Fotostrecke

Tupac Shakur: Übervater des Gangsta-Raps

Gangsta-Rapper Tupac Shakur Tod eines Getto-Poeten

75 Millionen verkaufte Alben machten Rapper Tupac Shakur zu einem Superstar der Hip-Hop-Geschichte. Er lebte und starb wie ein Krimineller - am 13. September 1996.
Von Airen

Es war Samstagnacht in Sin City, als eine Karawane teurer Limousinen sich langsam unter den Neonlichtern der Casinos Richtung Norden schob. Ein schwarzer BMW 750 führte den Konvoi durch Las Vegas an. Am Steuer saß Labelchef und Nachtklubbesitzer Suge Knight, neben ihm sein größter Star: Tupac Amaru Shakur, besser bekannt als 2Pac, achtfach Platin, das letzte Album wochenlang auf Platz eins der Charts.

In der Flamingo Road stoppte die Kolonne an einer Kreuzung. Den Oberkörper aus dem Schiebedach gelehnt, flirtete der Rap-Star mit zwei Frauen in einem Wagen auf der linken Spur, als ein weißer Cadillac neben der Limousine zum Stehen kam. Aus dem hinteren Fenster feuerte jemand 13 Mal auf den BMW, vier Kugeln trafen den Musiker. Er wurde schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert, sechs Tage später, am 13. September 1996, war er tot.

Tupac Shakur, der Wut-Rapper mit der heiseren Stimme, wurde nur 25 Jahre alt. Er war Kunststudent und Krimineller, Chauvinist und Charmeur - ein selbstzerstörerischer Getto-Poet, bei dem Person und Image gefährlich verschmolzen. "Thug Life" ließ er sich auf den Bauch tätowieren und führte dieses Gangsterleben bis zuletzt: Tupac hatte auf Polizisten geschossen, Drogen genommen und Gefängnisse von innen gesehen. Er rappte über Armut, Rassismus, das harte Leben in den Städten.

Geboren wurde er am 16. Juni 1971 als Lesane Parish Crooks in der Bronx - die Mutter eine radikale Aktivistin der Black Panthers, der Taufpate wegen Mordes lebenslänglich im Knast. Seine einzige Vaterfigur war der Stiefvater Mutulu Shakur, als einer der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA auf der "Most Wanted"-Liste. Mutulu nannte den Jungen nach einem Inka-Märtyrer, der im Peru des 18. Jahrhunderts einen Aufstand gegen die spanischen Besatzer angeführt hatte - fortan hieß er Tupac Amaru Shakur.

Ein Leben voller Gewalt und Verbrechen

Nach einer Kindheit zwischen Obdachlosenheimen und billigen Absteigen fand Tupac mit zwölf Halt in einer Theatergruppe in Harlem. Später belegte er am College in Baltimore Lyrikseminare und studierte Theater und Ballett. Als Mutulu festgenommen wurde und die Mutter den Drogen verfiel, zog der Heranwachsende zu Verwandten nach Kalifornien. In San Franciscos Vorstadt schloss er sich einer Straßengang an, verkaufte Drogen, stieg bei der Hip-Hop-Crew Digital Underground ein.

Sein Debüt "2Pacalypse Now", gewaltstrotzend und roh, wurde zum Underground-Hit, der Nachfolger "Strictly 4 my N.I.G.G.A.Z." brachte den Durchbruch. Auch Hollywood öffnete dem aufstrebenden Rapper seine Tore: Im Getto-Drama "Juice" spielte er ein gewalttätiges Gangmitglied, in "Poetic Justice" die Hauptrolle an der Seite von Janet Jackson.

So war Tupac Shakur mit Anfang 20 der Armut entflohen und lebte in einer Welt voller Ruhm, Frauen und Geld. Er protzte mit Juwelen, rauchte nonstop Marihuana, trank Hennessy-Cognac und geriet immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.

Fotostrecke

Tupac Shakur: Übervater des Gangsta-Raps

1992 wurde er verhaftet, nachdem ein sechsjähriger Junge durch eine Kugel starb, die sich bei einem Handgemenge aus Tupacs Pistole gelöst hatte. In Atlanta stand er 1993 vor Gericht, weil er zwei betrunkene Beamte außer Dienst angeschossen hatte. Im selben Jahr musste Shakur ins Gefängnis, weil er einen rivalisierenden Rapper per Baseballschläger attackiert hatte. Und 1994 wurde er für schuldig befunden, Regisseur Allen Hughes verprügelt zu haben: wieder 15 Tage Knast.

Ebenfalls 1994 wurde er beschuldigt, mit seiner Entourage eine Frau vergewaltigt zu haben. Zwar konnte Shakur belegen, dass die Frau zuvor mit ihm einvernehmlichen Sex gehabt hatte; hinter Gitter musste er trotzdem. Zur Urteilsverkündung rollte der Rapper im Rollstuhl herein - in der Nacht zuvor war er in der Lobby eines Tonstudios ausgeraubt und angeschossen worden. Fünf Kugeln hatten ihn getroffen, gegen ärztlichen Rat verließ er das Krankenhaus und erschien vor Gericht.

Für das Attentat machte er einen seiner ehemals besten Freunde verantwortlich: Christopher Wallace alias The Notorious B.I.G., ein 21-jähriges Ungetüm von einem Rapper, außerdem dessen Labelkollegen Sean Combs alias Puff Daddy.

Vom Produzenten freigekauft

Die Feindschaft zwischen Tupac Shakur und Notorious B.I.G. war der Beginn einer langen Fehde zwischen Rappern der Ost- und Westküste. Fortan ließ Shakur keine Gelegenheit aus, Rivalen von der East Coast zu beschimpfen - etwa Nas, Jay-Z oder Lil' Kim.

Doch erst mal musste Tupac ins Gefängnis. Zu mehrjähriger Haft hatte ihn der Richter wegen Vergewaltigung verurteilt, im Februar 1995 trat er seine Strafe an. Das zeitgleich veröffentlichte Album "Me Against the World" schoss derweil an die Spitze der Charts und machte Tupac zum ersten Künstler, der hinter Gittern saß, als sein Album auf Platz eins stand. Es erhob ihn endgültig in den Rang eines Superstars.

Im Gefängnis bekam Shakur Besuch aus Kalifornien: Suge Knight, Hip-Hop-Impresario, Mitglied der gewalttätigen Bloods-Gang und einer der Protagonisten im East-Coast-West-Coast-Streit, wollte sich den Rapper sichern. Drei Alben sollte Shakur für das Label Death Row machen - und Knight im Gegenzug die Wiederaufnahme des Verfahrens unterstützen und eine Kaution in Höhe von 1,4 Millionen Dollar stellen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der Pakt zahlte sich aus: Kaum war Tupac aus dem Gefängnis, erschien "All Eyez on Me" und erhielt binnen zwei Monaten fünffach Platin. Dazu veröffentlichte Tupac, der sich nach dem italienischen Renaissance-Philosophen Machiavelli fortan Makaveli nennen ließ, den wohl niederträchtigsten Diss-Track in der Geschichte des Hip-Hop: In "Hit 'Em Up" behauptete er unter anderem, mit der Frau von Notorious B.I.G. geschlafen zu haben. Vielleicht war es genau jene Nummer, die dem Superstar wenige Monate später zum Verhängnis wurde.

7. September 1996, Las Vegas, Nevada: Gerade hatte Shakur im MGM-Grand-Hotel seinen Kumpel Mike Tyson gewinnen gesehen, als er in der Lobby ein bekanntes Gesicht ausmachte - Orlando Anderson, 21, Mitglied der berüchtigten Straßengang Crips, der kurz zuvor einen seiner Bodyguards verprügelt hatte. "Du kommst aus dem Süden?", fragte Shakur und schlug zu, seine Entourage fiel ein, bis Sicherheitsmänner die Schlägerei auflösten.

Noch im Todeskampf Polizistenhasser

Ein Affront für die Crips. Ihre Führungsriege hatte sich in Las Vegas versammelt, um im Schatten des Boxkampfs Drogengeld auf den Kopf zu hauen. Man munkelte, Notorious B.I.G. habe bei der Gang ein Millionenkopfgeld auf Shakur ausgelobt. Im Hotel hielten die Crips Kriegsrat und entschieden: Shakur sollte erschossen werden, sobald er die After-Show-Party im Nachtklub 662 verließ. Schwer bewaffnet bestiegen die Gangmitglieder zwei Cadillacs, um den Ort auszukundschaften.

Die Polizeiermittlungen zum Anschlag blieben offiziell ohne Ergebnis. Doch laut 2002 veröffentlichten Recherchen der "Los Angeles Times" sollen Beweise existieren, dass Anderson der Todesschütze gewesen sei: Dieser Darstellung zufolge entdeckten die Crips Shakurs Konvoi in der Flamingo Road und handelten spontan. Der erste Wagen sei losgerast; Anderson habe eine Glock-Pistole gezogen, die Notorious B.I.G. ihm gegeben habe, um Shakur durch seine Waffe sterben zu lassen.

Während der Rapper auf den Rücksitz zu flüchten versuchte, verletzten ihn mehrere Kugeln tödlich. Nach wenigen Sekunden waren die Täterwagen auf der Flucht. Sechs Tage darauf, am Nachmittag des 13. September, erlag Tupac Amaru Shakur im Krankenhaus seinen Verletzungen.

In Compton bekriegten sich tagelang Anhänger von Bloods und Crips. Orlando Anderson wurde nach nur kurzer Vernehmung wieder freigelassen; später brüstete er sich damit, Shakur erschossen zu haben, und starb 1998 bei einer Schießerei. Notorious B.I.G. wurde ein halbes Jahr nach dem Mord ebenfalls aus einem vorbeifahrenden Wagen erschossen.

Ein Polizist, der damals am Tatort eintraf, nannte 2014 im Magazin "Vegas Seven" die letzten Worte des Rappers, bevor er für immer das Bewusstsein verlor. Auf die Frage, ob er einen der Täter erkannt habe, habe sich Shakur ein letztes Mal aufgerichtet und geflüstert: "Fuck you."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten