Holocaust Was in Auschwitz geschah
Auschwitz. Synonym für den Holocaust. Inbegriff der Todesfabriken.
Eine Einheit der Roten Armee, von Krakau kommend, erreichte Auschwitz am 27. Januar 1945 am frühen Nachmittag. Die ersten Bilder der sowjetischen Luftaufklärung zeigten ihnen, dass hier ein wichtiges Ziel lag. Dass die Nationalsozialisten Konzentrationslager betrieben, war bekannt. Vorbereitet waren die Soldaten dennoch nicht. Die Soldaten fanden ca. 7.000 Überlebende, ausgemergelte Gefangene und 600 Leichen.
Die Überlebenden waren völlig entkräftet. Nur wenige wurden von der SS auf der Flucht zurückgelassen. Erst Tage vor der Befreiung wurde Auschwitz geräumt. Ungefähr 58.000 Gefangene wurden auf Todesmärsche Richtung Westen gezwungen. Tausende starben in der Kälte oder wurden erschossen. Die SS wollte die Spuren des Massenmordes beseitigen. Schon Monate vorher wurden Baracken angezündet, Lagerdokumente vernichtet, die Gaskammern und Krematorien in Birkenau gesprengt.
Nach der Befreiung war erst mal keine Zeit, die Toten zu begraben. Es ging darum, die Überlebenden zu retten, die Kranken, die fast Verhungerten und fast Erfrorenen. Das Polnische Rote Kreuz und der sowjetische Sanitätsdienst kümmerten sich noch Wochen und Monate. Auch in den Wochen nach der Befreiung starben noch viele ausgezehrte Gefangene.
Menachem Haberman, Auschwitz-Überlebender
"Wenn man mich fragt, wie ich mich 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz fühle, sage ich, dass Auschwitz für mich nicht befreit wurde. Jeden Morgen, wenn ich Tallit und Tefillin anflege, sehe ich Auschwitz. Ich sehe es jeden Tag und jede Nacht. Es ist der Todesmarsch. Für mich wurde Auschwitz nicht befreit. Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich noch habe, aber erst wenn ich am Ende bin, werde ich frei von Auschwitz sein. "
Die Opfer waren politische Gefangene, Kriegsgefangene, Homosexuelle, Sinti und Roma und vor allem Juden aus fast ganz Europa. Sie wurden mit Zügen nach Auschwitz deportiert. An dieser Rampe fanden direkt nach der Ankunft die Selektionen statt. Hier entschied sich - Zwangsarbeit oder der sofortige Tod. Alte Menschen, Kinder, Kranke, Schwangere, Mütter mit Kleinkindern wurden in den Gaskammern ermordet.
Artemis Meron, Auschwitz-Überlebende
"Das Schlimmste war, als wir Gerüchte hörten. Als wir fragten, warum wir niemanden aus unserer Familie sehen konnten, von der uns die Deutschen nach unserer Ankunft getrennt hatten. Und dann erfuhren wir die Wahrheit. Man sagte uns “Siehst du den Rauch nicht aufsteigen?“ Was sollten wir denken? Vielleicht ist es aus der Küche, vielleicht aus der Wäscherei. Wir haben nicht einen Moment an Krematorien gedacht. Und dann sagte ich mir: "Wofür lohnt es sich noch zu leben, selbst wenn der Krieg vorbei wäre?"
Auschwitz bestand aus dem Stammlager Auschwitz I, Birkenau (Auschwitz II) und Monowitz (Auschwitz III). Die Dimension dieser Todesmaschinerie wurde den Befreiern erst nach und nach bewusst. Sie fanden Vorräte von Zyklon B, mit dem in den Gaskammern gemordet wurde – und die Gasmasken, die die Mörder trugen. Erste Experimente mit Zyklon B gab es schon 1941 – die systematische Vergasung begann 1942 in Birkenau –, zur gleichen Zeit war in Berlin ein Masterplan der SS-Spitze und hochrangiger Regierungsbeamter für die Vernichtung der europäischen Juden besprochen worden.
Die Baupläne zeigten die Architektur des Bösen. Die widerwärtig-perfektionistische Planung der Gaskammern und Krematorien. Die Nazis zwangen jüdische Gefangene, den Leichen nach der Gaskammer sofort die Goldzähne herauszubrechen. Das Zahngold hat man direkt im Krematorium eingeschmolzen und an die Reichsbank nach Berlin geschickt.
Ignacy Golik, Auschwitz-Überlebender
"Ich erinnere mich, dass einer von ihnen ein Unteroffizier der SS war, der als Zahnarzt in Auschwitz arbeitete, wo es eine Zahnarztstation gab. Er hat dort gearbeitet. Er wurde an der deutsch-schweizerischen Grenze mit 15 Kilo Gold gefangen."
Die sowjetische Sonderkommission in Auschwitz begann im Februar 1945 die Beweisführung für die Kriegsverbrecherprozesse. Auch mit Unterlagen wie den Bauplänen. Die KZ-Anlagen waren laufend ausgebaut worden. Technokraten planten den kontinuierlichen Massenmord bis ins Detail.
Um noch mehr Juden ermorden zu können, entwickelten sie spezielle Krematorien mit erhöhter Verbrennungsleistung. Bis zum Schluss mordete die SS so häufig, dass die Gaskammern und Krematorien überlastet waren. Viele Leichen wurden zusätzlich in Gruben verbrannt. An den Öfen der Krematorien mussten Gefangene der sogenannten Sonderkommandos die Leichen verbrennen. Eine der furchtbarsten Aufgaben im KZ.
Henryk Mandelbaum, Auschwitz-Überlebender
"Man legt die Leiche auf die Trage, dann auf die Rollen und schiebt sie in den Ofen. Und es gab einen Typen, der eine Art Gabel hatte, aber so eine lange, von dieser Dicke - wie dieser Draht. Sie wurde am Ende geteilt und er schob sie durch den Schritt. Warum? Damit die Beine nicht herausragen, damit du die Türen schließen kannst."
Das Morden passierte Tag für Tag. Tote über Tote. Hunderte, Tausende, Zehntausende, Hunderttausende. Hinter den Todeszahlen verschwanden die Menschen, ihre Würde, ihre Geschichte, ihre Einzigartigkeit, ihr Recht, zu leben.
Auschwitz war in den Augen der SS das Vorbild für Konzentrationslager: Menschen vernichten und maximal ausbeuten. Wer nicht sofort vergast wurde, wurde registriert, geduscht, geschoren, mit Nummern tätowiert, in Baracken gesteckt und musste im Industriekomplex 12 Stunden täglich schwerste Zwangsarbeit leisten. Der deutsche Konzern IG Farben hatte hier ein Werk errichtet. Auschwitz war ein Arbeitssklavenmarkt. Die Nazis kassierten dafür den Lohn. Das Konzept lautete „Vernichtung durch Arbeit“.
Permanent fanden auch hier Selektionen statt. Wer zu schwach war, wurde vergast und durch neu ankommende Häftlinge ersetzt. Wer hier drei oder vier Monate überlebte, gehörte schon zu den älteren Häftlingen. Konsequent wurde jedes Opfer bis aufs Letzte ausgebeutet. In den Magazinen fand man ihre Koffer und Habseligkeiten, die man den Menschen direkt nach der Ankunft weggenommen hat. Die Sachen wurden sortiert und dann in Deutschland weiterverwertet. Ein Millionengeschäft.
Gezählt wurden bei der Befreiung 348.820 Herrenanzüge und 836.255 Damenkleider und -mäntel.
Die Hinterlassenschaften der Opfer. Berge von Schuhen.
Den meisten in Auschwitz Ankommenden hat man die Haare geschoren. Den Lebenden und auch den Toten. Man fand noch sieben Tonnen Menschenhaar, sortiert und verpackt, das nach Schätzungen von 140.000 Frauen stammte. Die Frauenhaare wurden zu Garn verarbeitet oder zu Industriefilzen. Dafür gab es genaue Anweisungen des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts.
Tödliche Stacheldrahtzäune, mit Starkstrom von bis zu 2.000 Volt geladen, sicherten die Hölle von Auschwitz. Flucht war fast unmöglich. Es gab nur einen größeren Häftlingsaufstand Oktober 1944, bei dem ein Krematorium teilweise zerstört wurde, aber er scheiterte. Alle daran Beteiligten wurden getötet.
Die Soldaten der Roten Armee fanden Kinder, viele Zwillinge. Später wurde klar, dass es nur ganz wenige waren, die überlebt hatten. Denn die SS ermordete die in Auschwitz ankommenden Kinder sofort in den Gaskammern. Mit Ausnahme der Kinder, die Dr. Josef Mengele für seine bestialischen medizinischen Experimente missbrauchte. Der „Todesengel von Auschwitz“ quälte besonders Zwillinge. Sowjetische Ärzte fanden die Nummernstempel, extra kleine für die Kinder. Unter den überlebenden gequälten Kindern von Auschwitz war auch Vera Kriegel Grossman.
Vera Kriegel Grossman, Auschwitz-Überlebender
"Am Ende der Kaserne befand sich ein Käfig, wie ein Tierkäfig, in den man Affen, Kaninchen, ich weiß nicht, Tiere steckte. Zieh dich aus, setz dich“. Meine Mutter, wir - meine Schwester und ich - und ein weiteres Paar eineiiger Zwillinge, etwas älter als wir -vielleicht zehn Jahre alt. Ungefähr zwei Wochen lang kamen Mengele und sein Team vorbei, um uns Injektionen in den Rücken und Injektionen in die Wirbelsäule zu geben. Von diesen Injektionen bekamen wir schreckliche Symptome, Erbrechen und hohes Fieber, und natürlich war es furchtbar schmerzhaft. Und es war verboten, zu weinen. Wer geweint hat, wurde geschlagen. Kein Weinen. Man wird zu einem Stein."
Gerichtlich-medizinische Sachverständige untersuchten die Häftlinge. Sowjetische Gerichtsmediziner nahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft an vielen Leichen Untersuchungen vor, um die Todesursachen für die Anklage zu ermitteln. Denn nach der Sprengung der Krematorien und Gaskammern legte die SS Massengräber an. Statt zu vergasen wurde erschossen, erhängt, Gift gespritzt. Die meisten jedoch sind verhungert.
Die Gesichter der Überlebenden spiegelten das unermessliche Leid. Vierzigjährige sahen aus wie Greise. Überlebende beschreiben viel später, dass sie zwar Auschwitz verlassen haben, aber Auschwitz sie nie verlassen hat.
Von 1940 bis 1945 wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz ermordet. Insgesamt töteten die Deutschen etwa sechs Millionen jüdische Menschen in der Schoa.