
privat
Zeitzeugen der Nachkriegszeit Was ist mit Vater passiert?

privat


ullstein bild
privat
Alfred Lange-Schmeiss, Jahrgang 1943, kehrte als Kleinkind kurz nach Kriegsende mit seiner Mutter aus Thüringen nach Essen zurück. Die Heimatstadt lag in Trümmern, die elterliche Wohnung war geplündert. Von dem Vater fehlte seit Sommer 1944 jede Spur.
Das Feldpostpäckchen kam aus Bonn-Duisdorf, ohne Datum. Der Absender lautete: "Kampf-Marschbatl. 1036, 4.Kp. z. Zt. Marschkp.6.G.u.A.B.78". Darunter stand "Abwicklung", das Wort war unterstrichen.
Die Sendung enthielt ein paar persönliche Sachen meines Vaters sowie einen kurzen Brief. Er sei bei den Abwehrkämpfen am 8.7.1944 versprengt worden, hieß es. Keine Ortsangabe, keine näheren Umstände, keine Grußformel am Ende.
"Von einer Bestätigung über den Empfang der eigenen Sachen bittet die Kompanie Abstand zu nehmen." Eine unleserliche Unterschrift, zwei Gradbezeichnungen: Hauptfeldwebel, Stabsfeldwebel. Den Schmerz meiner Mutter konnte ich nur erahnen.
"Ich fürchtete zu ersticken"
Einige Monate später war der Krieg beendet. An einem Abend voller Hoffnung brachen wir ins Unglück auf. Von Thüringen aus, wo wir bei Verwandten untergekommen waren, machten wir uns mit meiner Großmutter zunächst zu Fuß auf den Rückweg nach Essen.
Mit einer Brücke, die wir in der Dunkelheit unterqueren mussten, verbindet sich meine erste Kindheitserinnerung. Ein russischer Soldat patrouillierte darauf. Keinen Mucks sollte ich von mir geben, wurde mir eingeschärft. Meine Mutter war eine aparte junge Frau. Unter keinen Umständen sollte sie von den Russen entdeckt werden. Ich fürchtete zu ersticken, als mir meine Großmutter mit ihrer Hand unendlich lange den Mund verschloss. Vergebens, wir wurden entdeckt.
privat
40 Jahre später sprach meine Mutter nur ein einziges Mal andeutungsweise über das, was dann geschah. Sie sprach leise, dann stockend, plötzlich schimmerten ihre Augen feucht. Eine gefühlte Ewigkeit hielt ich sie tröstend in meinen Armen.
"Nomade zwischen zwei Orten"
Die Ankunft in Essen war unerfreulich. Unsere Möbel waren teils gestohlen, das silberne Essbesteck war unauffindbar, der Kohlenkeller ausgeräumt. Fremde Menschen hatten sich im Haus einquartiert und Zuflucht gesucht. Wärmende Fürsorglichkeit konnte mir meine Mutter in all dem Chaos nur unzureichend geben.
Ihre kleine Tochter war während des Krieges, nur wenige Wochen alt, an den Folgen eines Bombenangriffs gestorben. Ihr Mann war irgendwo im Osten verschollen. Eine Schwester meines Vaters sollte mich deshalb vorerst bei sich aufnehmen. Schotten in Oberhessen hieß der neue Fluchtpunkt.
Die Tante war wunderschön und mehrmals geschieden. Im Gegensatz zu meiner konservativ-bürgerlichen Mutter führte sie ein unkonventionelles Leben. Fast ein Jahr verbrachte ich in Schotten, danach war ich wie ein Nomade zwischen beiden Orten unterwegs. Bei meinen Zugreisen von und nach Essen trug ich ein Pappschild um den Hals, auf dem geschrieben stand, wo ich umsteigen musste. Irgendjemand würde sich schon um mich kümmern.
Auch an den Hunger der Menschen und die Knappheit von Nahrungsmitteln in der Nachkriegszeit kann sich Alfred Lange-Schmeiss bis heute gut erinnern.
Mit zweieinhalb oder drei Jahren brachte ich meine Mutter zum Weinen, als ich unbedacht ein kostbares Hühnerei zerstörte. In den Trümmern eines Nachbarhauses hatte ich etwas gefunden, das wie ein Stein aussah: weiß, oval und unwirklich leicht. Dieses Etwas zerbrach, als ich es meiner Mutter spielerisch zuwarf. Unter Tränen erklärte sie mir dann, was ich gerade getan hatte.
