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Revolution in Iran: "In freudiger Erwartung des Martyriums"

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Revolution in Iran "In freudiger Erwartung des Martyriums"

Sonderflug mit dem Ajatollah: Als Irans Revolutionsführer Chomeini am 1. Februar 1979 aus dem Exil zurückkehrte, war Peter Scholl-Latour mit im Jumbo. Weil der Imam seine Verhaftung fürchtete, vertraute er dem deutschen Journalisten vor der Landung ein geheimnisvolles braunes Kuvert an

einestages: Herr Scholl-Latour, wie kamen Sie an Bord der Maschine, die am 1. Februar 1979 Ajatollah Chomeini aus dem Exil zurück nach Teheran brachte?

Scholl-Latour: Ich hatte schon früh Kontakt zum Verschwörerkreis um Chomeini. 1978 kam er während seines Exils in ein kleines Örtchen bei Paris, ich war damals Frankreich-Korrespondent des ZDF. Wir drehten zu der Zeit regelmäßig in Teheran, da waren die Revolutionäre natürlich sehr interessiert dran. Ein enger Vertrauter des Ajatollah, Sadegh Tabatabai, sprach mich deswegen an. Wir haben dann Chomeini und den anderen die Filme gezeigt. Als schließlich Mitte Januar 1979 der persische Shah Reza Pahlevi aus dem Iran floh und Chomeinis Leute den Flug zurück nach Teheran organisierten, haben sie mich und mein Filmteam eingeladen, mitzufliegen. Mitten in der Nacht, etwa gegen zwei Uhr morgens, starteten wir von Paris.

einestages: Und wie lief das ab? Fliegt ein islamischer Imam Economy oder First Class?

Scholl-Latour: Weder noch. Man hatte eine ganze Boeing 747 der Air France für Chomeini und seine Gefolgschaft gechartert. Für den Imam war das gesamte Oberdeck reserviert. Ich glaube aber nicht, dass ihm das wichtig war. Chomeini war ein sehr anspruchsloser Mann, er hat nie Wert darauf gelegt, in irgendwelchen Palästen zu leben. Wir saßen ein Stockwerk tiefer bei seinen Begleitern. Es war wie inmitten eines orientalischen Jahrmarkts. Platz genug hatten wir trotzdem: Die Maschine war nur etwa halbvoll. Sicherheitsvorkehrungen gab es keine.

einestages: Haben Sie während des Fluges den Ajatollah zu Gesicht bekommen oder kapselte er sich ab?

Scholl-Latour: Als wir über Türkisch-Kurdistan flogen, kam Tabatabai und meinte, der Imam möchte mich und mein Kamerateam sehen. Der Imam verrichtete sein Gebet und wir durften ihn dabei filmen. Das war das einzige Mal im Leben, das ich ihn entspannt und freundlich lächeln gesehen habe. Ich glaube, er war in freudiger Erwartung des Martyriums.

einestages: Er dachte, er würde sterben?

Scholl-Latour: Die Möglichkeit bestand jedenfalls. Bei Kazvin - auf halbem Weg zwischen Tabriz im Westiran und Teheran - lag ein Stützpunkt der iranischen Luftwaffe, und wir wussten nicht, ob Jäger aufsteigen würden, um uns abzuschießen. Außerdem war auch gar nicht klar, ob wir in Teheran landen könnten. Wir hatten schon vorgesehen, dass wir nach Ankara umkehren würden, falls der Flughafen in Teheran mit Barrieren blockiert gewesen wäre. Wir flogen deshalb zweimal niedrig über die Landebahn, um nach Hindernissen Ausschau zu halten. Erst dann landeten wir.

einestages: Die Rückkehr des Ajatollah nach Teheran war also durchaus riskant. Gab es irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen?

Scholl-Latour: Ja, in eine war ich sogar involviert. Am Ende unseres Treffens mit Chomeini übergab der Imam Tabatabai eine braune Mappe, eine Art Kuvert. Auf der Treppe nach unten gab sein Vertrauter mir das Kuvert mit den Worten: "Nehmen Sie das bitte an sich. Wenn wir bei der Ankunft verhaftet oder getötet werden, verstecken Sie es gut." Es verlief dann aber alles friedlich, und so gab ich die Mappe wieder zurück. Erst acht Monate später habe ich erfahren, was drin gewesen war: Es war die Verfassung für die Islamische Republik Iran. Ich war also zwei Stunden lang der Wächter der iranischen Verfassung.

einestages: Die Ankunft wurde zu einem Triumphzug Chomeinis. Euphorische Menschenmassen erwarteten ihn am Flughafen und feierten ihn. Wie haben Sie die Situation damals erlebt?

Scholl-Latour: Auf dem Rollfeld selbst empfingen uns ein paar strammstehende Luftwaffenoffiziere und eine Menge Mullahs. Die großen Menschenmengen warteten am Rande der Landebahn und in der Vorhalle des Flughafens. Dort skandierten laute Chöre: "Gott ist groß, Chomeini ist unser Führer."

einestages: Nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte...

Scholl-Latour: Die ganze Innenstadt war voller Menschen, die Mullahs feierten ihre Revanche, die tanzten vor Begeisterung und die Menge machte mit. Chomeinis erster Weg sollte ihn zum "Heldenfriedhof" Behesht-e Zahra führen, doch es war kein Durchkommen durch die Millionen Iraner auf den Straßen. Der Imam musste einen Hubschrauber nehmen.

einestages: Sind sie da etwa mitgeflogen?

Scholl-Latour: Im Hubschrauber war kein Platz für mich. Außerdem musste ich wieder zurück nach Deutschland, um meinen Bericht fertig zu machen. Ich habe ein paar Stunden später die erste Lufthansa-Maschine zurück genommen. Doch einige Tage später war ich wieder vor Ort. Da haben die Menschen immer noch gefeiert. Chomeinis Rückkehr hat eine beinahe hysterische Begeisterung ausgelöst.

einestages: Hilft Ihnen heute noch bei Reisen in die Region, dass Sie bei Ajatollah Chomeinis Heimkehr dabei gewesen sind?

Scholl-Latour: Natürlich. Ich hatte zum Beispiel vor einiger Zeit Probleme am Teheraner Flughafen. Ich hatte kein Visum, was Deutsche normalerweise nicht brauchen, Journalisten aber schon. Als mich ein iranischer Beamter deshalb nicht aus dem Terminal lassen wollte, sagte ein Perser, der mit dem gleichen Flugzeug wie ich geflogen war: "Sie wollen den Mann zurückschicken, der mit dem Imam nach Teheran geflogen ist?" Ich habe für solche Fälle auch immer ein Foto von Chomeini und mir dabei. Als er das sah, küsste er das Foto, machte einen Anruf, und schon hatte ich mein Visum.

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