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Hollywoodstreifen "Die Brücke von Remagen": Drama am Rhein

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Hollywoodstreifen "Die Brücke von Remagen" "Heute kein Dreh wegen Schießereien"

Mitten im "Prager Frühling" ließ ein US-Filmteam 1968 die Panzer rollen: Dreharbeiten für das Weltkriegsdrama "Die Brücke von Remagen". Doch der Anblick vermeintlicher US-Soldaten mit schwerem Kriegsgerät machte die Sowjets nervös.

Detonationen, Schüsse, Rauch. Überall roch und schmeckte es nach Krieg. Seit fast drei Monaten herrschte der Ausnahmezustand in der kleinen Stadt Davle vor den Toren Prags. Amerikanische Soldaten lieferten sich erbitterte Kämpfe mit der Wehrmacht, Panzer, Jeeps und Laster kreuzten pausenlos über die Straßen. Schließlich bliesen die GIs am 18. August 1968 zum Sturmangriff. Der Lärm war ohrenbetäubend.

Dann ertönte eine Sirene. Von einer Sekunde auf die andere war es totenstill. Die Amerikaner legten die Waffen beiseite, die niedergeschossenen Soldaten der Wehrmacht erhoben sich und klopften sich den Staub von den Uniformen. Wenig später saßen GIs und Landser gemeinsam zu Tisch und aßen.

Natürlich führten die Vereinigten Staaten in der Tschechoslowakei an diesem Tag keinen Krieg gegen Deutschland. Was den kleinen Ort Davle in den militärischen Ausnahmezustand versetzt hatte, waren die Dreharbeiten für den Hollywoodstreifen "Die Brücke von Remagen". Der Film handelt vom verzweifelten Kampf einer Handvoll deutscher Soldaten gegen die vorrückenden Amerikaner um eine der letzten noch stehenden Rheinbrücken gegen Ende des Zweiten Weltkriegs: die Ludendorff-Brücke in Remagen.

Was allerdings keiner der beteiligten Schauspieler bei der Mahlzeit ahnte: Die Sowjetunion beobachtete die Dreharbeiten rund um Davle mit äußerstem Argwohn.

"Ein geheimes Waffenlager"

Für Nervosität sorgte die Ansammlung zahlloser vermeintlicher amerikanischer Soldaten und schweren Kriegsgeräts. Der Ostblockstaat Tschechoslowakei befand sich zurzeit ohnehin unter verstärkter Überwachung durch Moskau. Alexander Dubcek, der Generalsekretär der hiesigen Kommunistischen Partei, trat für einen Sozialismus mit "menschlichem Antlitz" ein: Staat und Gesellschaft sollten in diesem als "Prager Frühling" bezeichneten Reformprozess demokratischer werden.

In dieser aufgeheizten Stimmung tummelten sich nun haufenweise Amerikaner in Kriegsmontur vor den Toren Prags? Mit Kampfflugzeugen und Helikoptern überflogen die Sowjets am 22. Juni erstmals den Drehort, um die amerikanischen Panzer genauer in Augenschein zu nehmen. Knapp einen Monat später meldete die sowjetische Zeitschrift "Prawda", dass in der Tschechoslowakei "ein geheimes Waffenlager" gefunden worden sei. Die gefundenen Waffen würden "ihrer Zusammensetzung nach genau der Bewaffnung entsprechen, die notwendig ist, um kleine aufständische Gruppen damit auszurüsten".

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Hollywoodstreifen "Die Brücke von Remagen": Drama am Rhein

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Angetrieben vom Verfolgungswahn Moskaus durchforstete die tschechoslowakische Polizei daraufhin den Filmfundus und stellte die Waffen unter strengste Aufsicht - was die Dreharbeiten massiv behinderte. Knapp eine Woche später sprach die DDR-Nachrichtenagentur "Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst" (ADN) den schwelenden Verdacht unverblümt aus: Die Dreharbeiten seien nur eine Tarnoperation des amerikanischen Geheimdienstes CIA.

Es handele sich um eine "konterrevolutionäre Aktion" zur Unterstützung Dubceks. Amerikanische Spione hätten "verkleidet als Schauspieler, Techniker und Touristen" Waffen und Panzer in die CSSR eingeschleust.

