
Festival in Altamont Love, Peace und prügelnde Hells Angels
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Mick Jagger hatte nur wenige Schritte auf dem Festivalgelände gemacht, da traf ihn die Faust eines Fans mitten im Gesicht. Seit vier Wochen tourten die Rolling Stones durch die USA. Altamont bei San Francisco war am 6. Dezember 1969 die finale Station: Ein von den Stones angesetztes kostenloses, eintägiges Festival mit Santana, The Grateful Dead und Crosby, Stills, Nash & Young.
Die Bands und ihre Fans träumten von einem Woodstock an der Westküste. Es wurde eine chaotische, drogengetriebene Gewaltorgie.
1969 war ein Jahr der Gegensätze in Amerika: Im Juli machte Neil Armstrong die ersten Schritte auf dem Mond. Im August feierten 400.000 Hippies auf dem Acker eines Milchbauern eine friedliche Musikparty namens Woodstock, während in Vietnam weiter Krieg tobte. Am 9. August ermordete die Manson Family die schwangere Sharon Tate und vier ihrer Freunde. Zwei Tage vor Altamont wurde der Black-Panther-Aktivist Fred Hampton, 21, in seiner Wohnung im Schlaf erschossen.
Mit seinem katastrophalen Verlauf wurde Altamont zum Symbol für das Ende der Love-Generation. "Es war, als hätten Altamonts Organisatoren eine Blaupause für ein Desaster ausgearbeitet", schrieb das noch junge Musikmagazin "Rolling Stone".
Festival ohne Veranstaltungsort
Kritik an hohen Ticketpreisen bewegte die Stones, ihre Tour mit einem Gratiskonzert zu beenden. Sie verabredeten mit The Grateful Dead, den Gig gemeinsam zu organisieren. Sonst gab es keinen Plan, keiner der Beteiligten hatte Erfahrung mit der Organisation eines so großen Konzerts.
Der Bürgermeister von San Francisco verweigerte die Auftrittsgenehmigung im Golden Gate Park. Ein Ausweichmanöver zur Sears Point Rennstrecke scheiterte 48 Stunden vor Konzertbeginn. In letzter Minute bot Unternehmer Dick Carter seine Rennstrecke 90 Kilometer vor San Francisco an. Niemand dachte daran, Toiletten oder Lebensmittel zu organisieren.
Die hastig gebastelte Bühne erhob sich nur einen Meter und stand schlecht einsehbar in einer Senke. Für Bier im Wert von 500 Dollar heuerte Stones-Tourmanager Sam Cutler die Hells Angels als Security an. The Grateful Dead hatten die Biker schon mehrmals für Konzerte verpflichtet.
Die Gewaltbereitschaft und der Rassismus der Hells Angels schienen niemanden zu stören. "Man war sich einig, dass man die Cops nicht mochte. Man mochte die gleichen Drogen", so Saul Austerlitz, Autor von "Just a Shot Away. Peace, Love, and Tragedy with the Rolling Stones at Altamont". Er spricht von einer Romantisierung der Angels. "Altamont war der Moment, in dem die Gegenkultur merkte, dass die Hells Angels nicht ihre Freunde sind."
Revolver im Handschuhfach
Wie viele in der Bay Area hatte der 18-jährige Meredith Hunter dem Konzert entgegengefiebert. Hunters Schwester Dixie warnte ihn am Morgen, er werde wegen seiner Hautfarbe auffallen - erst recht mit seiner Freundin: "Es war eine Zeit, in der schwarze Männer nicht mit weißen Frauen zusammen sein sollten. Er verabschiedete sich und ich hatte dieses ungute Gefühl, dass jemand ohne jede Hilfe unterwegs war", sagte sie der "New York Times" 2009. Hunter vergewisserte sich, dass sein Revolver im Handschuhfach lag. Dann fuhr er zu seiner Freundin Patti Bredehoft.
Nahe der Rennstrecke schwang sich Bill Owens mit drei Kameras auf sein Motorrad, um für Associated Press Fotos vom Event zu machen. "Mich interessierten weder die Stones noch Jefferson Airplane", sagt Owens, heute 81 Jahre alt. Er hatte eine Frau und ein Baby, stand am Anfang seiner Karriere und hielt nichts von Woodstock-Romantik: "Den ganzen Tag rumsitzen, Gras rauchen und einen wundervollen Tag haben - das war nichts für mich." Von einem Boxenturm neben der Bühne fotografierte er das Geschehen.
Schon bei der Eröffnung durch Santana gab es Handgemenge. Noch immer auf das Gelände strömende Fans drängten die Zuschauer gegen die Bühne. Dort schlugen oder traten die Hells Angels jeden, der zu nahe kam. Reichte das nicht, schwangen sie abgesägte Billardstöcke. Ein junger Mann tanzte nackt vor der Bühne, bis sie ihn brutal verprügelten. Blutend kroch er unter ein Gerüst. "Jemand hat mir später erzählt, dass er den ganzen Tag dort gelegen hat", sagt Owens.
Das Zusammentreffen berauschter Fans und alkoholisierter Biker geriet zunehmend außer Kontrolle. Jefferson-Airplane-Sänger Marty Balin eilte einem Fan vor der Bühne zu Hilfe und wurde von einem Hells Angel k.o. geschlagen. Balins Bandkollege Paul Kantner bedankte sich ironisch, da pöbelte ein Biker per Mikro zurück. Hinter der Bühne schlug ein Bandenmitglied einen Roadie besinnungslos. Entsetzt sagten The Grateful Dead ihren Auftritt ab und verließen das Gelände. Die Stones wollten dennoch auftreten.
"Die verdammten Angels!"
Nach Sonnenuntergang eröffnete Mick Jagger das Set mit "Jumpin' Jack Flash". Hunter hatte seine Freundin überredet, sich nahe an die Bühne vorzuarbeiten. Kaum hatte Jagger die ersten Zeilen von "Sympathy for the Devil" gesungen, drängten die Hells Angels Fans vor der Bühne gewaltsam zurück. Jagger ließ das Mikro sinken und appellierte: "Hey Leute. Brüder und Schwestern. Regt euch mal ab! Würdet ihr euch mal alle entspannen?" Als es ruhiger wurde, murmelte er: "Es passiert immer irgendwas Seltsames, wenn wir anfangen, diese Nummer zu spielen." Ein zweiter Anlauf blieb ohne Zwischenfälle - nur ein Schäferhund streunte über die Bühne.
"Leute, warum kämpfen wir und wofür? Wer will sich hier prügeln?", fragte Jagger, als ein verletzter Fan auf die Bühne gehievt wurde. "Die verdammten Angels!", rief ein Zuschauer. Gitarrist Keith Richards zeigte auf einen Biker: "Der Typ da! Wenn der nicht aufhört! Also entweder die Typen entspannen sich oder wir spielen nicht!"
Die Band begann mit "Under My Thumb". Neben Jagger zog ein Mann im Drogenrausch Grimassen, bis ihn ein Hells Angel aus dem Scheinwerferlicht zerrte. Auch Meredith Hunter hatte Drogen genommen. Er drängte an die Bühne, um Jagger besser zu sehen. Ein Fan erzählte dem "Rolling Stone", wie ein Hells Angel reagierte: "Er griff ihn am Ohr und an den Haaren und zerrte ruckartig an ihm, er fand es lustig. Der Junge schüttelte ihn ab, er riss sich los." Daraufhin schlug der Biker ihm so heftig ins Gesicht, dass er in die Menge zurückfiel. Dann sprang er von der Bühne und attackierte ihn erneut, vier weitere Hells Angels kamen dazu.
Flucht im Helikopter
Die Menge wich zurück. Hunter rannte zu seiner Freundin, drehte sich zu seinen Verfolgern um und zog den Revolver aus der Jackentasche. Er riss den Arm über seinen Kopf, als hoffte er, der Anblick der Waffe würde die Bandenmitglieder von einem erneuten Angriff abhalten. Aus dem Nichts tauchte ein Biker auf, rammte Hunter ein Messer in den Nacken und stach noch mehrmals auf ihn ein, dann prügelten die Biker fürchterlich auf ihn ein. Als der Angriff endlich endete, hatte Hunter lebensgefährliche Stichwunden und Kopfverletzungen.
Von der Bühne aus sah Jagger nur einen Pulk Hells Angels, die einen Zuschauer angriffen. Frustriert drohte er: "Wir hauen ab, wenn diese Typen nicht aufhören, jeden in Sichtweite zu verprügeln!" Jemand sagte, Hunter habe auf die Bühne geschossen. Die Polizei konnte für die Behauptung nie Beweise oder Zeugen finden.
Fans trugen Hunter ins Medizinzelt. "Es war offensichtlich, dass er es nicht überleben würde. Es gab keine Geräte, um ihn zu versorgen. Er musste sofort operiert werden, um einige große Blutgefäße zu reparieren. Er hätte sofort intravenöse Flüssigkeit gebraucht, nichts davon war verfügbar", sagte Arzt Robert Hiatt dem "Rolling Stone". Meredith Hunter starb noch auf dem Gelände.