SPIEGEL GESCHICHTE: Die Nachkriegszeit
Jahre später beobachtete ich, wie auf der Berliner Brücke in Essen Hafergrütze ausgeschenkt wurde. Ab und an suppte die Grütze über die hingestreckten Teller hinweg auf die Straße. Ein alter Mann legte sich flach auf den Bauch und leckte den Brei vom Asphalt auf. Dieses Bild ist in mir wie eingebrannt. Wenn ich daran denke, spüre ich noch immer ein Gefühl hilfloser Verlorenheit.
Goldschätze in Ruinen
Die zerbombten Häuser in Essen waren mir für viele Jahre Spielstätte, Zuhause und Fluchtpunkt. Ich war oft allein, weil meine Mutter arbeitete. Das Spielen in den Ruinen half mir dabei, das Gefühl der Verlorenheit abzumildern. Wie Goldsucher wühlten wir Kinder uns durch die Überreste der Gebäude. Beim Schrotthändler tauschten wir Metallstücke gegen Geld ein.
Schon mit einem Zehn-Pfennig-Stück, auch "Tacken" genannt, konnten wir uns Träume erfüllen. Nach Art der Raubtiere lernten wir früh, die gesichtete Beute blitzschnell zu sichern. Die älteren Kinder gingen dabei sehr rau vor. Der Stärkere war der Sieger.
Im hessischen Schotten kam Alfred Lange-Schmeiss in Kontakt mit amerikanischen Besatzungssoldaten, die ihm Schokolade schenken und seltsame Musik hören.
ullstein bild
Das Herannahen amerikanischer Fahrzeugkolonnen hörte meine Tante schon von Weitem und schlüpfte rasch in ein schwarzes, körperbetontes Kleid. Ich musste einen albernen, blau-weißen Matrosenanzug anziehen. Wenn schöne Frau mit mir, einem Zwerg mit blondem Lockenkopf, vor den Soldaten auftauchte, war uns deren Aufmerksamkeit sicher. Radebrechend scherzten sie mit der Tante - und ich wurde mit Süßigkeiten überhäuft.
Angst und Faszination zugleich
Bei einem ihrer Manöver sah ich einmal Zelte, die versteckt am Waldrand aufgestellt waren. Seltsame Netze tarnten Jeeps und Panzer, die Gesichter der Soldaten waren bemalt mit grünen und braunen Streifen. Die Panzer stießen dröhnend schwarze Abgase aus. Ich verspürte Angst, gleichzeitig auch Faszination.
Soldaten saßen um ein Feuer, und durch das Lager schwappte leise mir völlig fremde Musik. Es war Blues, wie ich erst Jahre später erfahren sollte. Die Soldaten luden mich an ihr Feuer ein und reichten mir eine wärmende Decke. Schnell zauberte einer von ihnen heißen Kakao herbei.
Obwohl ich nicht verstand, was gesprochen wurde, fühlte ich mich beschützt. Die Stunden vergingen, man brachte mir immer wieder Schokolade und Plätzchen. Glücklich und müde starrte ich in die Glut des Feuers.
Eher unsanft verlief dagegen meine Begegnung mit einem englischen Soldaten in Essen. Auf seine Frage, ob ich den Kölner Dom sehen wolle, antwortete ich neugierig und naiv mit "ja". Gellend schrie ich dann "ja, ja, ja", als er mich brutal an den Ohren hochzog und fragte, ob ich ihn jetzt sehe.
Das Schicksal des Vaters blieb in all den Nachkriegsjahren ungewiss. Auch auf der Liste der letzten Soldaten, die aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft freikamen, tauchte sein Name nicht auf.
Nach Jahren des Wartens keimte im September 1955 Hoffnung auf. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen erreicht. Es waren knapp Zehntausend. Nachts wurden im Rundfunk ihre Namen verlesen. Langsam, unendlich langsam, verrannen die Stunden. Irgendwann starb die Hoffnung.
