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Bermuda-Dreieck: Versunken und erlogen

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Bermuda-Dreieck Versunken und erlogen

Fünf Flugzeuge verschwinden, was bleibt, ist eine Legende. 1945 startet eine Staffel amerikanischer Torpedobomber und kehrt nie zurück. Es ist die Geburtsstunde des Bermuda-Mythos. Seitdem kursieren die wildesten Schauermärchen über das Gebiet im Atlantik - und eine einfache Erklärung.
Von Franziska Felber

"Alle Flugzeuge bleiben dicht zusammen ... wenn kein Land kommt, müssen wir notwassern ... fällt der erste Flieger unter zehn Gallonen, gehen wir gemeinsam runter."

Am 5. Dezember 1945 um 18.20 Uhr fing der Marinestützpunkt von Fort Lauderdale diesen Funkspruch auf. Flug 19, eine Staffel von fünf Torpedobombern des Typs TBF Avenger, war um 14.10 Uhr auf einen routinemäßigen Übungsflug aufgebrochen und hatte sich offenbar im Luftraum östlich der Florida Keys verirrt. Verrauschte Funkfetzen ließen die Basis vermuten, dass etwas mit den Navigationsinstrumenten der Maschinen nicht stimmte. Gegen 18.30 Uhr wurde ein Flugboot ausgesandt, um die Staffel aufzuspüren. Eine Stunde später machen sich zwei weitere Rettungsflieger auf die Suche nach den verlorenen Bombern.

Sechs Tage dauerte die Aktion, sogar ein Flugzeugträger wurde hinzugezogen - ohne Ergebnis. Keine Wrackteile, nicht einmal ein Ölteppich, wurden gefunden. Die Flugzeuge waren mitsamt der 14-köpfigen Besatzung wie vom Meeresboden verschluckt. Doch es kam noch schlimmer. Eines der Suchflugzeuge, eine Martin Mariner eine für Notfälle auf hoher See ausgestattete Maschine, die auch bei hohem Wellengang auf der Meeresoberfläche landen konnte ging mit 13 Mann an Bord ebenfalls verloren - ohne vorher Schwierigkeiten gemeldet zu haben.

Mit dem spurlosen Verschwinden der sechs Maschinen östlich der Bermuda-Inseln wurde einer der größten Mythen des 20. Jahrhunderts geboren. Seit dem mysteriösen Zwischenfall ist der Flecken Ozean vor der Ostküste Floridas berühmt und berüchtigt als Bermuda-Dreieck. Dort sollen mehr Schiffe und Flugzeuge im Meer verschwunden sein als irgendwo sonst auf der Welt.

Tragisches Unglück oder eine Verschwörung von Außerirdischen?

Das zumindest behaupten Sensationsreporter und Verschwörungsfans. Zeitungsartikel und Fachliteratur der vergangenen Dekaden befeuern mit ihren Berichten und Theorien zu dem Phänomen die Debatte weiter. Wurden Schiffe, Flieger, Menschen vielleicht von plötzlich aufwallenden Monsterwellen verschlungen? Oder versackten sie in riesigen Methangasblasen, die der Meeresboden ausspuckte? Für beide Theorien gibt es keine Beweise. Dafür aber noch gewagtere Thesen: etwa Seeungeheuerattacken, Wurmlöcher oder auf dem Meeresgrund campierende Außerirdische mit einer Sammelleidenschaft für Menschen.

Keine Frage: Kaum ein Ort auf der Erde beflügelt die Phantasie der Menschen so sehr wie das Bermuda-Dreieck. Doch wie kam es überhaupt zu seinem Ruf als Magnet für das Unerklärbare?

Für die Marine und Öffentlichkeit blieb das Verschwinden von Flug 19 zunächst ein tragisches Unglück. Weil sich aber in den folgenden Jahren in den USA die Ufo-Sichtungen mehrten, stieg die Bereitschaft der Bürger, an übersinnliche Ursachen für ungeklärte Vorkommnisse zu glauben.

Drei Artikel zementierten die Legende vom Bermuda-Dreieck.

Am 16. September 1950 veröffentlichte die Presseagentur Associated Press eine Meldung, in der Korrespondent Edward van Winkle Jones über mehrere Flugzeuge und Schiffe berichtete, die unter geheimnisvollen Umständen im Bereich der Bermuda-Inseln verschwunden waren - darunter auch Flug 19.

Ein Fenster zum Kosmos

1962 widmete Allan W. Eckert in der April-Ausgabe von "American Legion", einem Magazin für Militärveteranen, erstmals einen ganzen Artikel allein dem Phänomen "Flug 19". Der Autor würzte seine Geschichte mit allerhand spektakulären Zitaten. So soll der Staffelführer, kurz bevor die Verbindung abriss, ins Funkgerät gestammelt haben: "Wir tauchen in weißes Wasser ein, nichts scheint richtig." Ein Offizier des Stützpunktes wurde mit der Behauptung zitiert "sie sind zum Mars geflogen". In den Militärakten fanden sich diese Aussprüche freilich nicht.

Im Jahr 1964 dann erhielt das Grauen seinen Namen - von Vincent Gaddis, der seinen Artikel "The Deadly Bermuda Triangle" im Pulp-Magazin "Argosy" veröffentlichte. Gaddis fügte dem Fall um Flug 19 rund 20 weitere Begebenheiten mysteriöser Schwunde hinzu, die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichten. Dabei hielt er sich mit Interpretationen weitgehend zurück, merkte allerdings an, ein DC-6-Flug sei vor der Küste Floridas einmal beinahe mit einem rätselhaften leuchtenden Objekt zusammengestoßen. Und er orakelte: "Bevor dieser Artikel in Druck geht", werde diese unheimliche Gefahr, "vielleicht wieder zuschlagen, ein Flugzeug oder Schiff verschlingen oder ein Wrack ohne Leben an Bord zurücklassen."

Zum Popstar der Fangemeinde unerklärlicher Phänomene wurde das Bermuda-Dreieck erst 1974 - mit dem unglaublichen Erfolg des Buchs "Das Bermuda-Dreieck. Fenster zum Kosmos?". Der amerikanische Autor Charles Berlitz reihte darin Dutzende geheimnisumwitterte Fälle von vermissten Schiffen und Flugzeugen auf. Erstmals erwähnte er auch Ereignisse, bei denen Frachter ohne Mannschaft an Bord gefunden wurden, nur noch bewohnt von Hunden, Katzen oder Kanarienvögeln.

Entführt von Aliens

Eine Erklärung lautete, dass Schiffe sich während eines Sturms im Hafen losgerissen hatten und auf das Meer hinausgetrieben waren. Doch für Berlitz war klar: Nur Außerirdische konnten für das Verschwinden der Menschen verantwortlich sein. Als Berlitz herausfand, dass in einem Fall ein sprechender Papagei mitsamt der Mannschaft untergegangen sei, sponn Berlitz sein interstellares Seemannsgarn sogar noch weiter. Die Mannschaft sei gewaltsam entführt worden, vermutlich "von Wesen, die nur der Sprache mächtige Individuen gebrauchen können", behauptete er.

"Spacenapping" nannte Berlitz das. Der Jäger des Paranormalen vermutete, dass die Aliens Fenster oder gar Türen zu einer anderen Dimension nutzten, die sich in der Region des Bermuda-Dreiecks auftaten. Warum die Außerirdischen das tun sollten, wusste Berlitz natürlich auch: Die Menschen würden "für einen Weltraumzoo gebraucht".

1975 schrieb der SPIEGEL über den hanebüchenen Bestseller: "Erklärungen bietet Berlitz mehr an, als der Verstand verkraften kann." Trotzdem wurde in dem Artikel eifrig nach der einen merkwürdigen Ursache für alle Unglücke gefahndet. Andere Medien können sich der Faszination von Berlitz' Werk noch weniger entziehen: Das "Hamburger Abendblatt" etwa berichtet im selben Jahr von "dokumentarisch geschickt gefassten Schilderungen", die "Welt" gar von "wohltuender Distanz". Zwei Jahre später reist eine Expedition in das Gewässer mit dem Ziel, das Geheimnis endlich zu lüften. Mit an Bord: Charles Berlitz und Löffelverbieger Uri Geller. Wie die "Süddeutsche Zeitung" 1977 schrieb, fühlte der Fernsehmagier in der Region seine Sinne "weit ausschlagen".

Das Rätsel von Fort Lauderdale

Bis heute verkaufte sich Berlitz' Buch auf wundersame Weise weltweit Millionen Mal - und das, obwohl immer wieder Spielverderber mit logischen Erklärungen für das Verschwinden der Schiffe und Flugzeuge die illustre Runde von selbsterklärten Bermuda-Dreieck-Experten aufmischten.

Das Totschlag-Argument lieferte der Autor Lawrence David Kusche bereits 1975 in seinem Buch "Die Rätsel des Bermuda-Dreiecks sind gelöst!" geliefert. Er wertete Statistiken über Unglücke auf den Weltmeeren aus und stellte fest, dass es gar keine ungewöhnliche Häufung im Bermuda-Dreieck gebe. Die Suche nach der einen Theorie, analysierte Kusche trocken, sei "etwa genauso logisch wie beispielsweise zu versuchen, für alle Autounfälle in Arizona ein und denselben Grund verantwortlich zu machen". Das Buch verkaufte sich bei weitem nicht so gut wie Berlitz' Verschwörungsschinken. Kusches nächste Veröffentlichung war ein Kochbuch mit Popcorn-Rezepten.

So bleibt das größte Phänomen in Sachen Bermuda-Dreieck wohl die Frage, warum ausgerechnet Flug 19 zum Auslöser für den Triangel-Hype wurde. Denn zusammen mit den fünf Maschinen der berühmten Staffel verschwanden von 1942 bis 1946 insgesamt 94 Flieger. Sie alle waren zu Trainingszwecken vom Marinestützpunkt in Fort Lauderdale gestartet.

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