Die Stones vollendeten ihr Set, ohne von seinem Tod zu wissen. Angesichts der Szenen vor der Bühne eilten sie zu einem wartenden Helikopter und flohen aus Altamont.
Familie sucht Toten
Hunter blieb nicht der einzige Todesfall. Im Drogenrausch raste ein Fan auf dem Heimweg in eine Gruppe Konzertbesucher. Mark Feiger und Richard Savlov, beide 22, starben. Stunden vorher war ein 19-Jähriger offenbar ebenfalls berauscht in einen Kanal gefallen und ertrunken.
Am Tag nach dem Konzert rechtfertigte Sonny Barger, Anführer der Hells Angels in San Francisco, im Radio die Gewalt. Fans hätten schließlich die Bikes der Angels getreten: "Niemand tritt einfach mein Motorrad!" Ein Biker namens Pete erklärte: "Ich fand, dass es eigentlich ganz gut lief. Tut mir leid, diese eine Sache da."
Weder die Veranstalter noch die Bands meldeten sich bei Hunters Familie. Ein Freund überbrachte die Todesnachricht am Telefon. Seine Angehörigen mussten mehrere Krankenhäuser und Polizeistationen abtelefonieren, um herauszufinden, wo Hunters Leiche war. Nach der Beerdigung erlitt seine Mutter einen psychischen Zusammenbruch.
Alan Passaro, der auf Hunter eingestochen hatte, wurde 1970 wegen Mordes angeklagt. Der Dokumentarfilm "Gimme Shelter", gedreht bei der Stones-Tour, diente der Verteidigung als Beweismittel: Weil zu sehen ist, dass Hunter einen Revolver zog, plädierten die Anwälte auf Notwehr. Passaro wurde freigesprochen.
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Vorfreude: Nach Kritik an hohen Ticketpreisen ihrer US-Tour 1969 kündigten die Rolling Stones überraschend ein Gratiskonzert am Ende der Tour an. Die Fans auf diesem Foto wollten sich die Chance offenbar nicht entgehen lassen. Mit einem selbst gebastelten Schild, inklusive dem in den Sechzigern obligatorischen Peace-Zeichen, warten sie auf den Auftritt der Band, der den Festival-Tag auf
Band und Bande: Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger starrt zum Bühnenrand, an dem sich Mitglieder der Hells Angels um einen der Konzertbesucher scharen, den sie verprügelt haben. Mehrmals unterbrechen die Rolling Stones ihren Auftritt beim Altamont-Festival, weil es direkt vor der Bühne zu Schlägereien kommt. Hilflos fragt Jagger ins Mikrofon: "Warum wird hier geprügelt, wofür schlagt ihr euch?" Während die Stones ihren Hit "Under My Thumb" singen, ersticht ein Mitglied der Hells Angels den 18-jährigen Konzertbesucher Meredith Hunter.
Happening ohne Happy-End: Als einer von rund 300.000 Musikfans pilgerte Meredith Hunter am 6. Dezember 1969 nach Altamont, um bei einem eintägigen Festival Bands wie die Rolling Stones, Santana und Jefferson Airplane zu sehen. Hunter war kein Fan der Rolling Stones, ihn zog die Neugier an: Er wollte die Chance nicht verpassen, ein Massenevent wie Woodstock zu erleben.
Noch herrscht Freude: In den ersten Stunden des Konzerts war die Stimmung bei vielen Besuchern noch froh und ausgelassen. Zahlreiche Fans brachten sich außerdem mit Alkohol und Drogen in Stimmung. Vor Ort wurden besonders Schlaftabletten, wegen ihrer Farbe "Reds" genannt, und LSD konsumiert. Laut Besuchern und medizinischen Helfern war das LSD von so schlechter Qualität, dass zahlreiche Fans einen beängstigenden Drogenrausch erlebten.
Security-Fehlbesetzung: Ausgerechnet die Rockerbande Hells Angels wurde als Sicherheitsdienst für das Konzert verpflichtet. The Grateful Dead hatten die Gruppe mehrmals für Konzerte in San Francisco angeheuert. In Altamont agierten die Hells Angels nach dem Motto: Wer der Bühne zu nah kommt, hat Schläge verdient. Die Mischung aus massenhaft berauschten Zuschauern und dem gewaltbereiten Auftreten der Hells Angels sorgte bald für eine Stimmung, die mit dem friedlichen Musikrausch von Woodstock nichts mehr gemein hatte.
Show-Opener: Santana war die erste Band, die am 6. Dezember 1969 in Altamont auftrat. Erst vier Monate zuvor hatte die Gruppe in Woodstock einen fulminanten Auftritt hingelegt. Die Energie von Woodstock sollten sie in Altamont allerdings nicht spüren: Schon während ihres Auftritts gab es die ersten gewalttätigen Übergriffe der Hells Angels.
Massenandrang: Die Veranstalter rechneten mit 100.000 Besuchern, am Ende strömten 300.000 Fans zur Rennstrecke außerhalb San Franciscos. Vier Monate zuvor hatte das dreitägige Woodstock-Musikfestival 400.000 Musikfans angezogen.
Bevölkerte Bühne: Bassist David Brown (l.) und Drummer Michael Shrieve während des Santana-Auftritts, der das Altamont-Festival eröffnete. Hinter ihnen reihen sich Helfer und Roadies auf der Bühne, auch links hocken zahlreiche Menschen in unmittelbarer Nähe der Musiker, um ihren Auftritt zu beobachten.
Beengte Verhältnisse: In unmittelbarer Nähe der Bühne drängten sich Reporter, Kameramänner und Fans. Die Maysles-Brüder hatten für ihre Dokumentation über die Tour der Rolling Stones mehrere Kameramänner um die Bühne und auf dem Gelände verteilt, Zeitungen und das frisch gegründete Musikmagazin "Rolling Stone" entsandten Reporter nach Altamont. Der detaillierte Bericht über die Missstände bei der Organisation und Durchführung des Konzerts ist eine der ersten Reportagen, die den "Rolling Stone" als ernstzunehmendes Medium etablierten.
Vom Feiern erschöpft: Manche Fans reisten bereits am Abend vor dem Konzert an und feierten die Nacht vor dem Festival durch. Dieser Konzertbesucher hält abseits der Massen ein Nickerchen auf dem Feld, während Konzertbesucher gen Bühne strömen.
Niemand ist sicher: Der Auftritt von Jefferson Airplane wurde unerwartet unterbrochen, als Sänger Marty Balin (r.) von einem Hells Angel ins Gesicht geschlagen wurde und k.o. ging. Balin war eingeschritten, als die Rockerbande einen Fan vor der Bühne attackierte. Als Gitarrist Paul Kantner (l., hinter Sängerin Grace Slick) die Angels für ihr Auftreten kritisierte, schnappte sich einer der Rocker ein Mikrofon und giftete zurück.
Ausparken unmöglich: Fotoreporter stiegen mit Heißluftballons in die Höhe, um Aufnahmen von der Menge und dem Gelände zu machen. Das Foto dokumentiert die teilweise wild geparkten Autos der Besucher. An- und Abreise zum Konzert bedeuteten für zahlreiche Besucher lange Staus und Fußmärsche.
Treck durch die Einsamkeit: Ähnlich wie bei Woodstock war die Gegend um das Festivalgelände schon früh so zugeparkt, dass viele Fans ihre Autos Kilometer vor der Rennstrecke parken und den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen mussten. Im Hintergrund sieht man, wie sich die Straße um die Hügel herum in die Ferne windet.
Gegen den Strom: Ohne Kleidung bahnt sich dieser Konzertbesucher nach dem Auftritt von Jefferson Airplane einen Weg durch die Masse. Obwohl er splitterfasernackt unterwegs ist, interessiert sich die Menge herzlich wenig für ihn.
Idylle: Inmitten des Festival-Trubels fanden manche Konzertbesucher ruhige Momente. Dieses Paar findet Zeit für Zärtlichkeiten, während der Nachwuchs neben ihnen friedlich schlummert. Wer sich nicht zu nahe an die Bühne vorarbeitete, bekam wenig von den Gewaltexzessen mit und hatte ein vergleichsweise friedliches Festivalerlebnis.
Schlummernder Schläger: Von seiner unbeobachteten Position auf einem Lautsprecherturm gelang AP-Fotograf Bill Owens dieser Schnappschuss einer Gruppe Hells Angels, die sich während des Konzerts ausruhen. Mit dem ihnen versprochenen Freibier besetzten sie den Bühnenrand und drängten gewaltvoll jeden zurück, der den Bands oder ihnen zu nahe kam. Wer protestierte, musste ebenfalls mit Schlägen rechnen.
Soundtrack zur Tragödie: Für Mick Jagger und die Rolling Stones kam ein Konzertabbruch nicht infrage. Der Auftritt sollte den Höhepunkt in ihrer Musikdokumentation "Gimme Shelter" darstellen. Offenbar sorgte man sich auch darum, wie 300.000 Fans auf eine kurzfristige Absage reagieren würden - die Stimmung war aufgeheizt. Nach eineinhalbstündiger Wartezeit betraten die Stones schließlich die Bühne. Während Mick Jagger und seine Bandkollegen "Under My Thumb" spielten, erstach ein Hells Angel den 18-jährigen Meredith Hunter.
Ekstatischer Tänzer: Besonders schlimm traf es diesen Konzertbesucher, der hier noch einen beherzten Schluck nimmt. Zahlreiche Besucher und Fotografen erinnern sich an ihn, weil er - sehr wahrscheinlich unter Drogeneinfluss - vollkommen nackt vor der Bühne tanzte. Bis er den Hells Angels zu nahe kam.
Gewaltexzess: Mit Fäusten, Füßen und abgesägten Billardstöcken attackierten die Hells Angels ihre Opfer. Fotograf Bill Owens drückte auf den Auslöser, als die Angels mit ihren Stöcken ausholten und auf den jungen Nackten einprügelten. Die Menge schaut tatenlos zu. Fans im Vordergrund lassen sich nicht stören, andere blicken fassungslos auf das Geschehen. "Wir hatten alle schrecklicke Angst vor ihnen", sagte ein junges Mädchen einen Tag später, als sie ihre Eindrücke bei einer Live-Radiosendung schilderte.
Keine Unschuldslämmer: David Crosby (l.) und Graham Nash beim Auftritt der Folkrock-Gruppe Crosby, Stills, Nash and Young. Die stümperhafte Organisation des Konzerts wirkte sich offenbar auch auf die Bands aus: Crosby erzählte dem Magazin "Mojo" 2015, dass die Band bei ihrer Ankunft an einem kleinen Flughafen nahe dem Festivalgelände von keiner Menschenseele erwartet wurde. Laut Crosby stahl die Band kurzerhand einen Pick-up-Truck, der vor dem Provinzflughafen geparkt war, und machte sich auf den Weg zum Festivalgelände.
Beruhigende Wirkung: Der Auftritt von Gram Parsons und seiner Countryrock-Band The Flying Burrito Brothers schien die Gemüter vor der Bühne zeitweise zu beruhigen. Die Schlägereien ließen für einige Zeit nach. Als The Grateful Dead hinter der Bühne erfuhren, wie aggressiv die Hells Angels mit Konzertbesuchern und den Bands umsprangen, sagten sie ihren Auftritt kurzerhand ab und verließen das Konzertgelände.
Chaotische Vorbereitung: In aller Eile hatte das Management der Rolling Stones und von The Grateful Dead, die gemeinsam als Headliner auftreten sollten, ein Festival zusammengeschustert: Details vom Konzertposter über den passenden Auftrittsort bis hin zu Security, Sanitäranlagen und vor allem zusätzliche Bands mussten eilig organisiert werden. Gemessen an heutigen Standards war die Vorbereitung ein Desaster.
Der Morgen danach: Leere Weinflaschen, zurückgelassene Decken und Kleidungsstücke und jede Menge Müll blieben nach dem eintägigen Rockfestival zurück. Die chaotische Organisation zeigte sich einmal mehr nach dem Ende des Konzerts: Sam Cutler, Tourmanager der Rolling Stones, rief am Morgen danach beim Radiosender KSAN an und beschwerte sich, dass von 300.000 Musikfans nur 15 geblieben seien, um beim Aufräumen zu helfen.
Ungestraft davongekommen: Mitglieder der Hells Angels als Sicherheitsleute beim Konzert. Die Hells Angels fühlten sich bei ihrem Auftreten völlig im Recht. Ein Prozess gegen den Mann, der Meredith Hunter erstochen hatte, endete mit einem Freispruch. Obwohl Hunter seinen Revolver erst aus der Jackentasche zog, nachdem die Bande ihn attackiert hatte, und obwohl die Rocker nach der Messerattacke minutenlang auf ihn einprügelten, konnte der Verteidiger die Jury davon überzeugen, sein Klient habe in Notwehr gehandelt.
Geteiltes Presseecho: Während viele Lokalzeitungen, aber auch landesweite Medien wie die "New York Times" zunächst von einem fröhlichen Musikhappening nach dem Vorbild von Woodstock berichteten oder den Tod von Meredith Hunter und dreier weiterer Konzertbesucher nur in einem Halbsatz erwähnten, berichteten Indie-Medien bald über die brutalen Details. Das Foto zeigt Max Scherr, Herausgeber der Wochenzeitung "Berkeley Barb", einem der wichtigsten Medien der Gegenkultur in den Sechzigern. Er hält die Ausgabe hoch, in der die Zeitung über den tödlichen Angriff der Hells Angels auf Meredith Hunter berichtet.
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