Zum ersten Male bleiben meine Augen trocken
Meine Mutter schluchzte, weinte. Ich stimmte in ihr Weinen ein, wir umarmten einander schützend und liebevoll. Immer, wenn diese Erinnerung später in mir hochkam, stockte meine Stimme, die Augen wurden feucht.
Heute, mehr als 60 Jahre später, blicke ich beim Niederschreiben meiner Erinnerungen nachdenklich in die Ferne. Zum ersten Male bleiben meine Augen trocken. Auch meine Mutter und die Tante sind inzwischen gestorben.
Außer einigen wenigen Fotos bleibt mir Vaters letzter Brief, geschrieben nahe Brest-Litowsk in einem Güterzug auf dem Weg zur Front. Und sein eigentliches Erbe an mich: eine vergilbte Postkarte mit einem Gedicht, das er sorgfältig mit schwarzer Tusche kalligrafiert hat.
Meinem kleinen Alfred
Wohl bin ich deinem Lachen fern
und seh' die hellen Augen nicht;
doch wohnet tief in meinem Geist
dein holdes Angesicht.
Der Krieg ist hart, mein liebes Kind:
Wenn fern von mir dein Leben blüht,
wo eine gute Mutter dir
dort singt dein reines Wiegenlied.
Bruno Lange gehört zu den zahlreichen Verschollenen des Zweiten Weltkriegs, deren Schicksal wohl nie mehr aufgeklärt wird. Nach Angaben des Deutschen Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes beläuft sich ihre Zahl aktuell auf mehr als 1,2 Millionen Menschen. Wie der Suchdienst im Januar 2018 bekannt gab, werden die Nachforschungen in Absprache mit dem Bundesinnenministerium Ende 2023 eingestellt.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Wonneproppen: Zeitzeuge Alfred Lange-Schmeiss, Jahrgang 1943, im Alter von acht Monaten mit seiner Mutter und Großmutter. Der Vater Bruno Lange war an der Ostfront verschollen - und lange hoffte die Familie nach dem Krieg, dass er zurückkehren würde. .
privat
Ein Mensch verschwindet: Wehrmachtssoldat Bruno Lange, der Vater von Alfred Lange-Schmeiss, ist auf diesem Foto ganz rechts zu sehen. Seit Sommer 1944 fehlte von ihm jede Spur. Bis heute weiß Lange-Schmeiss nicht, was mit seinem Vater passiert ist.
"Vergangenes Glück": Mit diesen Worten beschreibt Zeitzeuge Alfred Lange-Schmeiss das Foto, das seine Eltern Katharina und Bruno Lange vor dem Krieg zeigt. Unbeschwert posieren die beiden für die Kamera, sie im Pünktchen-Badeanzug, er mit freiem Oberkörper.
Die Nachkriegszeit - Stunde der starken Frauen: Großmutter und Mutter von Alfred Lange-Schmeiss. Nach Kriegsende liefen die beiden Frauen mit dem Kleinkind zum Teil zu Fuß von Thüringen nach Essen.
Vermisstenmeldung: Mit diesem offiziellen Schreiben wurde Katharina Lange über das ungewisse Schicksal ihres Ehemannes informiert. Er sei "bei den Abwehrkämpfen am 8.7.1944 versprengt" worden, heißt es in dem Brief lapidar. Jahrelang hoffte die Familie, dass der Vater doch noch lebendig sei. Vergeblich: Laut dem Deutschen Roten Kreuz beläuft sich die Zahl der Verschollenen des Zweiten Weltkriegs auf mehr als 1,2 Millionen Menschen. Wie der DRK-Suchdienst der Einrichtung im Januar 2018 bekannt gab, werden die Nachforschungen Ende 2023 eingestellt.
"Der kleine, quengelige Sohn eine zusätzliche, fordernde Last": So beschreibt Zeitzeuge Alfred Lange-Schmeiss im Rückblick die Überforderung der Mutter Katharina (Foto) - im Kinderwagen liegt er als Baby. Der Mann war verschollen, die kleine Tochter tot, die Wohnung in Essen geplündert.
"Meinem kleinen Alfred": Dieses Gedicht, sorgfältig mit schwarzer Tinte kalligrafiert, schrieb Bruno Lange seinem Sohn einst aus dem Krieg. Die vergilbte Postkarte gehört zu den ganz wenigen Dingen, die Alfred Lange-Schmeiss von seinem Vater geblieben sind.
