Fotostrecke

Mockbuster: "Transformers"? Nein, "Transmorphers"!

Blockbuster-Kopierer Hollywoods Müllmeister

Sie sind die schlechtesten Filmemacher Hollywoods - und damit auch noch erfolgreich: Mockbuster-Produzenten klauen schamlos die Storys von Blockbustern wie "Fluch der Karibik" und bringen irre Billigversionen auf den Markt. einestages zeigt die dreistesten Kopien und ihre geschändeten Vorbilder.

Der Eingang zum Paralleluniversum befindet sich in einem unscheinbaren Industrieviertel am Rand von Los Angeles. In einem Klinkerbau in der Palm Avenue 72, der sich sieben Kilometer entfernt vom Walk of Fame zwischen die anderen Gebäude duckt, wird Hollywood ein Zerrspiegel vorgehalten. Der Blockbuster "Transformers" heißt dort "Transmorphers" und wurde nicht von Michael Bay gedreht. Statt dem Filmstar Shia LaBeouf spielt ein völlig Unbekannter namens Matthew Wolf die Hauptrolle. Und seine Premiere wird "Transmorphers" nicht im altehrwürdigen Chinese Theatre in Los Angeles haben, sondern im Regal einer Videothek. Dafür gibt es eine Nebenhandlung mit Lesbierinnen.

Das Gebäude mit dem Charme eines Lagerhauses ist das Hauptquartier von The Asylum. Die Filmfirma verdient ihr Geld mit der Produktion sogenannter Mockbuster - frei übersetzt bedeutet der Begriff "gefälschter Blockbuster". Das Prinzip ist einfach: Zum Start des Kinofilms "Snakes On A Plane" lancierte The Asylum "Snakes On A Train". Als Peter Jacksons "King Kong" in die Kinos kam, produzierte The Asylum den Riesenaffenfilm "King Of The Lost World". Der billige Zwilling von "Terminator: Die Erlösung" heißt schlicht "The Terminators" und der von "I Am Legend", dem Endzeit-Abenteuer mit Will Smith, "I Am Omega". Auf Roland Emmerichs Zeitreise "10.000 B.C" antworteten die Mockbuster-Macher mit dem Dino-Drama "100 Million B.C.".

Den Begriff Mockbuster mag David Daniel Latt trotzdem nicht. Der Chef von The Asylum bevorzugt die Wendung "Tie-Ins" - also Filme, die lediglich an die Geschichte ihrer millionenschweren Vorbilder anknüpfen, statt sie zu kopieren. Auch wenn seine Produktionen in der Öffentlichkeit als Namensvetter der Blockbuster aufträten, seien es doch ganz andere Geschichten. "Ich will niemanden kopieren", erklärte er 2007 der "New York Times", "ich will nur, dass meine Filme angesehen werden." Andere Studios hätten schließlich auch Roboterfilme produziert, als "Transformers" erschien. "Sie sind dabei nur etwas subtiler und nennen ihre Version 'Robot Wars'."

Ein Titel, ein Plakat, zwölf Drehtage

Das Geschäftsmodell ist angeblich einem Zufall geschuldet. Als 2005 Steven Spielbergs "Krieg der Welten" herauskam, hatte The Asylum auch gerade einen Film nach H.G.Wells Sci-Fi-Klassiker produziert. Vor allem deshalb, weil die Rechte an der Vorlage längst abgelaufen sind und so jeder, der mag, die Geschichte verwursten darf. Einige Tage vor dem Start des Kinohits mit Tom Cruise bestellte die Videothekenkette "Blockbuster" plötzlich 100.000 DVDs bei der Mini-Produktionsfirma - achtmal mehr als je zuvor. Denn bis dahin hatte sich The Asylum auf die Produktion von Billig-Horrorstreifen für den DVD-Markt beschränkt, eine absolute Nische im Filmgeschäft.

Fotostrecke

Mockbuster: "Transformers"? Nein, "Transmorphers"!

Zum Hollywood-Mogul ist Latt mit der neuen Strategie dennoch nicht geworden: In bester Manier von B-Film-Legenden wie Roger Corman ("Little Shop Of Horrors", "The Trip") werden die Geschichten weiterhin für ein Budget von weit unter einer Million Dollar gedreht. Laut dem Firmenchef fließen die Einnahmen des einen Films direkt in die Produktion des nächsten.

Bei einem so engen Budget wird für die Regisseure jeder Dreh irgendwas zwischen einer Herausforderung und dem schieren Wahnsinn. Jack Perez, der für The Asylum 2009 den Megamonsterkracher "Mega Shark vs. Giant Octopus" gedreht hat, verriet dem "Guardian" das Rezept für die Entstehung eines The-Asylum-Films: "Sie geben dir einen Titel, ein Plakat, ein paar Schauspieler, eine grobe Idee für die Handlung und zwölf Drehtage." Er habe Freunde, die große Filme drehen und sich beschweren, wenn sie an einem Tag eine Drehbuchseite drehen müssten, bei der zwei Leute auf einer Parkbank sitzen und sich unterhalten. "Ich antworte denen nur: Verarschst du mich? Ich werde heute auf einem Schnellboot drehen, dann in einem U-Boot und dann jage ich Mount Rushmore in die Luft."

"Sind die alle besoffen oder was?"

Nicht nur die irrwitzige Produktionsweise erinnert an den Kultfilmer Corman. Auch die Idee, sich an einen Erfolgsfilm dranzuhängen, hatte der Meister des B-Movie schon lange vorher. Als "Der weiße Hai" 1975 die Kassen klingeln ließ, machte Corman "Piranha". Kurz darauf produzierte er nach dem Erfolg von "Star Wars" den Weltraummärchen-Abklatsch "Sador - Herrscher im Weltraum". Schon 1959 ließ er auf den Horrorklassiker "Die Fliege" von 1958 seinen Insektenthriller "Die Wespenfrau" folgen.

Doch während bei Corman mit seiner sicheren Hand für das Filmemachen immer wieder Meisterwerke des Low-Budget-Kinos herauskamen, hinterlässt die preisgünstige Produktionsweise bei den The-Asylum-Filmen wüste Spuren: Einfach alles an den cinematografischen Schnellschüssen wirkt billig. Die Storys werden beherzt aus bekannteren Filmen zusammengeklaubt. "The Terminators" etwa bedient sich an seinem titelgebenden Vorbild aber auch an "Kampfstern Galactica" und dem Sci-Fi-Werk "Westworld". Die Dialoge sind oft hölzern, wirr - und im besten Fall selbstironisch. "Was ist hier los? Sind die alle besoffen oder was?", fragt etwa eine Darstellerin in "King Of The Lost World", als der Riesenaffe King Kong mit seinen Pranken reihenweise Kampfjets vom Himmel holt. Überhaupt irren die Schauspieler durch die Szenen wie die Laiendarsteller eines Krippenspiels. Und die Computereffekte der Filme - Roboterkrieger, Monster, Urzeitechsen und Raumschiffe - sehen aus, als hätte sie ein Teenager auf seinem Heimcomputer verbrochen.

Trotzdem haben die Produktionen ihre Käufer. Schaut man sich die Filmbesprechungen im Netz an, zeigt sich, dass sich die Gemeinde der Mockbuster-Connaisseure aus drei Gruppen zusammensetzt: Trash-Fans, für die der Irrwitz der Billigproduktionen eine willkommene Abwechslung zu den glattgebürsteten Blockbustern ist. Genügsame Gewohnheitstiere, die nach dem Genuss der echten "Transformers" einfach Lust auf noch mehr Robofilme haben - egal, wie mies die aussehen. Und eine kleine Gruppe von Käufern, die beim Griff ins DVD-Regal nicht so genau hingeschaut haben und sich später betrogen fühlen. Diese Mischkalkulation scheint zu funktionieren. Laut Firmenchef Latt spielt jeder der Filme innerhalb von etwa drei Monaten seine Kosten wieder ein. Zwölf Produktionen im Jahr kommen heraus - jeden Monat eine. Die meisten von ihnen Mockbuster, die kurz vor dem Kinostart ihrer Vorbilder in den Videotheken und Technikmärkten stehen.

Geklaute Filmszenen, illegale Fortsetzungen

Eine besonders absurde Form des Mockbusters gab es schon lange bevor The Asylum das Geschäft professionalisierte: die illegale Fortsetzung. So kam 1990 in Italien der Film "Terminator II" heraus - ein volles Jahr, bevor das echte Sequel von James Cameron in den Kinos lief. Gedreht wurde der Film von dem italienischen Exploitation-Regisseur Bruno Mattei, in dessen Filmografie Werke wie "SS Extermination Love Camp" oder "Women's Prison Massacre" zu finden sind. Und Mattei trieb es sogar noch dreister: Für "Der weiße Hai 5" bediente er sich einfach an Szenen aus Steven Spielbergs Original.

Als absoluter Höhepunkt der Mockbuster-Kultur und des schlechten Geschmacks gilt vielen Filmfans jedoch ein türkischer Film namens "Dünyayi Kurtaran Adam". Das Machwerk ist besser bekannt unter dem Titel "Turkish Star Wars" und wird als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten gehandelt. Dabei sind die Weltraumschlachten und der Soundtrack gar nicht übel. Kein Wunder. Die Raumschiffduelle hat der Regisseur aus "Star Wars" geklaut, die Filmmusik zockte er aus "Planet der Affen", "Flash Gordon" und "Indiana Jones".

Und wie reagieren große Filmfirmen auf die dreisten Kinofilm-Kopierer? "Nur einmal haben wir einen Brief bekommen", behauptet Latt. Der Schriftzug auf dem DVD-Cover sei den Produzenten des Originals einfach zu ähnlich gewesen. "Wir haben uns bereit erklärt ein paar kleine Veränderungen vorzunehmen und das war's."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren