Ja, da kommt Freude auf: Kölner Jecken anno 1884
Ja, da kommt Freude auf: Kölner Jecken anno 1884
Foto: Festkomitee Kölner Karneval

200 Jahre Kölner Karneval in Bildern Da simmer dabei!

Schluss mit lustig: Erst wurde Köln preußisch, dann organisierte die Oberschicht den Karneval neu. Prunk und Ordnung sollten die alte rheinische Anarchie ersticken – ein Rückblick auf 200 Jahre strukturierte Heiterkeit.
Von Katja Iken
Foto: IMAGO / United Archives

Nein, Bläck Fööss haben den Rosenmontagsumzug nicht erfunden. Auch wenn die Kölner Mundartband auf diesem Bild aus den Achtzigern so wirkt, als sei sie wirklich zu allem fähig. Die »nackten Füße« sind erst gute 50 Jahre alt – der Kölner Karneval wird in diesem Jahr genau 200.

Zwar waren die Rheinländer schon Jahrhunderte zuvor jeck, doch drohte der Karneval zu Beginn des 19. Jahrhunderts ernsthaft auszuarten. Was den Preußen, die Köln im Jahr 1815 in Besitz nahmen, überhaupt nicht gefiel. Um zu verhindern, dass die neuen Herren (wie zuvor die Franzosen) den Karneval verbieten, tat sich die Oberschicht der Stadt zusammen, um das Fest zu retten – und lenkte den Karneval in geordnete Bahnen.

Foto: Festkomitee Kölner Karneval

Fortan regierten (zumindest theoretisch) Ordnung und Würde – mit ernsten Mienen wacht das berühmte »Kölner Dreigestirn« über dem närrischen Treiben. Hier zu sehen: Prinz, Bauer und Jungfrau (anno 1907). Letztere wurde von Anfang an stets von einem Mann verkörpert. Bis die Nazis kamen und sich als Spaßverderber aufspielten: 1938 musste Paula Zapf den »Jungfrauen«–Part übernehmen, was den Kölner NS-Oberbürgermeister Karl Georg Schmidt sehr freute. Holprig-beglückt dichtete er: »Diesmal bist du kein verkappter Mann – solch Schönheit nur die Frau uns schenken kann.«

Foto: IMAGO / Arkivi

So prunkvoll sah der Wagen des »Prinzen Carneval« im 19. Jahrhundert aus – gezogen wurden die Festwagen bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein von Pferden. Bevor der Prinz den Karnevalsthron erklomm, begnügten sich die Kölner mit ihrem »Helden Karneval«. Er sollte, so die Jecken-Reformer vor 200 Jahren, »die Erbärmlichkeit des gewöhnlichen Treibens aufgrund seines edlen Charakters« in die gewünschten Bahnen lenken.

Foto: Paul Thompson / FPG / Getty Images

Geklappt hat das zum Glück nur bedingt – die rheinischen Frohnaturen ließen sich ihren Hang zur Anarchie einfach nicht nehmen. Hier zu sehen: komplett aus sich herausgehende Musikanten der »Kölner Milchmädchen« mit Schürzchen und Schnauzbart im Jahr 1910.

Foto: Paul Thompson / Getty Images

Auch diese Herren im Indigenenkostüm (Aufnahme von 1925) scheinen mächtig Spaß zu haben – 100 Jahre später könnte eine solche Maskerade zu größeren Verwerfungen führen.

Foto: IMAGO / Sven Simon

»Echte Fründe ston zesamme«, so ein Song der Kölner Band Höhner – selbst wenn es regnet, stürmt oder schneit (Foto von 1987). Wegen schlechten Wetters fiel der Rosenmontagsumzug in den 200 Jahren Karneval genau einmal aus, nämlich 1868. Doch auch Kriege, Krisen und zuletzt Corona haben dem Karneval mehrfach den Garaus gemacht.

Foto: NS-Dokumentationszentrum Köln /picture alliance / dpa

Im Nationalsozialismus schalteten sich die Kölner Jecken freudig von selbst gleich, »Heil Hitler und Alaaf« tönte es durch die Gassen. Die braune Linientreue zeigte sich auch an der Gestaltung der Wagen. Dieser hier stammt von 1938, trug die Aufschrift »Staliniade« und diente der Propaganda gegen Stalin und die Sowjetunion.

1939 rollte der letzte Festwagen durch Köln, dann war Schluss. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte noch bis 1948 Frohsinnsverbot – den Alliierten war der Karneval nicht recht geheuer.

Foto: Albert Gillhausen / AP

Im Februar 1949 startete nach einem Jahrzehnt der Abstinenz endlich wieder ein Rosenmontagsumzug. Karnevalshit der Saison: »Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien«, ein Schlager über das Besatzungsregime in den drei Westzonen. Die großen Fragen der Zeit spielte bei allen Zügen eine Rolle. So wurde auf dem hier abgebildeten Wagen 1954 die deutsche Wiederbewaffnung aufs Korn genommen.

Foto: IMAGO / United Archives

Nicht wegzudenken aus dem Kölner Karneval war jahrzehntelang das Eilemann Trio, bestehend aus Günter Eilemann (r.), Willy Schweden (l.) und Charly Niedieck (Foto von 1966). Sie heizten den Jecken mit Songs wie »Sie will ja nach Sevilla« (1964) oder »Morgens Fango, abends Tango« (1976) ein.

Foto: Patrick Piel / Gamma-Rapho / Getty Images

Zumindest zwei Gruppen pfeifen allerdings beim Karneval auf die große Politik. Da wären zum einen die kölschseligen Verliebten und andere Bützwütige (Clowndame küsst Ordnungshüter, 1983), die oft eigens zum Poussieren anreisen. Und zum anderen...

Foto: Francois le Diascorn / Gamma-Rapho / Getty Images

...die Kinder (hier 1977 beim Üben für den Spielmannszug bzw. 1986 beim Posen), die einfach ihren Spaß haben möchten.

Foto: IMAGO / Sven Simon

Vor allem ihnen und ihren Zahnärzten sei es vergönnt, dass es nach Coronapause und dem Kriegsschock von 2022 in diesem Jahr endlich mal wieder zentnerweise Kamelle regnet. Kölle Alaaf!

Zum Weiterlesen:
200 Jahre organisierter Kölner Karneval: Die Geschichte des Kölner Karnevals und der ersten Traditionsgesellschaft »Die Grosse von 1823 KG e.V. Köln« (2022).

In einer früheren Version der Bilderstrecke waren irrtümlich zwei Wagen des Düsseldorfer Künstlers Jacques Tilly abgebildet, die nicht beim Kölner Karneval mitfuhren. Wir haben den Fehler korrigiert.

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