Überreste der Rüstungshochburg: Zerstörte Gebäude im Zentrum von Essen, der Heimat von Zeitzeuge Alfred Lange-Schmeiss (Foto von 1945). Die Ruhrmetropole, ein industrielles Zentrum der Region und Sitz der Krupp-Gussstahlfabrik, wurde während des Zweiten Weltkriegs besonders stark bombardiert. Nur Berlin war noch häufiger Ziel alliierter Angriffe.
"Den Schmerz meiner Mutter konnte ich nur erahnen": Katharina Lange, die Mutter von Alfred Lange-Schmeiss. Sie verlor im Krieg nicht nur ihren Mann, sondern auch die Tochter - Karin starb 1943 im Alter von zwei Monaten infolge eines Bombenangriffs auf Essen. Weil das kleine Mädchen nicht getauft worden war, verweigerte ihr der katholische Pfarrer ein Begräbnis.
Die "Krupp-Stadt" am Boden: Zerstörte Werksanlagen der Friedrich Krupp AG in Essen-Borbeck (Foto von 1946). Auf Essen wurden insgesamt 242 Luftangriffe geflogen. Besonders verheerend: die Bombardements im Oktober 1944, bei denen 1160 Menschen starben. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Innenstadt zu 90 Prozent zerstört.
Auf der Suche nach dem Grab des Vaters: Alfred Lange-Schmeiss heute. Der 74-jährige Jurist lebt in der Nähe von Hamburg.
Verzweifelte Suche nach Brennmaterial: Ein Mann 1946 beim Holzhacken in Berlin - dieser Baumstumpf war im einst so prächtigen Tiergarten noch übrig. Im November 2017 startete die einestages-Redaktion einen Zeitzeugen-Aufruf. Daraufhin meldeten sich mehr als 500 Menschen, um uns ihre persönlichen Erfahrungen aus der Nachkriegszeit zu schildern.
ullstein bild
Ende des Krieges, Schluss mit den Durchhalteparolen: Drei britische Soldaten, 1945 in der Stadt Goch in Nordrhein-Westfalen. Deutschland wurde nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt, Improvisation prägte überall den Alltag im Kampf ums Überleben.
Die Ruinen von Dresden: Zum Kriegsende lagen zahlreiche deutsche Städte in Schutt und Asche, darunter Berlin, Hamburg, Hannover, Köln. Mitte Februar 1945 hatten die Alliierten auch Dresden bombardiert und fast vollständig zerstört.
Flüchtlingstreck auf der Frischen Nehrung: Auf der Flucht vor der Roten Armee in Ostpreußen überqueren Zivilisten und deutsche Soldaten Anfang 1945 das zugefrorene Haff. Nach dem Krieg verzeichneten allein die drei westlichen Besatzungszonen rund zehn Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, die sich eine neue Heimat aufbauen mussten - und alles andere als willkommen waren. Es war ein enormer Bevölkerungszuwachs, der zu heftigen Konflikten führte. Für die Einheimischen im Nachkriegsdeutschland waren die Neuankömmlinge schlicht Nahrungskonkurrenten.
Als der bittere Winter nahte: Wiesbadener Kinder suchen im November 1946 in zerstörten Gebäuden nach Kohleresten. Überlebenswichtig, denn die Temperaturen sanken alsbald auf bis zu minus 20 Grad. Im Extremwinter 1946/47 starben viele Tausend Menschen in Deutschland an den Folgen von Hunger und Frost.
Mit kurzen Hosen im Schnee: Auch Bekleidung war Mangelware nach dem Krieg - Kinder im Flüchtlingslager Empelde (bei Hannover). Aufnahme von 1947.
Fringsen: Wer keine Kohle hatte, der nahm sie sich - wie diese Kinder zwischen den Bahnhöfen Hamburg und Altona (Foto von 1946). "Fringsen" hieß das damals, benannt nach dem Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings. Der Kirchenmann hatte Kohleklau und anderen Diebstahl in der Silvesterpredigt 1946/47 in Notsituationen für moralisch gerechtfertigt erklärt.
Trümmerfrauen: Viele Männer waren im Krieg gefallen oder noch in Gefangenschaft, die Frauen umso mehr gefordert. Auch mit schwerer körperlicher Arbeit leisteten sie viel bei der Beseitigung von Gebäudeteilen in zerstörten Städten und beim Wiederaufbau, wie hier im Dezember 1948 in Berlin.
"Mit 800 Kalorien kann niemand arbeiten": 1947 kam es zu zahlreichen Arbeitsniederlegungen, Hunderttausende gingen auf die Straße, um gegen die Zustände im Nachkriegsdeutschland zu protestieren. Das Foto entstand in Hamburg am 9. Mai 1947. Vielfach entlud sich die Verzweiflung in Wut auf die Besatzer. Mit Slogans wie "Wir haben Hunger", "Versprechungen machen uns nicht satt" und "Wir fordern Brot" machten die Menschen ihrem Ärger Luft.
Ziegelsteinverwertung: Nehmen, was die Ruinen hergeben - eine Berliner Trümmerfrau am Bayrischen Platz beim Säubern und Stapeln von Ziegelsteinen.
"Tschocklett plies!" Das riefen Kinder am Straßenrand den amerikanischen Soldaten zu - und wurden erhört (Foto von 1945). Die GIs schenkten ihnen Schokolade und Kaugummi, aber auch Apfelsinen und Peanut Butter, bis dato völlig unbekannte kulinarische Köstlichkeiten.
Versuch der Umerziehung: Das Foto zeigt Bürger aus Burgsteinfurt Anfang Juni 1945 auf dem Weg ins Kino. Um ihnen die Nazi-Gräueltaten vor Augen zu führen, zeigten britische Soldaten dort einen sechsminütigen Film, den alliierte Truppen in den befreiten Konzentrationslagern von Bergen-Belsen und Buchenwald gedreht hatten. 4000 Menschen mussten an der Vorführung von "Atrocities: The Evidence" teilnehmen, der Widerstand dagegen war groß. Das britische Militärmagazin "Soldier" bezeichnete Burgsteinfurt deshalb als "Village of Hate".
Tanzveranstaltung in Berlin: Am 18. Juli 1945 schwoften britische und amerikanische Soldaten mit jungen deutschen Frauen. So feierten sie das Ende des "Fraternisierungsverbots", das zum Ende des Krieges und unmittelbar danach galt: Alliierte Soldaten sollten keine freundschaftlichen Kontakte zu Deutschen knüpfen, sich keinesfalls "verbrüdern". Das Verbot...
... wurde allerdings schon bald schrittweise gelockert und am 1. Oktober 1945 ganz aufgehoben. Hier warten US-Soldaten und zwei "Fräuleins" in Kassel gemeinsam auf einen Zug (Aufnahme von 1945).
Mit Care-Paketen sicherten amerikanische Helfer das Überleben zahlreicher Deutscher. Die Care-Organisation wurde im November 1945 gegründet, ab Juni 1946 erreichten ihre Nahrungsmittelpakete Europa, hier 1947 Kinder in einem Berliner Lager. Dass die fernen Amerikaner, kurz zuvor noch Kriegsgegner, auf Hilferufe reagierten, grenzte für viele hungernde Deutsche an ein Wunder.
Auferstanden aus Ruinen: FDJ-Fahne auf einem Berliner Schuttberg - bereits am 7. März 1946 wurde die Freie Deutsche Jugend in der sowjetischen Besatzungszone gegründet und blieb bis zum Ende DDR die einzige Jugendorganisation, die staatlich anerkannt und gefördert wurde.
Fön gegen Schuhe - und beide Handelspartnerinnen sind zufrieden. Im Nachkriegsdeutschland entwickelte sich ein lebhafter Tauschhandel, 1948 brachte dann die Währungsreform mehr Stabilität.
Streng verboten: Schwarzmarkthändlern drohten die Amerikaner mit harten Strafen, im täglichen Ringen der Menschen ums Überleben konnten aber auch solche Plakattafeln wenig ausrichten.
Schwarzmarktrazzia: Dieser Junge hatte Pech - er wurde im Juli 1947 in Hannover von einer Polizistin festgenommen. Schwarzmarkt und Tauschhandel florierten nach dem Krieg, wovon dieses zeitgenössische Gedicht zeugt:
"Den Schmuck hat man als Butter aufgegessen
die Meißner Tassen trägt man jetzt als Schuh
So wächst dem Eigner, was er einst besessen
von Grund auf umgewandelt wieder zu."