Den Abhang hinunter

Dabei hatte der Filmproduzent David L. Wolper den tschechoslowakischen Ort Davle nur deshalb als Drehort auserkoren, weil die dortige Stahlgitterbrücke über die Moldau der Rheinbrücke bei Remagen wenigstens von Weitem glich. Das idyllische Tal bot die ideale Szenerie für das Drama. Die Waffen und Panzer stammten von der österreichischen Armee und aus dem Fundus der berühmten Filmstudios "Barrandov" in Prag. Insgesamt waren nur knapp 90 Amerikaner am Set. Die Übrigen waren tschechoslowakische Statisten und Techniker.

Der Filmcrew ging es ausschließlich darum, das Drama von Remagen hollywoodkonform ins Bild zu setzen. Am 7. März 1945 hatte die Wehrmacht versucht, den Brückenkoloss in Remagen zu sprengen, um der 9. US-Panzerdivision am anderen Flussufer den Weg abzuschneiden. Knapp 50 Rheinbrücken hatte die Wehrmacht auf diese Weise bereits eliminiert.

Doch der Stahlriese zitterte bei der Sprengung nur einmal kurz, hob sich leicht aus den Halterungen und fiel zurück, woraufhin die Amerikaner am anderen Flussufer zum Angriff übergingen. Das letzte natürliche Hindernis auf dem Weg ins Innere des Deutschen Reichs war damit überwunden. Dass Hollywood sich irgendwann dieses Heldenepos annehmen würde, war lediglich eine Frage der Zeit. Obwohl zu diesem Zeitpunkt auch noch andere Rheinbrücken intakt waren, schrieb der Mythos der Eroberung der "Brücke von Remagen" eine kriegsverkürzende Wirkung zu.

Halsbrecherische Actionszenen und die realistische Darstellung des Kriegs sollten deshalb ein Millionenpublikum in den Bann schlagen. Stuntmen stürzten sich planmäßig von der Brücke in die Tiefe, fielen bei hoher Geschwindigkeit von Motorrädern oder ließen sich in einem brennenden Jeep 15 Meter den Abhang runter rollen.

"Schlecht rasiert, schlecht gelaunt"

Der deutsche Journalist Erich Kuby, der die Dreharbeiten in Davle beobachtete, war nach dem ersten Eindruck schockiert. "Auf der Landstraße kam uns, genagelte Sohlen auf Stein, schlurf-schlurf, eine abgekämpfte, großdeutsche Infanterie-Kompanie entgegen, letztes Kriegsjahr, verdreckt, schlecht rasiert, schlecht gelaunt, Gasmaskenbüchsen klapperten gegen die Schäfte der Karabiner K 98 und gegen die am Koppel hängenden Stahlhelme. Das schien nicht mehr Film zu sein, sondern nie ganz vergessene Kriegswirklichkeit", schrieb Kuby im September 1968 im Magazin "Stern".

Am 21. August 1968 holte eine andere Kriegswirklichkeit das Filmteam ein. Sowjetische Panzer rollten in Prag ein, um den "Prager Frühling" niederzuschlagen. Der Streifen war erst zu zwei Dritteln abgedreht, an ein Weitermachen unter diesen Bedingungen aber nicht zu denken.

Produzent Wolper und Produktionsleiter Milton Feldman waren sich sofort einig: Sie mussten das Land so schnell wie möglich verlassen. Innerhalb kürzester Zeit organisierten sie einen Konvoi aus mehr als 20 Autos und Lastwagen, in dem alle 89 Mitglieder des Filmteams untergebracht wurden. In das Filmtagebuch notierte Feldman an diesem Tag: "Heute kein Dreh wegen Schießereien."

Alle kamen wohlbehalten in Österreich an. Der findige Wolper hatte bereits Ersatzdrehorte ausfindig gemacht. Das verbliebene Drittel des Films drehte das Team schließlich in Hamburg und im italienischen Castel Gandolfo. Die echte Brücke von Remagen hatte der Filmcrew nie zur Verfügung gestanden. Am 17. März 1945 war sie eingestürzt - nachdem Tausende echte GIs sie überquert hatten.

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