Sound-Künstler Alan Parsons: "Als ich die Beatles traf, lief ich rot an"
Alan Parsons "Musik für Hifi-Snobs? Sehe ich als Kompliment"

Alan Parsons, geboren am 20. Dezember 1948 in London, lernte früh Gitarre, Flöte, Klavier. Als Schüler gründete er die Bluesband The Earth und wurde mit 20 Toningenieur-Assistent in den Abbey Road Studios. Dort arbeitete Parsons ab 1969 mit den Beatles, später mit Pink Floyd. 1975 startete der Musiker und Produzent das "Alan Parsons Project". Heute lebt er mit seiner Frau und zwei Töchtern auf einer Ranch bei Santa Barbara.
Tourdaten im Mai 2017: 12. Mai Oldenburg, 13. Berlin, 14. Leipzig, 16. Frankfurt am Main, 17. Stuttgart, 18. Freiburg, 19. Heilbronn, 21. Ulm, 23. Nürnberg, 25. München, 26. Düsseldorf, 27. Hamburg, 28. Mai Hannover. Mehr Informationen gibt es hier
einestages: 1975 gründeten Sie als Musiker und Produzent das Alan Parsons Project. Wie kamen Sie darauf, auf "Tales of Mystery and Imagination" Geschichten von Edgar Allan Poe zu vertonen?
Parsons: Das war die Idee meines kongenialen Partners Eric Woolfson. Ein großartiger Sänger und Songwriter. Er meinte, die Poe-Verfilmungen sind große Erfolge, das muss auch mit Musik funktionieren. Ich war sofort begeistert, als Kind faszinierten mich düstere Geschichten wie "Der Rabe".
einestages: Wie konnten Sie sogar Schauspiellegende Orson Welles dafür gewinnen?
Parsons: Wir schickten ihm unser Script, binnen einer Woche landete ein Tape in meinem Büro. Welles hatte den Text zu "Dream within a Dream" selbst aufgenommen. Grandios. Leider habe ich ihn nie persönlich kennengelernt.
einestages: 1990 vertonten Sie mit Woolfson auch die Psychoanalyse Sigmund Freuds - aber "Freudiana" endete freudlos.
Parsons: Das Projekt an sich war großartig. Nach dem Albumerfolg half uns der Unternehmer Brian Brolly, "Freudiana" als Musical ans Theater an der Wien zu bringen, mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle. Dann kam es zum Streit, vom Gericht wurden Brolly die Rechte an "Freudiana" zugesprochen. Unglaublich. Wir verloren sehr viel Geld. Eine harte Zeit, darunter litt meine Freundschaft zu Eric. Lange vor seinem Tod 2009 haben wir uns aber versöhnt.
einestages: Ins Musikbusiness gestartet sind Sie mit 20, als Sie für einen Job in den berühmten Abbey Road Studios Ihre Band The Earth aufgaben. Erinnern Sie sich an den ersten Arbeitstag in London 1969?
Alan Parsons: Ich kam gleich mal zu spät. Ein Auto besaß ich nicht, nahm unseren klapprigen Bandbus und stand ewig im Stau. Mit brutal schlechtem Gewissen traf ich im Studio sogleich auf Produzent George Martin und die Beatles und dachte nur: WOW! Das war so surreal, wie im Film, ich war ja Beatles-Fan der ersten Stunde. Beim Kennenlernen bin ich rot angelaufen. John, Paul, Ringo und George arbeiteten am Album "Let it be". Es wurde ja noch vor der "Abbey Road"-Platte aufgenommen, aber erst danach veröffentlicht.
einestages: Und Ihre Aufgabe im Studio?
Parsons: Man ließ mich Tonbänder sortieren, kopieren und archivieren, wie schon in meinem vorigen Job im Musiklabor der Plattenfirma EMI. Bald wurde ich Assistent von Beatles-Toningenieur Glyn Johns und lernte viel, zum Beispiel analytisches Hören von Musik. Abbey Road war meine Schule. Glyn warf frustriert hin, als der Amerikaner Phil Spector, Erfinder der "Wall of Sound", die Produktion der "Let it be"-Songs von George Martin übernahm, weil die Beatles mit dem bisherigen Ergebnis nicht zufrieden waren und etwas Neues ausprobieren wollten. Ich blieb.
einestages: Kurz vor Glyns Abgang stiegen Sie am 30. Januar 1969 mit ihm und den Beatles aufs Dach des Apple-Records-Hauses, ihrer Plattenfirma in der Savile Row. Wie kam es zum Konzert dort?
Sound-Künstler Alan Parsons: "Als ich die Beatles traf, lief ich rot an"
Parsons: Schweinekalt war es da oben. Eine spontane Idee der Beatles: Sie wollten nach den langen Studiosessions für "Let it be" mal raus an die frische Luft. Dass das Konzert nachmittags auf dem Dach laufen und auch auf Tonband aufgenommen werden sollte, erfuhren Glyn und ich erst tags zuvor. Bis spät in die Nacht packten wir die Ausrüstung zusammen. Als es dann losgehen sollte, merkte Glyn, dass der heftige Wind die Aufnahmen so gut wie unmöglich machte. Er dachte kurz nach - und sagte: "Alan, los, besorg schnell irgendwo Nylonstrumpfhosen!"
einestages: Damenstrümpfe??
Parsons: (lacht) So habe ich auch reagiert. Aber die Idee war klasse: Er wollte den dünnen Stoff über die Mikros stülpen, um so die Windgeräusche zu mildern. Ich hastete also ins nächste Kaufhaus und verlangte drei Paar Feinstrumpfhosen. Die Verkäuferin fragte: "Welche Größe, bitte?" - und ich: "Egal!" Ihren entgeisterten Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Diese Dame im besten Alter muss gedacht haben, ich sei entweder Bankräuber oder Crossdresser. Peinlich.
einestages: Die Strumpfhosen taten ihren Dienst. Warum endete das Konzert trotzdem vorzeitig?
Parsons: Nach gut 40 Minuten stürmten Polizisten das Gebäude und stoppten die unangekündigte Vorstellung - wegen Lärmbelästigung. Die Beatles und Lärmbelästigung: irre! Unten standen Hunderte Menschen, die Beatles kriegte man zu dieser Zeit ja gar nicht mehr live zu hören. Gottseidank hatten wir brauchbare Aufnahmen im Kasten.
einestages: Ein pophistorischer Meilenstein, der letzte gemeinsame Auftritt der "Fab Four"...
Parsons: ...und dank des Abbruchs durch die "Bobbys" letztlich ein spektakulärer Abgang, wie es sich für die größte Band aller Zeiten gehört. Ich muss heute noch darüber schmunzeln, wie die vier und Keyboarder Billy Preston nach dem Gig über ihre kalten Füße jammerten.
einestages: Beste Freunde waren die Beatles da nicht mehr , oder?
Parsons: Trotz aller Erfolge hatten sich Verbitterung, Misstrauen, Eigensinn breitgemacht. Spaß hatten sie nur in wenigen lichten Momenten. Mit Paul McCartney kam ich immer am besten aus, später engagierte er mich als Soundingenieur für Projekte wie die "Wings". In den Achtzigern waren wir fast Nachbarn in Kent und trafen uns oft privat, Linda McCartney und meine damalige Frau waren auch befreundet.
einestages: Was haben Sie beim legendären "Abbey Road"-Album im Sommer '69 von Sir George Martin gelernt?
Parsons: Erstens: Diplomatie - das A und O. Ein schlechter Produzent will Musiker dominieren, ein guter hört zu und geht auf sie ein. Nur so entsteht Respekt. Zweitens: Ordnung. Unheimlich wichtig. Das wurde mir erst Jahre später schmerzlich klar, als ich "Eye in the Sky" remastern wollte und mich durch die alten Tonbänder wühlte. Die waren leider nicht akkurat beschriftet, ein Albtraum. Wir hatten den Demo-Songs gern fiktive Titel gegeben, "Psychobabble" etwa "Alfred Hitchcock" genannt. So stand es auf dem Tape, aber daran muss man sich 35 Jahre später erst mal erinnern.
einestages: Nach den Beatles arbeiteten Sie mit Pink Floyd. Was war Ihr kreativer Input als Toningenieur für "Dark Side of the Moon"?
Parsons: Zum Beispiel das Ticken der Uhr bei "Time", die Geräusche einer Registrierkasse bei "Money" gingen ebenso auf mein Konto. Dafür haben wir auch Münzen auf den Boden geworfen und Papier zerrissen. Ich könnte jetzt behaupten, es waren 50-Pfund-Noten, aber so authentisch wollten wir es dann doch nicht.
einestages: Standen Roger Waters und David Gilmour zu Recht im Ruf, schwierig zu sein?
Parsons: Zu der Zeit waren sie noch nicht zerstritten. Wir waren ein perfektes Team, bei "Dark Side of the Moon" hat einfach alles gepasst: die Songs, der Sound, das geniale Artwork von Storm Thorgerson. Ich habe am Album kaum Geld verdient, aber für meine Karriere wirkte es wahre Wunder.
einestages: Warum beendeten Sie dann die Zusammenarbeit?
Parsons: Waters wollte, dass ich Vollzeit für Pink Floyd arbeite, er machte mir ein sehr gutes Angebot. Aber da hatte ich gerade in England gleich zwei Nummer-eins-Hits als Produzent von Cockney Rebel und Pilot, bis heute der größte Moment meiner Karriere. Jetzt wollte ich mein eigenes Ding machen. Als "Wish you were here" 1975 erschien, habe ich meine Entscheidung kurz bereut. Brillantes Album.
einestages: Nun sind Sie seit 40 Jahren Musiker Musiker und Produzent - mit "Musik für Hifi-Snobs", wie manche Kritiker behaupten. Trifft Sie das?
Parsons: Sehe ich als Kompliment! Wenn "Hifi-Snobs" meine Musik mögen, muss sie sehr gut produziert sein. Hey, ich lege größten Wert auf exzellenten Sound.
einestages: Verraten Sie uns, welches Geräusch Sie privat verabscheuen?
Parsons: Das ohrenbetäubende Schnarchen meines Hundes neben mir auf der Couch... (lacht)
einestages: In Ihrem Song "You lie down with dogs" heißt es: "Wenn du dich neben Hunde legst, stehst du mit Flöhen wieder auf."
Parsons: Wenn man seinen Hund so liebt wie ich, ist einem das egal. Nur dieses Schnarchen geht gar nicht.
einestages: Und welcher Sound erzeugt bei Ihnen Wohlbefinden?
Parsons: Wenn mich morgens Vogelgezwitscher weckt. Wunderbar. Ich nenne das Dawn Chorus. Die Natur erzeugt eben die besten Sounds - bis auf meinen Hund.
einestages: Wenn Sie nicht auf Tour sind, leben Sie mit Ihrer Familie auf einer Avocado-Ranch bei Santa Barbara. Wie darf man sich Alan Parsons als Bauer in Kalifornien vorstellen?
Parsons: Am besten gar nicht. Ich mache mir die Hände ungern schmutzig, um die Avocados kümmert sich ein Gärtner. Im Übrigen ist das ein Riesenverlustgeschäft. Als Farmer wäre ich eine totale Niete, das ist mal klar.