Die Heimkehrer: Das Foto von 1948 zeigt ehemalige Kriegsgefangene, die soeben via Luftbrücke nach Berlin zurückgekommen sind. Mehr als elf Millionen Wehrmachtssoldaten und Angehörige der Waffen-SS befanden sich in Lagern der Alliierten. Aus dem Gewahrsam der USA, Großbritanniens und Frankreichs kamen die meisten bis Ende 1948 frei; aus der Sowjetunion fand die letztere größere Entlassung erst 1955 statt.
Ersehnte Mahlzeit: Berliner Kinder warten im Februar auf die Ausgabe der Schulspeisung (Foto von 1947). Um die Not der Kleinsten zu lindern, erhielten die Schulkinder in der Stadt schon ab November 1945 täglich eine warme Mahlzeit.
Schätze aus dem Müll: Auf der Suche nach Essbarem verloren die Menschen jeglichen Ekel - diese beiden wühlen im Abfall eines Kühllagers der US-Armee nach Nahrungsmitteln. Aufgenommen 1947 in Frankfurt am Main.
Berliner Luftbrücke: West-Berliner Jungen, die auf einem Trümmerberg stehen, begrüßen winkend ein US-amerikanisches Transportflugzeug, das Versorgungsgüter nach West-Berlin bringt. Als Reaktion auf die Währungsreform in den Westsektoren am 23. Juni 1948 verhängte die UdSSR am Tag danach eine Blockade: Alle Land- und Wasserwege wurden für den Personen- und Güterverkehr zwischen West-Berlin und Westdeutschland gesperrt. Die Versorgung der Westberliner Bevölkerung und der westalliierten Besatzung erfolgte daraufhin durch eine von den USA und Großbritannien errichtete Luftbrücke.
Bitte hinten anstellen: Ausgabe der Schulspeisung an einer Hamburger Schule (Aufnahme von 1946). In ihrer Zone führten die Briten eine Speisung im März 1946 ein. Um die Allerkleinsten kümmerten sich die Schweden: Von 1946 bis 1949 profitierten die Drei- bis Sechsjährigen in der Britischen Zone, in Berlin und in Österreich (vor allem Wien) von der sogenannten Schwedenspeisung.
Flüchtlingsalltag 1945: Eine Rotkreuz-Schwester betreut die Kinder in einem der zahlreichen Flüchtlingslager. Insgesamt strömten aus den abgetrennten deutschen Ostgebieten bis zu 14 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland.
Hat mein Bruder nicht etwas mehr Suppe bekommen als ich? Argwöhnisch beäugen die Kinder die Teller ihrer Geschwister - die Mutter wacht darüber, dass es gerecht zugeht. Aufgenommen 1946/47 in Hamburg.
Schatz in der Erde: Jungen aus dem Flüchtlingslager Laatzen (bei Hannover) bei der Kartoffelnachlese (Foto von 1947). Das "Stoppeln" gehörte für die Kinder zum Nachkriegsalltag: Sie gingen auf schon abgeerntete Felder, um von den Bauern übersehene Kartoffeln, Rüben und anderes aufzusammeln.
Riskantes Vergnügen: Mit großer Begeisterung spielten die Kinder nach dem Krieg mit Munition oder Kriegsschrott. Nicht wenige verletzten sich dabei - oder verloren gar ihr Leben. Diese zwei Münchner Jungen spielen mit Maschinengewehrpatronen, die sie beim Stöbern in der Infanteriestraße gefunden haben (Foto von 1947).
Hamstern: Vollbepackt und guter Laune - Kölner Hausfrauen, die im März 1946 von einer Hamsterfahrt zurückkehren. Zu Tausenden zogen die Stadtbewohner nach dem Krieg ins Grüne, um ihre Habseligkeiten bei den Bauern gegen Essbares zu tauschen.
Als sich die Bundesrepublik formierte: Ein Schild vor der Autobahnabfahrt Bonn weist am 1. September 1948 den Weg zum Parlamentarischen Rat, der bis zum Frühjahr 1949 in Bonn tagte, den Grundstein für den politischen Neuanfang in Westdeutschland legte und am 8. Mai 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik verabschiedete.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden