

Es ist Mittwoch, der 28. März 1979, und im Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania beginnt der Alptraum der Atomphysik. Um vier Uhr früh bemerken Mitarbeiter in der Schaltzentrale den Ausfall einer Pumpe im Kühlkreislauf des Reaktors. Der schaltet sich zwar, wie vorgesehen, automatisch ab - aber die Nachzerfallswärme treibt den Druck im Kühlkreislauf in die Höhe.
Ein Sicherheitsventil öffnet, der Druck entweicht; das heiße Wasser schießt heraus. Dann bleibt das Ventil einfach offen stehen. Pro Minute rauscht nun eine Tonne Kühlwasser aus dem Reaktor, ohne dass die Schichtleiter es bemerken - die Anzeige auf der Schalttafel zeigt fälschlicherweise an, dass das System übervoll mit Kühlungsmittel sei.
Gegen sechs Uhr ist der obere Teil des Reaktorkerns statt von Kühlwasser nur noch von Dampf umgeben. Die gigantische Hitze kann nicht entweichen. Die Brennstäbe beginnen, sich zu zersetzen - die Kernschmelze setzt ein. Endlich bemerkt ein Techniker das offene Sicherheitsventil im Kühlkreislauf. Gerade noch rechtzeitig schließt er ein Notventil und verhindert so den Super-GAU.
Minimale Konstruktionsfehler, Personal, das nicht optimal auf den Störfall reagierte: Es waren im Prinzip Lappalien, die vor mehr als 30 Jahren zur Katastrophe in Harrisburg führten. Die Wirkung war verheerend: Während des Störfalls war sowohl radioaktives Gas in die Atmosphäre - als auch verseuchtes Kühlwasser in den nahegelegenen Fluss gelangt. Steigende Krebsraten in der Bevölkerung waren die Folge. Außerdem waren weite Teile des Reaktors und des Kraftwerksgeländes verseucht. 14 Jahre dauerte der Rückbau in Harrisburg, bei dem vor allem mehr als 8 Millionen Liter verseuchtes Trinkwasser dekontaminiert werden mussten. Umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro verschlang das alles. Bis heute strahlt der Rest der Reaktorruine weiter.
Nun, da die Welt mit dem GAU von Fukushima eine weitere nukleare Katastrophe erfährt, erlebt die Debatte um die Sicherheit von Atomkraft eine neue Blüte. Und spätestens, seitdem das hochgiftige Plutonium aus einem der zerstörten Meiler entwich und das Gelände von Fukushima auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte verseucht ist, rückt plötzlich die Unverhältnismäßigkeit von Risiko und Ertrag dieser ehemaligen Wundertechnik ins Blickfeld: Wie kann überhaupt etwas als beherrschbar gelten, was doch so schnell zu einer Apokalypse mutieren kann, die ganze Landstriche für Generationen von Menschen unbewohnbar macht?
Dabei hätte doch ein Blick zurück schon gereicht. Nach Harrisburg. Oder auch nach Tschernobyl. Oder nach Mururoa. Überall dorthin eben, wo die Kraft des Atoms, ob mit Absicht oder nicht, ihre Fesseln gesprengt hat. Überall dorthin, wo die Kernenergie die Welt unbewohnbar gemacht hat für den Menschen. Mit Fukushima gibt es nun ein neues atomares Niemandsland - dabei ist die Welt schon voll mit Gegenden verbrannter Erde, deren Anblick jedem sofort klarmachen, wie hoch der Preis ist.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Eine neue Zeitrechnung: Am 16. Juli 1945 um 05:29:45 Uhr (lokaler Zeit) begann auf dem Raketentestgelände White Sands im "Jornada-del-Muerto"-Tal in New Mexico das atomare Zeitalter - die erste Atombombe, "The Gadget" genannt, wurde gezündet. Eine ähnliche Bombe explodierte einige Wochen später über Nagasaki.
