Fotostrecke

Iran: Statt Schah ein fundamentalistischer Islamist

Foto:

AP

Islamische Revolution Mullahs, Massaker und milde Worte

Stürzt den Pfauenthron! 1978 rollte die Revolution durch Iran. Fundamentalisten-Führer Ajatollah Chomeini mobilisierte aus dem Exil todesbereite Märtyrer gegen den Schah. Der setzte auf die USA - und Saddam Hussein.
Von Mirijam Dischereit

Die Stimmung in Teheran am Neujahrsabend 1977/78 war prächtig. US-Präsident Jimmy Carter weilte zu Besuch bei Schah Reza Pahlewi, dem absoluten Herrscher über Persien, Erbe des legendären Pfauenthrons, und fand für seinen Gastgeber milde Worte: "Iran ist eine Insel der Stabilität in einer der unruhigsten Regionen der Welt", lobte der mächtigste Mann der Welt seinen Gastgeber in seinem Silvester-Toast, "dies ist Zeugnis für Ihre Führungskraft, Eure Majestät, und für den Respekt, die Bewunderung und Liebe, die Ihnen Ihr Volk entgegenbringt."

Es war wohl eine der groteskesten politischen Fehleinschätzungen des 20. Jahrhunderts. Nur eine Woche nach Carters Auftritt kam es in mehreren iranischen Städten zu gewalttätigen Demonstrationen. Der Anlass: ein beleidigender Zeitungsartikel über Ajatollah Ruhollah Chomeini, den religiösen Führer der islamisch geprägten Opposition, der im Exil im benachbarten Irak lebte.

Innerhalb von zwei Tagen starben bei Zusammenstößen mit Polizei und Militär 70 Menschen. Weitere Demonstrationen hatten noch mehr Opfer zur Folge, trotzdem wuchs die Anti-Schah-Bewegung nun stetig an. Ein Jahr nach Carters Hoch auf den Schah war Reza Pahlewi entmachtet - nachdem im letzten Jahr seiner Herrschaft über 10.000 Menschen ihr Leben verloren hatten.

Fotostrecke

Iran: Statt Schah ein fundamentalistischer Islamist

Foto:

AP

Denn Respekt, Bewunderung oder gar Liebe empfanden die wenigsten Iraner für ihr absolutistisch regierendes Staatsoberhaupt. Die Macht des Schahs beruhte auf der Furcht, die sein Geheimdienst Savak verbreitete. Dafür, dass die Unruhe nicht zu stark wurde, sorgte zudem stetiges Wirtschaftswachstum durch hohe Öleinkünfte. Mit den Petrodollars rüstete der Schah im großen Stil seinen Militärapparat auf - und setzte ihn rücksichtslos ein, sobald er die Stabilität seiner Regierung gefährdet sah.

In die Arme der Mullahs

Die USA wusste der Schah fest an seiner Seite. Sein Land war für die Amerikaner nicht nur ein sicherer Öllieferant, sondern auch wichtiger strategischer Stützpunkt im Mittleren Osten - Washington sicherte sich die Freundschaft des Schahs gern mit allerlei Waffen und militärischem Gerät. Dann wurde im Januar 1977 Jimmy Carter Präsident der USA, angetreten als Kämpfer für die Menschenrechte in der Welt. Um Sanktionen und ein Ende der Waffenlieferungen abzuwenden, gab sich der Schah nun liberal: Er erlaubte zum ersten Mal Demonstrationen und verbot sogar die Folter.

Denn das Schah-Regime stand zusätzlich unter Druck, weil das Land seit Mitte der Siebzigerjahre in einer tiefen ökonomischen Krise steckte. In großen Strömen zogen die Menschen vom Land in die Stadt, auf der Suche nach Arbeit. Anstelle der Regierung nahmen sich dort von Mullahs betriebene Sozialeinrichtungen der Armen an. So gewannen sie Einfluss auf die sozial schwachen Schichten - die später Hauptträger der Revolution sein würden.

Es war vor allem der schiitische Klerus, der die Massendemonstrationen mit Hilfe von Studenten organisierte. Nach und nach schlossen sich auch säkulare Oppositionsgruppen der islamischen Bewegung an. Sie mussten erkennen, dass die religiösen Führer am besten organisiert waren und die höchste Akzeptanz im Volk hatten - voran Ajatollah Chomeini, der durch scharfe Reden und Predigten gegen den Schah und seine Regierung aus dem irakischen Exil eine große Anzahl von Anhängern um sich scharte. Chomeinis Unterstützer schmuggelten nicht nur Kassetten mit seinen Predigten über die irakisch-iranische Grenze, sondern auch Millionen von Dollar, die der Ajatollah an die verarmte Bevölkerung im Iran verteilt ließ.

