
Botschaftsbesetzung in Teheran: Kampf um "Operation Adlerkralle"
Botschaftsbesetzung in Teheran Kampf um "Operation Adlerkralle"
Noch bevor die Sonne wie ein glühender Feuerball über dem Golf von Oman aufging, hoben die acht amerikanischen CH-53-Hubschrauber von dem Flugzeugträger USS "Nimitz" ab und nahmen Kurs Richtung Norden. Ihr Ziel: die sechs Flugstunden entfernte Salzwüste Dascht-e Kawir in Iran, einer der trostlosesten Plätze der Welt. Dort wartete in tiefschwarzer Nacht ein Team aus mehreren Dutzend US-Elitesoldaten, die Transport-Maschinen bereits abgesetzt hatten.
Es war der 25. April 1980, und wäre die anlaufende Operation "Eagle Claw" gut ausgegangen, würden die Amerikaner heute mit Stolz von der wohl spektakulärsten Geiselbefreiung der Weltgeschichte sprechen. Denn das Kommando sollte nach Teheran eindringen und über fünfzig amerikanische Diplomaten, Angestellte und Marines befreien - seit Monaten Geiseln der Anhänger von Ajatollah Chomeini, nach dem Sturz des Schahs im Januar 1979 der neue starke Mann in Iran. Seine Gefolgsleute hatten am 4. November 1979 die US-Botschaft in Teheran gestürmt und das Personal festgesetzt, um eine Auslieferung des geflohenen Schahs zu erzwingen. Der todkranke Monarch ließ sich in den USA behandeln.
Tollkühner Befreiungsplan
Der tollkühne Befreiungsplan sah vor, die Geiseln von einem Flughafen bei Teheran auszufliegen, den amerikanische Militärs im Handstreich kapern wollten. Doch die Spezialeinheit kam nie bis in die Hauptstadt. Sandstürme zwangen einen der Hubschrauber bereits auf dem Flug in die Salzwüste zur Umkehr; ein weiterer musste notlanden. Als auch noch ein dritter Helikopter mit Hydraulikproblemen ausfiel, brach US-Präsident Jimmy Carter die Operation ab, denn die Militärs benötigten mindestens sechs Maschinen.
Schon das war eine Katastrophe. Zum Desaster wurde die Operation, als beim Start zum Rückflug ein Hubschrauber und eines der Transportflugzeuge kollidierten und beide ausbrannten. Acht Soldaten starben, zwölf wurden verletzt. Am nächsten Tag gingen Fotos von den verkohlten Wracks in der persischen Wüste um die Welt - Sinnbild für die beispiellose Demütigung der Supermacht durch eine Horde bärtiger islamischer Fundamentalisten, die sich um das Völkerrecht nicht scherten. Mit ihnen musste Carter nun verhandeln. Erst im Januar 1981 kamen die Opfer frei.
Viele Amerikaner sehen in der Geiselkrise bis heute das Symbol für den Kampf der Kulturen. Sie markiert den Beginn der immer noch andauernden Feindschaft zwischen Washington und den Teheraner Mullahs. Jimmy Carter kostete die Geiselnahme die Präsidentschaft - er wurde im November 1980 abgewählt, Ronald Reagan trat an seine Stelle.
Unbekannte Rolle der Deutschen
Weitgehend unbekannt ist dabei geblieben, dass das Drama um die Männer und Frauen in der Teheraner US-Botschaft zahlreiche deutsche Facetten aufwies. Viele der jungen Männer um Chomeini hatten in der Bundesrepublik studiert und brachten Bonn ein gewisses Vertrauen entgegen. Als das neue Regime dem geschassten Schah einen Brief zukommen lassen wollte, bat man die Bundesregierung um Hilfe. Der Iran-Experte des Auswärtigen Amtes, Norbert Montfort, spielte daraufhin den Boten und brachte das verschlossene Kuvert in ein Militärhospital in Texas, in dem der Schah behandelt wurde. Doch der Monarch lehnte eine Annahme ab, wie Montfort jetzt erzählt; das Schreiben ging ungelesen nach Teheran zurück, wo Botschafter Gerhard Ritzel es wieder den Mullahs übergab.
Ritzel verfügte als einziger westlicher Botschafter in Irans Hauptstadt über ausgezeichnete Verbindungen zum Revolutionsrat. Chomeini hielt dem Diplomaten besonders zugute, dass er die Mullahs vor einem Killer-Kommando gewarnt hatte, dem auch ein Deutscher angehörte. Die Männer wollten im Auftrag des Schahs Chomeini umbringen. Der Tipp von Ritzel verhinderte das Attentat.
Der deutsche Botschafter wurde auch deshalb zum gesuchten Mittelsmann zwischen Iranern und Amerikanern während der Geiselkrise. Ritzel sorgte dafür, dass wichtige Botschaften der Amerikaner entsprechende Stellen in Teheran erreichten; seine Drahtberichte und Beurteilungen überließ das Auswärtige Amt oft dem State Department. US-Außenminister Edmund Muskie ließ sich von Ritzel sogar persönlich unterrichten. Zeitweise fanden die Geheimverhandlungen zwischen Iranern und Amerikanern über die Freilassung der Geiseln auf Bitten Teherans sogar in Bonn statt - im Gästehaus des Auswärtigen Amtes auf dem Venusberg.
Kühler Kanzler
Solche Hilfsdienste leisteten die Deutschen allerdings nicht nur, um den Geiseln zu helfen. Sie wollten auch kompensieren, dass sich die Bundesregierung amerikanischen Wünschen auf einem anderen Feld hartnäckig verweigerte. Denn seit der Geiselnahme am 4. November 1979 verlangte Carter von den Verbündeten, Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu verhängen. Er hatte vor allem die sozial-liberale Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt im Visier; kein anderes westeuropäisches Land pflegte derart umfangreiche Handelsbeziehungen zum Mullah-Regime wie die Bundesrepublik.
Genau aus diesem Grunde wollte Schmidt allerdings nicht mitziehen. Wie Carter später berichtete, reagierte der Kanzler im Vergleich zu Briten und Franzosen "am kühlsten", als ihn der Präsident anrief. Man solle "bei unserer eigenen Interessenlage unseren Kopf nicht weiter herausstecken als andere", fand Schmidt - und verwies gegenüber den Amerikanern auf langwierige Abstimmungsprozesse in der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG). Wie die Carter-Leute beobachteten, gab es nur ein Motiv, das Schmidt zum Handeln bewegen konnte: die Sorge, dass die USA den Iran angriffen.
Und so versuchte der US-Präsident im Winter 1979/80 die Deutschen zu Sanktionen "zu ängstigen" (Carter-Berater Hamilton Jordan). Seine Abgesandten drohten, Washington werde "andere" Maßnahmen gegenüber Teheran ergreifen, wenn Bonn nicht folge. Schmidt hielt Carter schon seit langem für "naiv" und "inkompetent" und glaubte daher sofort den Andeutungen. Die USA verhielten sich "dumm und nervös", schimpfte der Kanzler.
Eskalation wie im Sommer 1914?
Gleich mehrfach verglich er im Frühjahr 1980 die weltpolitische Lage mit dem Sommer 1914, als der Erste Weltkrieg begann. Doch zu Sanktionen war der Sozialdemokrat paradoxerweise erst bereit, als es zu spät war. Am 12. und 13. April einigten sich zwar die Koalitionsspitzen intern darauf, den amerikanischen Wünschen zumindest teilweise auch dann nachzukommen, wenn nach den anstehenden Beratungen die anderen Europäer sich verweigerten.
Was die Bonner nicht wussten: Am Tag zuvor hatte Carter genau das beschlossen, was die Deutschen eigentlich verhindern wollten - nämlich ein Abweichen vom Sanktionspfad. Der US-Präsident glaubte nicht mehr daran, dass die Verbündeten wirkungsvolle Strafmaßnahmen gegen die Teheraner Geiselnehmer verhängten. Als der stellvertretende US-Außenminister Warren Christopher in der entscheidenden Sitzung dafür plädierte, weiter auf die Europäer zu warten, wischte Carter den Einwand vom Tisch. Er setzte nun auf das riskante Befreiungskommando mit allen Möglichkeiten einer Eskalation.
Von dem Beschluss informierte Carter freilich nur die Briten. Und so erfuhr die Bonner Bundesregierung von Operation "Eagle Claw" erst, als diese gescheitert war. Am Morgen danach aus dem Radio, was die Deutschen besonders empörte. Mehrfach hatte die Bundesregierung vor so einem Kommandounternehmen gewarnt. Die Anti-Terror-Gruppe des Bundesgrenzschutzes hatte die Geiselnahme im Rahmen ihres Ausbildungsprogramms nachgestellt - und war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befreiungsaktion nur innerhalb ersten beiden Wochen eine Chance gehabt hätte. Als der Kanzler wenige Stunden nach dem Bekanntwerden des Desasters den polnischen Vizepremier Tadeusz Wrzaszczyk empfing, war er immer noch derart in Rage, dass er schimpfte, er werde in Zukunft an die Grenzen dessen gehen, was mit der Loyalität zu den Amerikanern zu vereinbaren sei.
Im Drama von Teheran blieb Schmidt diese Nagelprobe allerdings erspart. Die Geiselnehmer verteilten ihre Opfer nun auf verschiedene Orte; eine erneute Befreiungsaktion schied damit aus. Carter war endgültig auf Verhandlungen mit Teheran angewiesen - auf den Weg also, den die Deutschen von vorneherein befürwortet hatten. Immerhin kamen die gefangenen Amerikaner schließlich auch so äußerlich unverletzt nach Hause.
Allerdings erst nach insgesamt 444 Tagen.
Klaus Wiegrefe ist SPIEGEL-Autor und Verfasser des Buches "Das Zerwürfnis. Helmut Schmidt, Jimmy Carter und die Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Propyläen Verlag, Berlin 2005.