Zuvor äußerten zwar einige der Beteiligten die Befürchtung, die Explosion könnte die Erdatmosphäre entflammen und alles Leben auf dem Planeten vernichten, oder zumindest New Mexico vollständig einäschern. Trotz dieser Bedenken wurde der Test schließlich durchgeführt. "The Gadget" wurde dafür auf einem etwa 30 Meter hohen Turm platziert, von dem nach dem Test nichts mehr übrig blieb. Die Sprengkraft der Detonation entsprach einer Explosion von 18 Kilotonnen TNT und hinterließ einen drei Meter tiefen, 330 Meter breiten Bombenkrater. In einem Umkreis von 1,5 Kilometern war die Gegend vollständig verwüstet, während 730 Meter um das Zentrum der Explosion herum der Sand zu grünem radioaktivem Glas geschmolzen war, der auch als Trinitit bezeichnet wird.
Während der Explosion entstanden ein zwölf Kilometer hoher Atompilz und eine Druckwelle, die noch in 160 Kilometer Entfernung zu spüren war. Der gewaltige Knall war noch 320 Kilometer weit weg zu hören. Der...
...wissenschaftliche Leiter des Projekts, Dr. J. Robert Oppenheimer, der die Explosion beobachtet hatte, sagte später, sie habe ihn an eine Zeile aus der Hindu-Schrift Bhagavad Gita erinnert: "Ich bin der Tod geworden, der Zerstörer der Welten."
Die radioaktive Strahlung von "The Gadget" konnte noch in einem Umkreis von 160 Kilometern gemessen werden. Zwar wurde der Bombenkrater 1952 eingeebnet und das Trinitit größtenteils entsorgt, doch auch heute, nach mehr als sechzig Jahren ist die Strahlung auf dem ehemaligen Testgelände noch immer zehnmal höher als normal. Die "Trinity Site" wurde am 21. Dezember 1965 zu einer historischen Gedenkstätte erklärt und kann an zwei Tagen im Jahr besichtigt werden.
Bis heute verstrahlt: Der bislang schwerste Unfall in einem Atomkraftwerk ereignete sich am 26. April 1986 in dem ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der Stadt Pripjat. Die Erprobung eines neuen Spannungsreglers führte zu einer Explosion im Block 4 des Kraftwerks. Die Druckwelle zerstörte das Dach und legte den schmelzenden Reaktorkern frei, wobei Radioaktivität in die Luft geschleudert wurde.
Die sowjetische Regierung versuchte, den Störfall so lange wie möglich zu vertuschen. Anwohner wurden am nächsten Morgen im Radio lediglich dazu aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen und die Fenster geschlossen zu halten, als reine Vorsichtsmaßnahme. Am Tag darauf wurden die 50.000 Einwohner von Pripjat dann doch evakuiert. Aber, so die damalige Aussage, nur für drei Tage, dann sollten sie nach Hause zurückkehren können. Pripjat ist bis heute unbewohnbar.
Erst Wochen später wurde das genaue Ausmaß der Katastrophe bekannt. Die Radioaktivität erreichte weite Teile von Europa bis Großbritannien und Skandinavien. 30 Kilometer um den Reaktor herum wurde eine Sperrzone errichtet, die noch immer Bestand hat. Schätzungen zufolge wird es noch mindestens hundert Jahre dauern, bis das Gebiet wieder landwirtschaftlich nutzbar wird. Wie viele Menschen der Unfall das Leben tatsächlich das Leben gekostet hat, ist hoch umstritten. Einige Schätzungen gehen von rund 110.000 Toten und Hunderttausenden, die bis heute an den Folgen der Verstrahlung leiden, aus. Andere Berechnungen sind deutlich niedriger. So behauptete etwa die Internationalen Atomenergie-Organisation zu Beginn des Jahres 2006, dass bis Mitte 2005 weniger als 50 Personen an der unmittelbaren Strahlung des Reaktors gestorben seien.
Der Unglücksreaktor wurde nach dem Unfall eilig mit einem Betonsarkophag versiegelt, der zwar hundert Jahre halten sollte, aber bereits jetzt brüchig wird. Am Ort der Katastrophe ist die Strahlenbelastung auch heute noch 700-mal so hoch.
Die strahlende Zwickmühle: Oberflächlich betrachtet hat Deutschland trotz zahlreicher Störfälle in deutschen AKW bislang noch keine atomare Katastrophe erleben müssen. Unter der Erde sieht es anders aus. Denn obwohl in der Bundesrepublik seit mehr als 60 Jahren fleißig Strom aus der Kernspaltung gewonnen wird, gibt es noch kein Endlager für den dabei entstehenden Atommüll. Das ist ungefähr so, als würde man mit einem Flugzeug starten, für das es nirgendwo auf der Welt eine Landebahn gibt. Zwar wurde mit dem Endlager Asse (Foto) in den sechziger Jahren ein Bergwerk tief unter Tage präsentiert, dessen Salz den strahlenden Schrott die nächsten hunderttausend Jahre schützend umschließen sollte.
Tatsächlich traten schon nach 40 Jahren massive Probleme auf. Entgegen allen Beteuerungen von Politik und Betreibern säuft die Asse langsam ab. 12.000 Liter Wasser treten täglich ein, lassen die Fässer verrosten und spülen die Radioaktivität aus. Bis heute gibt es weder ein Konzept für die Entsorgung der dabei entstehenden radioaktiven Lauge, noch eine Gesamtlösung für die Asse. Viele der giftig gelben Fässer wurden damals nämlich nicht gestapelt, sondern einfach in die Stollen gekippt und mit Salz bedeckt. Sie sind längst korrodiert und haben ihren gefährlichen Inhalt verstreut - kein Mensch darf sich ihnen nähern, Bergung unmöglich.
Dauer-Bombardement Insgesamt 119-mal wurden zur Zeit des atomaren Wettrüstens im Kalten Krieg auf dem Atomtestgelände im US-Bundesstaat Nevada oberirdisch nukleare Sprengsätze gezündet (Foto von 1953). Seit 1962 wurden mehr als tausend unterirdische Kernwaffentests durchgeführt. Erst 1992 wurde das Gelände, das etwa so groß ist wie das Saarland, stillgelegt. Nun...
...soll das Gebiet unter dem Yucca Mountain, dem Heiligen Berg der Schoschonen-Indianer, ausgerechnet als Endlager für Atommüll aus 103 AKW dienen, in dem bis zu 78.000 Tonnen hochradioaktiver Abfälle entsorgt werden sollen. Die geplante Atomdeponie würde nur drei Autostunden von Las Vegas entfernt liegen. Nicht nur deswegen ist das Projekt umstritten - auch weil das Gelände erdbebengefährdet ist. Obendrein ist das Vorhaben äußerst kostspielig: Rund sieben Milliarden Dollar hat es bereits gekostet, insgesamt sind 58 Milliarden veranschlagt.
Nukleares Niemandsland: Semipalatinsk in Kasachstan war früher das wichtigste Atomtestgelände der Sowjetunion. Allein während des Kalten Krieges wurden hier 506 Atomsprengsätze gezündet. Unter dem Dach des US-Programms "Cooperative Threat Reduction", das in den ehemaligen Sowjetrepubliken Massenvernichtungswaffen sichern und beseitigen sollte, gaben die Vereinigten Staaten seit der Stillegung von Semipatalinsk seither mehr als 600 Millionen Dollar aus, um das 18.500 Quadratkilometer große verseuchte Gebiet - etwa so groß wie Sachsen - zu säubern.
Zudem haben die Amerikaner rund hundert Millionen Dollar investiert, um das Gelände besser bewachen zu lassen. Denn sie befürchten, dass Terroristen sich hier radioaktives Material zum Bau von Atombomben beschaffen könnten. Aus den Plänen der kasachischen Regierung, das Land wieder für landwirtschaftliche Zwecke freizugeben, wird wohl lange nichts werden: An einigen Stellen ist die Konzentration von Plutonium heute noch so hoch, dass Arbeiter den Boden mit zwei Meter dicken Stahlbetonplatten sichern mussten.
Unglaubliche Zerstörungskraft: Am Morgen des 6. August 1945 warf der amerikanische Bomber Enola Gay die erste Atombombe "Little Boy" über der japanischen Metropole Hiroshima ab. Binnen Sekunden hatte die Druckwelle den größten Teil der Stadt zerstört und 90 Prozent der Menschen in einem Umkreis von einem halben Kilometer getötet. Viele weitere starben noch in der Zeit danach an den Spätfolgen. Verschiedenen Schätzungen zufolge kostete die Bombe bis 1946 90.000 bis 166.000 Menschen das Leben. In späteren Jahren...
...starben ungezählte Opfer an der radioaktiven Strahlung. Noch immer wird über das Ausmaß der Spätschäden geforscht.
Der strahlende Buddha: Am 18. Mai 1974 sprengte sich ein weiteres Mitglied in den Club der Atommächte. In der Wüste Rajasthan nahe der pakistanischen Grenze wurde mit Hilfe kanadischer Expertise, die für einen Reaktor zur Verfügung gestellt worden war, 107 Meter tief unter der Erde die erste indische Atombombe mit dem Namen "Smiling Buddha" gezündet. Auch wenn Indien den am 5. März 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag nicht mit unterzeichnet hatte, betonte die Regierung um Premierministerin Indira Gandhi immer wieder, dass dieser Test lediglich "zu friedlichen Zwecken" durchgeführt worden sei.
Auf "Smiling Buddha" folgten im Mai 1998 unter dem Codenamen "Operation Shakti" noch fünf weitere Explosionen. Wie verstrahlt das Testgebiet heute ist, ist nicht bekannt. Offiziellen Angaben nach gab es aufgrund der Tiefe der unterirdischen Tests keine radioaktive Kontaminierung des Geländes.
Bis heute hat Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, verpflichtete sich aber auf einen Ersteinsatz nuklearer Waffen zu verzichten.
Endlager Morsleben: Im Endlager des sachsen-anhaltinischen Morsleben lagerte die DDR ihre radioaktiven Abfälle. Kurz nach der Wende ließ Angela Merkel als damalige Umweltministerin noch beträchtliche Mengen des strahlenden Restmülls der westdeutschen Wohlstandgesellschaft im Salzstock von Morsleben verklappen - gegen die Bedenken des Bundesamtes für Strahlenschutz und den Einspruch lokaler Politiker. Weil das Lager inzwischen als stark einsturzgefährdet eingestuft wird, muss es aufwendig stabilisiert werden - die Kosten für die endgültige Schließung werden auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt.
Skandalkraftwerk: In Windscale, heute Sellafield, ereignete sich im Oktober 1957 der erste große und bis Tschernobyl schwerste Unfall in einem Atomkraftwerk. Nahe an der Irischen See hatten die Briten nach dem Zweiten Weltkrieg dort überstürzt zwei Atomreaktoren zur Stromproduktion gebaut - und um waffenfähiges Plutonium zu erzeugen.
Die Eile beim Bau hatte ihren Preis: Bereits 1955 wurden bei Reparaturarbeiten 251 Arbeiter verstrahlt. Am 10. Oktober 1957 kam es noch schlimmer. Ein Reaktorkern begann zu brennen. Bei dem Versuch, das Feuer zu löschen, wurde noch am gleichen Abend die erste radioaktive Wolke freigesetzt. Die zweite Wolke entstand am nächsten Tag bei einem weiteren Löschversuch. Die entwichene radioaktive Strahlung gelangte bis in die Schweiz. Erst nach zwei Tagen konnte das Feuer unter Kontrolle gebracht werden.
Die Verantwortlichen versuchten erst noch, den Vorfall zu vertuschen. Die Zeitung meldete lediglich, es habe zwar einen Vorfall gegeben, die Arbeiter hätten die Verstrahlung jedoch gut mit Wasser und Seife abwaschen können. Nur Kuhmilch durfte in einem Radius von 200 Meilen nicht mehr verkauft werden. Die Bevölkerung in der Umgebung des Kraftwerks war derweil tatsächlich dem zehnfachen ihrer Lebensdosis an Strahlung ausgesetzt.
