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Geschichte-Podcast Als die »Halbstarken« Krawall machten

Prügeleien, fliegende Stühle, zertrümmerte Kinosäle: In den Fünfzigerjahren schlugen deutsche Jugendliche kräftig über die Stränge. Man nannte es »Jugenddelinquenz« – ein Fehlschluss, sagt Historiker Bodo Mrozek.
Ein Podcast von Danny Kringiel

Gruppen alkoholisierter Jugendlicher hören laute Musik, sie randalieren, liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei, mitten in Frankfurt am Main und Stuttgart. Was sich anhört wie Szenen aus dem Coronasommer 2020, liegt tatsächlich weit zurück: Im Jahr 1957 lieferten sich sogenannte Halbstarke auf den Straßen deutscher Großstädte so manchen Schlagabtausch mit Ordnungshütern.

War die deutsche Jugend also irgendwie schon immer ganz schlimm?

»Die Zuschreibung ›Jugendliche sind einfach so‹ ist historisch gewachsen«, erklärt der Kultur- und Zeithistoriker Bodo Mrozek, »ebenso wie die Vorstellung von Jugend selbst. Noch im Mittelalter sind Kinder ziemlich direkt von der Kindheit zum Erwachsensein übergegangen.« Erst im 19. Jahrhundert sei dann die Vorstellung von der Jugend als eigener Entwicklungsphase ausdifferenziert worden. Und damit auch Vorstellungen von spezifischer Jugendkriminalität – oder »Jugenddelinquenz«, wie man es in den Fünfzigerjahren nannte, wenn junge Menschen über die Stränge schlugen. Oder wenn sie auch nur an der Ecke herumlungerten.

Dieser Jugendliche wurde 1955 bei »Halbstarkenkrawallen« verletzt. Über »Jugenddelinquenz« wurde in den Fünfzigerjahren viel diskutiert in der Bundesrepublik.

Dieser Jugendliche wurde 1955 bei »Halbstarkenkrawallen« verletzt. Über »Jugenddelinquenz« wurde in den Fünfzigerjahren viel diskutiert in der Bundesrepublik.

Foto: ullstein bild

Die Art, wie begrifflich bestimmte Arten von Gewalt etikettiert werden, sei entscheidend für die öffentliche Wahrnehmung, erklärt Mrozek im Podcast-Gespräch: So würden zwar heute die meisten Gewaltverbrechen von jungen Männern begangen – dennoch spreche man nur selten von einer spezifischen »Männergewalt«. »Viel eher«, sagt Mrozek, »wird dann beispielsweise von ›Migrantengewalt‹ gesprochen in den letzten Jahren oder ›Migrationskriminalität‹.« In solchen Formulierungen seien immer auch schon unterstellte Erklärungsmuster enthalten, die folgenreich werden können.

Über den Podcast

Alle zwei Wochen gibt es einen ausgewählten historischen Artikel und die Geschichte dahinter – erzählt von den Autorinnen und Autoren und der Redaktion von SPIEGEL Geschichte. Außerdem können Sie zu jeder neuen Ausgabe von SPIEGEL Geschichte ein ausführliches Gespräch zum Titelthema hören.

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