
Kultshow "Was bin ich?": "Niemand wollte das damals machen"
Istvan Bajzat/ dpa
Todestag Robert Lembke Der Schweinepriester
"Sind sie mit der Herstellung oder Verteilung einer Ware beschäftigt?", fragt Guido, der "Ratefuchs", und lächelt verschmitzt. "Nnnnnnäin", tönt es in feinem Bayerisch zurück. Robert Lembke nickt seinem Studiogast zu, klappt mit Zeige- und Mittelfinger eine Nummernkarte um und lässt ein Fünfmarkstück in ein weißblaues Sparschwein fallen - "wir machen weiter mit der Annette". "Machen Sie Menschen glücklich oder zufrieden?" "Jioaaah", dehnt Lembke. "Kann auch ich zu ihnen kommen?" "Nein." "Gehe ich recht in der Annahme, dass sie künstlerisch tätig sind?", fragt Hans, und Robert Lembke schmunzelt: "Ja, dös könnt ma' sogn."
Wieder einmal scheint das Rateteam von "Was bin ich?" auf der richtigen Spur. Doch wird es ihnen gelingen, den Beruf des Gastes herauszubekommen? Oder wird der Totenkopfbemaler mit dem Höchstgewinn von 50 Mark nach Hause gehen?
Ja, nein, "genau das isses!": So geht das mehr als 30 Jahre lang. 337-mal flimmert das Quiz von 1955 bis 1989 über die Bildschirme, bis zuletzt liegen die Einschaltquoten bei mehr als 30 Prozent. Das "heitere Beruferaten" mit Robert Lembke ist ein Stück Fernsehgeschichte, ein immer wiederkehrendes Ritual, gegen das ein katholischer Gottesdienst spontan erscheint: Jeder Zuschauer kennt die Tafel, an die der Gast seinen Namen schreibt und angibt, ob er selbständig ist oder angestellt. Jeder vor dem Fernsehapparat weiß, wann der Gong geschlagen wird, der anzeigt, dass der Name des prominenten Gastes eingeblendet wird.
Immer nur der Kasperl
Es gongt bei Sophia Loren, und Peter Ustinov, es gongt bei Roy Black und Harry Belafonte - und immer wieder bei Peter Alexander. Lembkes Frage "Welches Schweinderl hätten's denn gern?" wird Teil der Alltagssprache. Selbst der Hauptgewinn wird in 34 Jahren nicht erhöht. Alle Versuche, etwas an der Sendung zu ändern, scheitern am Widerstand der Zuschauer.
Und auch das Rateteam wechselt kaum: Da sitzen Annette von Aretin, die erste Fernsehansagerin des Bayerischen Rundfunks, und Guido Baumann, Unterhaltungschef beim Schweizer Fernsehen. Marianne Koch, Schauspielerin und "die mit der Goldkante" aus dem Werbefernsehen, wechselt sich ab mit der Fernsehmoderatorin Anneliese Fleyenschmidt. Und dann sitzt an dem langen Tisch noch Hans Sachs, Oberstaatsanwalt aus Nürnberg, der so herrlich um die Ecke fragen kann. Da sitzen viermal "Grüß Gott" und ein "Grüazi, mitainand" und jeder kann ihre Namen im Schlaf aufsagen. Dennoch stehen vor ihnen jahrzehntelang Namensschildchen.
Alles scheint bekannt. Nur der, der vorne sitzt, der "Schweinderldompteur" und beliebte "Rateonkel dreier Nationen" (Deutschlands, Österreichs und der Schweiz) - der ist nicht so leicht zu greifen. Zwar geben 1982 bei einer Umfrage des "Stern" 96,5 Prozent an, ihn zu kennen - aber sie täuschen sich. "Für die Leute bin ich immer nur der Kasperl von 'Was bin ich?'", hat Lembke einmal gesagt, "was ich wirklich gemacht habe, hat die nie interessiert."
Flucht nach Großbritannien
Geboren wird Robert Emil am 17. September 1913 in München - "ein guter Jahrgang", wie er sagt: "blutarm, sinnlich, schmächtig und trinkfest." Die Ehe seiner Eltern wird früh geschieden, die Mutter betreibt danach ein Wäschegeschäft. Als er 18 Jahre alt ist, beginnt er auf Geheiß seines Vaters Jura zu studieren. "Er hatte alles bereits für mich ausgesucht", erinnert sich Lembke: "den Job, meine Frau, alles. Und das passte mir gar nicht."

Kultshow "Was bin ich?": "Niemand wollte das damals machen"
Istvan Bajzat/ dpa
1936 flüchtet sein Vater aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach Großbritannien, 1937 heiratet Robert seine Freundin Heidi. Das Studium bricht er ab. Er will Journalist werden und über Fußball schreiben, über seine Leidenschaft. Von seinem ersten Honorar schenkt er seiner Mutter Blumen. Lembke arbeitet für die Satirezeitschrift "Simplicissimus" und für das "Berliner Tageblatt" - bis die Nazis ihn nicht mehr lassen, weil er sich geweigert hatte, eine Loyalitätserklärung zu unterzeichnen. "Bevor ich meine Seele verkaufe und das Gegenteil von dem schreibe, was ich bisher geschrieben hatte, bin ich zur Industrie gegangen", sagt er. Und wird damals Spezialist für Leuchtfarben bei der I.G. Farben.
Nach dem Krieg beginnt seine "schönste Zeit". Er baut mit Hans Habe, Erich Kästner und Stefan Heym die "Neue Zeitung" in München auf. 1949 geht Lembke zum Bayerischen Rundfunk und macht dort schnell Karriere als Hörfunk-Chef, als Fernsehdirektor und schließlich als Chefredakteur. Und er ist wieder ganz nah am Fußball: Bei der Weltmeisterschaft 1954 ist er beim "Wunder von Bern" Assistent von Herbert Zimmermann. In den kommenden Jahren koordiniert er die Fernsehberichterstattung von den Olympischen Spielen, wird stellvertretender Programmdirektor der ARD und organisiert die Übertragungen von der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland.
Kreislaufkollaps im Vorbeigehen
Lembke ist nicht nur im Fernsehen, er ist einer der Mächtigen des Mediums. Nebenher schreibt er Bücher mit Aphorismen (siehe unten), macht teure Werbung, raucht wie ein Schlot und erleidet wie im Vorbeigehen einen Kreislaufkollaps wegen Überarbeitung.
Nebenbei macht er "als Hobby" seit 1955 auch "Was bin ich?", dessen Urform er bei der BBC kennen gelernt hatte. Dass er vor der Kamera steht (oder: sitzt), ist Zufall: "Niemand wollte das damals machen", erinnert sich Lembke, "die Leute vom Radio wollten ihr Millionenpublikum nicht aufgeben für die Spinner vom Fernsehen. Ich war eigentlich nur eine Übergangslösung." Seine Premiere mit Stargast Vico Torriani feiert das Quiz noch mit dem sperrigen Namen "Ja oder Nein. Ein psychologisches Extemporale mit sieben unbekannten Größen", und auch Schweinderl gibt es noch nicht - dafür aber einen Hund an Lembkes Seite: Foxterrier Struppi bewacht das Geld und wird berühmt, als er den Finanzminister in die Hand zwickt.
Bei "Was bin ich?" lernen die Deutschen in den kommenden Jahrzehnten Schmetterlingsbetreuer, Strohdachbauer, Leistenmodellistinnen und Lohnbrennerinnen kennen, und viele davon errät das Team - auch mit Tipps von Robert Lembke. Doch als es einmal gilt, auf den Beruf der Hausfrau zu kommen, fragt Guido: "Könnte Ihr Beruf von einem Mann ausgeführt werden?" Lembke blickt kurz zögernd zu der Dame neben ihm und entscheidet dann grinsend: "Sagen wir nein." Die Hausfrau geht mit einem vollen Schwein nach Hause.
Operation am offenen Herzen
Für so etwas lieben ihn die Zuschauer, den "Tele-Gott", den guten Onkel auf der Mattscheibe, der keine privaten Skandale braucht, um auf den Titel der Illustrierten zu erscheinen. Er erhält das Bundesverdienstkreuz erster Klasse, den Bambi und zweimal die Goldene Kamera. "Wenn ich König von Deutschland wär", singt Rio Reiser damals - "im Fernsehen gäb es nur noch ein Programm: Robert Lembke, 24 Stunden lang". Monatlich erreichen die Redaktion bis zu 6000 Briefe mit Vorschlägen origineller Berufe. "Wir könnten 4000 Jahre weitermachen, alleine wegen der ungeheuren Anzahl von Hollerithlochern, die es in diesem Land zu geben scheint", sagt Lembke - "und biologisch nichts dazwischenkommt, mache ich weiter."
Dazwischen kommt am 14. Januar 1989 eine Operation am offenen Herzen, die Lembke nicht überlebt. Drei Tage vorher hatte er mit dem Rauchen aufgehört. Deutschland trauert, die Mitglieder des Rateteams schreiben Nachrufe (Annette von Aretin: "Durch seinen Tod fehlt mir ein Stück in meinem Leben"). Ob sie wusste, was nun kommen würde?
Niemand weiß das, aber es kam: Am Tag der Beerdigung bringt die "Bild"-Zeitung einen Artikel, der die Deutschen schockiert. Sie behauptet, Robert Lembke hätte eigentlich gar nicht Robert Lembke geheißen: "Er wurde als Robert Emil Weichselbaum geboren als Sohn eines jüdischen Herrenmoden-Händlers, später nahm er den Namen seiner Mutter an", steht da anklagend, als hätte Lembke das doch wohl sagen müssen, und noch schlimmer: Robert Lembke soll seit 20 Jahren nicht mehr mit seiner Frau zusammengelebt haben - sondern mit "Irmgard G.", einer Sekretärin beim Bayerischen Rundfunk.
20 Jahre lang habe er seine Frau betrogen, und er habe ihr nur die Treue gehalten, weil sie ihn durch die Nazi-Zeit gebracht habe. Auch Monate später stürzt sich der Boulevard immer wieder auf die Geschichte. Was davon wahr ist und was gelogen, wird unter den immer größeren Überschriften der Blätter zerrieben, während die Familie darunter leidet.
"Die Wahrheit über einen Menschen liegt auf halbem Wege zwischen seinem Ruf und seinem Nachruf", hat Robert Lembke einmal gesagt, und: "Mit der Fernsehgebühr erwirbt der Zuschauer ein Recht auf meine Arbeit, nicht auf mein Privatleben." Er nahm sich das Recht heraus, die Frage nach "Wer bin ich?" nicht zu beantworten. Worum es ihm wirklich gegangen ist, hat er am Ende jeder Folge seiner Sendung selbst formuliert: "Ich hoffe, es hat ihnen ein bisschen Spaß gemacht."