An den Spätfolgen der Katastrophe starben offiziellen Angaben nach 33 Menschen und mehr als 200 erkrankten an Schilddrüsenkrebs. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte jedoch höher sein. Auf dem Gelände lagern bis heute mindestens 15 Tonnen beschädigter Brennstäbe, verstrahltem Staub, Uranreste und radioaktiver Schlamm - die Überreste des Brandes. In dem Kraftwerk kam es außerdem immer wieder zu Störfällen. Der Reaktor von 1957 wurde unter einem Betonsarg versiegelt und soll jetzt mit einem eigens dafür entwickelten Roboter abgebaut werden. Der Rückbau des Geländes in einen landwirtschaftlich nutzbaren Acker wird schätzungsweise 15 bis 20 Jahre dauern.
Die Wüstenspringmaus: Auch Frankreich wollte im Rennen um die Atombombe nicht zurückbleiben. "Gerboise bleue", die erste französische Atombombe, explodierte am Morgen des 13. Februar 1960 nahe des Ortes Reggane in der algerischen Wüste, die damals französisches Kolonialgebiet war. Mit 70 Kilotonnen war "Gerboise bleue" viermal so stark wie die Bombe von Hiroshima und sogar noch größer als die amerikanische "Trinity", die sowjetische "RDS-1" und die britische "Hurricane" zusammen. Ihr folgten bis zum 25. April 1961 noch drei weitere französische Tests, allerdings mit wesentlich kleineren Bomben.
Nachdem Algerien 1962 seine Unabhängigkeit erlangte, wurde Frankreich vertraglich zugesichert, dass das Testgelände noch für weitere fünf Jahre genutzt werden durfte. Anschließend wurden die Atomwaffentests auf einige zu Frankreich gehörende Südseeinseln verlegt. Erst...
...im Jahr 2010, zum 50-jährigen Jubiläum des ersten Tests, veröffentlichte die französischen Zeitung "Le Parisien" ein Geheimpapier des französischen Verteidigungsministeriums, nach dem während des letzten Tests absichtlich eine Gruppe von 300 Soldaten bei der Explosion verstrahlt wurden, um die Auswirkungen der Radioaktivität auf Menschen zu testen.
Die meisten der Soldaten erkrankten später an Krebs und leiden bis heute an Folgeerkrankungen der Strahlung. Erst nach der Veröffentlichung des Geheimpapiers erklärte sich die französische Regierung bereit, zehn Millionen Euro als Entschädigung für die Opfer der 210 Atombombentests, die Frankreich insgesamt durchgeführt hat, bereitzustellen.
In einem Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation, der 2005 auf Wunsch der algerischen Regierung angefertigt wurde, wurde festgestellt, das für das ehemalige Testgelände in der Sahara keine weiteren Maßnahmen notwendig seien, da die restliche radioaktive Strahlung nur noch sehr schwach sei.
Algerische Opferverbände beklagen allerdings, dass Frankreich sich nie um die Dekontamination der verstrahlten Gebiete gekümmert habe. Aufgrund der Strahlung gebe es hier bis heute eine erhöhte Krebsrate und noch immer würden viele Kinder mit Missbildungen geboren.
Gefährliche Schlampigkeit: 1997 trat aus rund 2000 Atommüll-Fässern des japanischen Atomkraftwerks Tokai hochgiftiges Uran aus. Regenwasser war in die Schächte gelangt, wo die Abfallbehälter lagerten, so dass die Tonnen anfingen zu rosten und undicht wurden. Schon 1982 forderten die zuständigen Behörden die Betreiberfirma auf, das Problem zu beheben. Der damalige Vorfall war nur einer von mehreren Atomskandalen.
Im März desselben Jahres hatte sich in einer Wiederaufarbeitungsanlage in der Nähe der Lagerstätte der rostenden Fässer ein schwerer Atomunfall ereignet - damals der schlimmste in der Geschichte Japans. 35 Arbeiter wurden dabei verstrahlt. Nur zwei Jahre später folgte die nächste Atomkatastrophe in einer Uranverarbeitungsanlage in Tokaimura: Nach einer nuklearen Kettenreaktion wurden Hunderte Menschen verstrahlt und 80 Mitarbeiter radioaktiv kontaminiert - zwei von ihnen starben.
Atombomben-Drama in Andalusien: Am 17. Januar 1966 waren während eines Auftankmanövers ein US-amerikanischer SAC-Langstreckenbomber vom Typ B-52 und ein Tankflugzeug über der spanischen Mittelmeerküste nahe Almería kollidiert und abgestürzt - es war das größte Atomwaffen-Unglück in der Geschichte der US-Luftwaffe.
Der Bomber, der sich auf einem Patrouillenflug befand, hatte vier Wasserstoffbomben an Bord. Drei der gefährlichen Sprengsätze fielen bei der Kollision im Umkreis des andalusischen Dorfes Palomares zu Boden und verseuchten die Umgebung radioaktiv. In einer acht Wochen dauernden Säuberungsaktion trugen US-Spezialkommandos mehrere tausend Tonnen verseuchter Erde ab und brachten sie per Schiff auf amerikanische Atomfriedhöfe (Foto). Gleichzeitig wurde nach der vierten Bombe gesucht. Sie wurde am 7. April des Jahres unbeschädigt aus 900 Metern Tiefe geborgen.
Noch immer kämpft Palomares mit den Spätfolgen des Unglücks. 1996 enteigneten die spanischen Behörden die Grundstücksbesitzer in dem verseuchten Gebiet, die auf dem Land bereits wieder Gemüse angepflanzt hatten. Die spanische Regierung fordert von den USA, sämtliche radioaktiv verstrahlte Erde abzutragen - schätzungsweise ein halbes Kilogramm Plutonium wird in den Böden noch vermutet.
Strahlendes Harrisburg: Im März 1979 ging vom Areal Three Mile Island eine radioaktive Verseuchung der Umgebung aus. Techniker gaben kontaminiertes Wasser und Gas an die Atmosphäre frei, um der Kernschmelze vorzubeugen.
20 Jahre nach der Katastrophe: Das Atomkraftwerk von Harrisburg im März 1999, mit dem abgeschalteten Reaktorblock im Vordergrund. Die Entseuchung des Geländes nach dem Unfall dauerte knapp zwölf Jahre und kostete umgerechnet etwa eine Milliarde Euro.
Die unbekannte Katastrophe: Bereits am 29. September 1957 ereignete sich einer der schlimmsten Atomunfälle der Geschichte, der allerdings erst viele Jahre später bekannt wurde. Im Südural, 15 Kilometer östlich der russischen Stadt Kyschtym, explodierte an diesem Tag auf dem Gelände der Plutoniumfabrik Majak ein Tank mit 80 Tonnen hochradioaktiver Flüssigkeit. Eine etwa 300 Kilometer lange und 40 Kilometer breite radioaktive Wolke stieg auf und trieb Richtung Nordosten. Die entwichene Strahlung gelangte zwar nicht bis nach Europa, entsprach aber in etwa der, die 1986 bei dem Unfall in Tschernobyl freigesetzt wurde. 15.000 Menschen, die in der Umgebung des Unglücksorts lebten, wurden evakuiert und die Häuser, die in einer 25-Kilometer-Zone um den Unglücksort herum lagen, zerstört. Niemand sollte hierher zurückkommen können. Die Plutoniumproduktion in der Fabrik, die auch das Material für die erste sowjetische Atombombe geliefert hatte, wurde hingegen nicht eingestellt.
Erst in den siebziger Jahren sickerten Informationen über die Katastrophe bis in den Westen durch. Die Sowjetregierung gab den Unfall allerdings erst 1989 zu. Die Zahl der Toten und das genaue Ausmaß der Spätschäden sind bis heute nicht bekannt. Das 150 Quadratkilometer große Gebiet, über dem sich die radioaktive Wolke damals verteilte, ist jedoch bis heute Sperrgebiet und darf nicht betreten werden.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden