachtsplan.
Stefanie Helbig

Zwischen Weihnachtsbaumschmücken und dem nachmittäglichen Kirchgang zelebriere ich mit alten Freunden in meiner rheinischen Heimat am 24. Dezember das traditionelle Weihnachtsfrühschoppensingen im Black Pub. So heißen akzeptable Kneipen bis heute in Kleinstädten. Früher versammelten wir uns in und vor dem barackenähnlichen Gebäude für ein paar Bier oder Glühwein. Inzwischen wird ein ganzer Straßenabschnitt gesperrt, zwei Bierwagen versorgen Weihnachtsheimkehrer wie Dagebliebene mit Getränken. Pub-Beisitzer Guido stimmt um Punkt 12 Uhr "Oh du fröhliche" über eine Lautsprecheranlage an. Was geblieben ist: Mit einigen Schulfreundinnen tausche ich kleine Geschenke aus. Und immer wieder jubelt mir eine ein paar Haschkekse unter; zum sofortigen Verzehr zwischen den frisch gezapften Altbieren. Beseelter lässt sich wohl kaum in den Heiligenabend starten.
Britta Schmeis

Weihnachten ist für mich immer Stress. Das Fest der Familie findet bei mir statt, deshalb bin ich für alles zuständig, manchmal besorge ich noch Geschenke von allen für alle. Da bleibt keine Zeit, jemanden zu besuchen oder auszugehen; in die Kirche schaffen wir es nur, wenn eines der Kinder beim Krippenspiel mitmacht. Oft wünsche ich mir einfach, dass es bald vorbei ist. Doch eine kleine Auszeit gönne ich mir: Meine Tradition ist es, irgendwann während der Feiertage ganz allein "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" zu schauen, die alte DDR/CSSR-Produktion von 1973. Ich genieße, wie Aschenbrödel auf ihrem Schimmel durch die Schneelandschaft reitet, die Bilder sind so wohltuend langsam, begleitet von der Musik von Karel Svobody, die ich seit meiner Kindheit kenne. Dann drücke ich ein Tränchen weg, und weiter geht's.
Carola Padtberg

Es gibt immer ein erstes Mal. Das gilt auch für Traditionen. Die teilt man meistens mit Familie und Freunden, aber manchmal auch mit Fremden. Am ersten Advent stand ich in einer fremden Wohnung, umringt von 24 Menschen. Ich kannte die Gastgeberin und entdeckte zwischen den vielen Unbekannten das Gesicht einer Kollegin. Also 22 fremde Menschen. Alle drängten sich im kleinen Wohnzimmer, alle hatten große Taschen dabei. Darin: 24 gleich verpackte Geschenke, auf denen immer die gleiche Ziffer stand. Ich hatte 24-mal das Päckchen Nummer 4 vorbereitet, die Physikerin neben mir 24-mal die Nummer 15 verpackt. Wir trafen uns an diesem Abend, um unsere Mitbringsel untereinander auszutauschen und uns so gegenseitig einen Adventskalender zu schenken. Wir wussten nicht, für wen wir bastelten, aber wir hatten alle sofort zugesagt. Weil wir die Idee schön fanden. Im Kollaborations-Adventskalender habe ich mal einen Witz, mal eine selbstgemachte Praline gefunden. Ich weiß nicht, wer für mich den Witz ausgedruckt oder die Schokolade verziert hat. Aber ich freue mich. So sehr, dass ich nächstes Jahr wieder bei dieser Tradition mitmachen möchte.
Sarah Heidi Engel

Mit fortschreitendem Alter rissen mein Bruder und ich uns an Heiligabend immer früher von unseren Eltern los. Oft landete ich dann im härtesten Punk-Schuppen der Stadt. Außer an Weihnachten habe ich den sonst fast nie betreten, doch an dem Abend war immer auch die Clique da. Weihnachtslieder wurden umgetextet ("Fröhliche Weihnacht überall, tönet durch die Lüfte froher Schall, auf dem Mond, auf dem Mars, überall ein volles Glas
") und man stimmte sich aufs gemeinsame Skifahren in den Tagen danach ein. Heute pflege ich eine geruhsamere Tradition: Jedes Jahr suchen meine Partnerin und ich in der Adventszeit nach (höchstens) einem Stück Baumschmuck. Der, der die kitschigste Weihnachtskugel gefunden hat, darf sie kaufen.
Ohne Namen

Als Kind kannte ich Weihnachten und besonders Heiligabend als Fest der Völlerei: Mein Vater kochte gut und viel, gegen Mitternacht kippte man mit überfülltem Magen ins Bett. Als ich das erste Mal mit meiner heutigen Frau bei deren Familie Weihnachten feierte, druckste die herum, als ich fragte, was es den traditionell am Heiligen Abend zu essen gebe. "Brödle", erfuhr ich nach mehrmaligem Insistieren. Als Rheinländer sagte mir dieser bayerschwäbische Begriff zunächst rein gar nichts, bis mir dämmerte: Es handelte sich um belegte Brote. Oder, um einen festlicheren Begriff zu verwenden: Kanapees. Heute ist diese Tradition längst auch zu meiner geworden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Weißbrotscheiben werden schon vormittags hübsch mit Wurst, Käse, Fisch, Gürkchen und Kapern angerichtet, niemand muss abends in der Küche stehen. Sie schmecken köstlich, und man hat danach noch Platz für Plätzchen und Süßigkeiten. Und wenn welche übrig bleiben, ist für das Abendessen am ersten Feiertag auch schon gesorgt.
Ohne Namen