Demonstranten für das Paradies

Wie stark der Einfluss der Ajatollah bereits war, wurde nach dem Anti-Chomeini-Artikel in der Zeitung "Ettela'at" im Januar 1978 erstmals deutlich - der Aufruhr mit 70 Toten war ein Schock für die Herrschenden. Weitere Demonstrationen mit noch mehr Opfer folgten, dennoch wuchs die Anti-Schah-Bewegung stetig an. Vor allem die Bereitschaft der Chomeini-Anhänger, für ihre Sache ohne weiteres zu sterben, war etwas Neues für den Iran.

Die wachsende Zahl von Demonstranten, die sich in weiße Tücher kleideten und bewusst in den Tod gingen, zeigte die erfolgreiche Idealisierung des paradiesverheißenden Märtyrertodes durch die Mullahs - aber auch die Perspektivlosigkeit der iranischen Bevölkerung unter dem Schah. Die fanatische Opferbereitschaft der Rebellen machte es dem Militär und der Polizei immer schwerer, ihre Waffen gegen die eigenen Leute zu richten. Viele desertierten und schlossen sich den Demonstranten an.

Die zunehmende Gewalt mit vielen Toten zwangen den Schah Mitte 1978 zum Einlenken. Er kündigte freie Parlamentswahlen sowie die Einführung von Meinungs- und Pressefreiheit an. Das Vertrauen der iranischen Bevölkerung hatte er zu diesem Zeitpunkt aber längst verloren, zu oft hatte er Versprechen nicht erfüllt. Bei den Demonstrationen forderten die Massen schon nicht mehr nur seine Abdankung, sondern seinen Tod.

Die Situation eskalierte im August 1978, als in der Erdölstadt Abadan am Schatt el Arab ein Feuer im Kino "Cinema Rex" ausbrach. Weil die Türen verschlossen waren, starben 477 Menschen einen grausamen Tod. Die Wut der Bevölkerung, die den Geheimdienst Savak hinter der Tragödie vermutete, schlug in den folgenden Tagen in offene Gewalt gegen die Regierung um. Den Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen am 8. September, als das Militär während eines religiösen Aufmarsches von über 20.000 Menschen in Teheran wahllos in die Menge schoss. Das Massaker vom Jaleh-Platz kostete vermutlich Hunderte von Menschen das Leben.

Flucht nach Paris

Die zahlreichen, höchst unterschiedlichen Protestbewegungen von Islamisten bis zu Kommunisten vereinten nun endgültig ihre Anstrengungen. Ihr einziges gemeinsames Ziel: der Sturz des Schah. Längst hatte Ajatollah Chomeini sich zum eigentlichen Anführer der Revolution entwickelt. Verzweifelt versuchte der Schah daher, seinen wichtigsten Gegenspieler auszuschalten. Er intervenierte bei Iraks Diktator Saddam Hussein, der den greisen Ajatollah im Exil in Nadschaf unter Hausarrest stellen sollte. Doch Chomeini verließ lieber den Irak und wich am 6. Oktober 1978 nach Paris aus. Dort plante er mit den Führern der anderen Oppositionsbewegungen die Strukturen einer neuen Regierung.

Am 31. Dezember 1978, auf den Tag ein Jahr nach Jimmy Carters Silvester-Trinkspruch, war das Ende für die Herrschaft des Schahs gekommen: Reza Pahlewi ernannte den Oppositionspolitiker Schapur Bachtiar zum Ministerpräsidenten. Zwei Wochen später verließ der einst unumschränkte Herrscher den Iran in Richtung ägyptisches Exil. "Jetzt bin ich müde und benötige dringend Ruhe und Erholung", ließ er seine Ex-Untertanen wissen.

Im Triumph kehrte Ajatollah Chomeini am 1. Februar nach 35 Jahren im Exil nach Teheran zurück. Seine Anhänger saßen bald in allen Schlüsselpositionen, die einstigen Koalitionspartner blieben außen vor - der riesige Rückhalt Chomeinis in der Bevölkerung ließ keinen Widerstand zu. In der fundamentalistische Theokratie, die der Ajatollah etablierte, hatten und haben Meinungs- und Pressefreiheit keinen Platz - im Gegenteil: Die säkulare Opposition wird von den Mullahs noch brutaler zum Schweigen gebracht als unter dem Schah.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren