Augenblick mal! Punktlandung

Ein Bild, zu spektakulär, um echt zu sein? Der Brite Jim Meads hielt 1962 den Absturz eines Kampfjets fest. Den Schuss seines Lebens nahmen ihm viele nicht ab.
Foto: ullstein bild

Auch wenn es so wirkt: Das Foto ist keine Montage, das Bild nicht inszeniert. Denn weder war der seinerzeit brandneue britische Abfangjäger dafür gebaut worden, mal eben bei einer solchen Aktion verschrottet zu werden, noch war der Ausstieg per Schleudersitz für den Piloten ungefährlich. Wie aber ist es gelungen, den dramatischen Moment eines Flugzeugsabsturzes mit der Kamera festzuhalten - noch dazu in perfekt komponiertem Bildaufbau mit Traktorfahrer im Vordergrund?

Als Fotograf Jim Meads das Bild 1962 der britischen Boulevardzeitung "Daily Mail" anbot, lehnte diese ab - sie hielt es für eine Fälschung. Der "Daily Mirror" hingegen kaufte die Aufnahme des senkrecht zu Boden gehenden Kampfjets vom Typ English Electric Lightning. Er zahlte Meads dafür 1000 Pfund, gemessen an der Kaufkraft von heute mehr als 20.000 Euro. Offenbar erkannten die Zeitungsmacher, dass es sich um einen ganz und gar einmaligen Schuss handelte.

Etwas so Spektakuläres hatte Meads gar nicht im Sinn gehabt, als er sich am 13. September 1962 mit seiner Kamera und seinen Kindern auf einen Spaziergang zum nahegelegenen Flugplatz der De Havilland Aircraft Company in Hatfield bei London begab. Von seinem Nachbarn, einem Testpiloten bei De Havilland, hatte er gehört, dass dieser an jenem Tag eine Lightning, zu Deutsch "Blitz", fliegen würde. Das Kampfflugzeug mit dem markanten, ausgeschnittenen Deltaflügel konnte doppelte Schallgeschwindigkeit erreichen. Meads, hauptberuflich Jagdfotograf, wollte versuchen, die Maschine zusammen mit seinen Kindern auf ein Bild zu bekommen, wenn die Lightning in Hatfield zur Landung ansetzte.

Es kam anders: Meads war gerade in ein Gespräch mit dem Traktorfahrer Mick Sutterby verwickelt, der die Grünflächen um den Flugplatz pflegte und den Fotografen darauf hinwies, dass sich dieser hier nicht aufhalten dürfe. In diesem Moment hatte Meads schon erspäht, was Sutterby zunächst nur als röhrendes Geräusch  wahrnahm: ein Flugzeug, aus dem etwas hinausgeschleudert wurde, und das kurz darauf senkrecht auf der Landebahn aufschlug und in Rauch und Flammen aufging. Sutterby schaute, Meads fotografierte.

Fotostrecke

Augenblick mal!: Blitz aus heiterem Himmel

Foto:

BEA Systems

Später erfuhr Meads, dass an diesem Tag nicht sein Nachbar die Maschine geflogen hatte, sondern der Testpilot George Aird. Ein Riss im Strahlrohr eines Triebwerks hatte kurz vor der Landung einen Brand ausgelöst, der die Steuerung blockierte. Aird verlor die Kontrolle über den Jet und entschloss sich zum Ausstieg - rund 30 Meter über dem Boden. Das war zwar zu tief für eine halbwegs sanfte Landung mit dem Rettungsfallschirm, aber gerade noch rechtzeitig.

Der Schleudersitz katapultierte Aird durch das Dach eines Gewächshauses, wobei der Pilot sich beide Beine brach und das Bewusstsein verlor. Erst die Beregnungsanlage der Tomaten, so erzählte Aird später, habe ihn geweckt. Zwischen all den Pflanzen habe er zunächst geglaubt, im Himmel zu sein. Seinen Verbleib auf der Erde nutzte er, um nach der Genesung seine Fliegerkarriere fortzusetzen. Nur ein Jahr nach dem Unfall stieg er sogar wieder in eine Lightning.

Das Verteidigungsministerium kassierte Meads' Foto und alle weiteren Aufnahmen von der Unfallstelle zunächst ein. Als es versuchte, die Veröffentlichung unter Verweis auf die Nationale Sicherheit zu verhindern , indem es das Bild mit einer sogenannten Defence Notice, einem Zensurvermerk, versah, sahen die zuvor skeptischen Medien dies als Bestätigung für die Echtheit des Fotos.

Augenblick mal!
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