
Elvis-Imitatoren: Der King ist tot, lang lebe der King!
Verve Editions/ Patty Carroll
Elvis-Imitatoren Heute ein König
Er hatte den Plattenspieler so eingestellt, dass er immer wieder dieses eine Lied spielte. Dazu tanzte der junge Carl Nelson, den seine Freunde "Cheesie" nannten, unermüdlich vor dem Spiegel, schwang die Hüften im Rhythmus und ließ sein Becken kreisen. "Die Platte wird dir gefallen", hatte ihm der Verkäufer im Melody Shop von Texarkana, Texas, versprochen - und recht behalten: Fortan lief in Nelsons Zimmer "That's All Right, Mama" von Elvis Presley in Endlosschleife.
In der Schule war Nelson damals schon bekannt dafür, Lehrer zur allgemeinen Belustigung perfekt imitieren zu können. Nun, im Herbst 1954, machte er sich daran, die Stimme dieses 19-Jährigen Rock'n'Roll-Sängers auf der Schallplatte nachzuahmen. Dass er damit sein Leben für immer verändern würde, konnte er damals noch nicht ahnen.
"Elvis - in Stereo!"
Bei einer Talentshow seiner Highschool bekam Carl Nelson ersten Applaus für seinen Elvis. Wenig später, am 3. Dezember 1954, kam das Original höchstpersönlich nach Texarkana. Presley war damals noch am Anfang seiner Karriere, spielte in kleinen Hallen. Doch die Kunst der Verspätung beherrschte Elvis schon wie ein Großer: Am Abend des Konzerts ließ er die Fans ewig warten.
Natürlich befand sich auch Nelson an diesem Tag im Municipal Auditorium. Auch er war ungeduldig. Ein Veranstalter, der von seinen Imitationskünsten hörte, fragte ihn schließlich, ob er die Wartezeit nicht als "Elvis" überbrücken könne. Und wie er konnte: Mit seiner Presley-Imitation riss Nelson das Publikum zu solcher Begeisterung hin, dass der echte Elvis, als er schließlich auf die Bühne trat, seine Kopie begeistert zum Duett aufforderte. Angekündigt wurde die Nummer mit: "Ladies and Gentlemen, das Texarkana Municipal Auditorium präsentiert Elvis - in Stereo."
In der folgenden Nacht zogen beide, der echte und der falsche Elvis, gemeinsam in weiblicher Begleitung um die Häuser, so Stanley Oberst und Lori Torrance in ihrem Buch "Elvis in Texas" über die Anfangsjahre des Entertainers. An diesem Winterabend vor 60 Jahren wurde Carl "Cheesie" Nelson somit nicht nur zum wohl ersten Elvis-Imitator der Geschichte - er kam seinem Idol auch so nahe wie keiner seiner Nachfolger. Und davon sollte es noch viele geben.
Der King ist tot, lang lebe der King
Rick Marino, Präsident der Elvis Impersonators Association und Autor des Buches "Be Elvis!: A Guide to Impersonating The King" spricht von 28 Imitatoren im Jahre 1977, dem Jahr, als Elvis starb. "1992 waren es schon 35.000. Rechnen Sie nach, 2017 wird es schon jeder Vierte sein." Andere Quellen gehen von 170 Doubles Ende der Siebzigerjahre aus und schätzen die Zahl im Jahr 2000 auf 85.000. Im Internet gibt es sogar eine Seite, die nachrechnet, wann wir alle zu Elvissen werden.
Elvis-Doubles, von den sogenannten professionellen Elvis Tribute Artists bis zu Gelegenheitsclowns, die auf Betriebsfeiern mit künstlichen Koteletten "Love Me Tender" anstimmen, sind inzwischen ebenso Teil des American Way of Life wie der King selbst. Sie treten in Hollywoodfilmen ("3000 Miles to Graceland", "Honeymoon in Las Vegas"), in TV-Sendungen, in Literatur und Werbung auf, haben eigene Radiosender und Theaterstücke.

Elvis-Imitatoren: Der King ist tot, lang lebe der King!
Verve Editions/ Patty Carroll
Bei keinem Künstler gehen Original und Nachbildung so gut zusammen. Dass der King of Rock'n'Roll, der am 8. Januar 2014 80 Jahre alt geworden wäre, wie kein anderer seine Fans dazu gebracht hat, ihn zu kopieren, ist Teil seines Mythos. "Die zahllosen Presley-Performer bilden einen gespenstischen Körper zum Schatten von Elvis", schreibt Eric Lott in "All the King's Men". "Sie besetzen die immer noch vorhandene kulturelle Präsenz Elvis Presleys und verlängern den Schein des Abendrotes." Anders gesagt: Elvis lebt - durch seine Imitatoren. Nicht nur in den USA, sondern überall. Sogar in Bayern.
"Ach, ich küsse Elvis!"
Als Leo Bischof im Jahr 1961 seinen ersten Elvis-Song hörte, war er zu Besuch bei einem Schulfreund im Münchner Stadtteil Laim. Da der große Bruder mit dem Moped unterwegs war, konnten die beiden Zehnjährigen heimlich in dessen Zimmer am Tonbandgerät sitzen. "Ich war sofort wie geimpft", erzählt Bischof heute. "Bis dahin hatte ich von Elvis nur durch Erwachsene gehört. Mein Vater nannte ihn 'Schreihals' oder 'Elvis Pressluft'. Bei uns zu Hause liefen ja nur Schlager, Horst Wendland und so." Bevor der große Bruder zurückkam, mussten die beiden alle Hebel in die Originalstellung zurückdrehen. Sonst aber war nach diesem Tag nichts mehr so, wie es gewesen war.
Von seinem ersten Geld als Lehrling kaufte sich Bischof ein Tonbandgerät und fing an, Elvis-Songs mitzusingen. Er nahm sie auf und zeigte sie seinem Schulfreund. Der merkte gar nicht, dass da gar nicht Elvis sang. Bischof war voll Stolz - und hatte ab jetzt einen Traum: "Ich wollte groß rauskommen." So erzählt Bischof, der sich 20 Jahre später gegen rund 500 Mit-Elvisse in der "Rudi Carrell Show" als bester Imitator durchsetzte, von seinen Show- Anfängen. Elvis war seine Art Aufbegehren in einer Zeit, in der auch der SPIEGEL von Elvis als dem "hervorstechenden Symbol der Rebellion" schreibt, dessen Musik "gewiss schlecht" sei.
Bischofs strenger Vater wollte nicht, dass sein Sohn, eines von elf Kindern, Friseur wird ("Das machen nur Schwule"). Doch als Feinmechaniker wurde Bischof nicht glücklich. Spaß brachte ihm der vom Vater gehasste Sänger aus Memphis. Alle zwei Wochen freitags zeigte ein Kino in München Elvis-Filme. "Wir waren immer schon eine Stunde früher da. Im Foyer haben sie seine Platten gespielt." So strahlte ein wenig vom Glanz des Superstars auf seine bayerischen Jünger. Einmal saß Bischof mit seiner Freundin nach einer Vorstellung im Auto eines Freundes, er weiß das noch genau. "Plötzlich sagt sie: 'Ach, ich küsse Elvis.'" Der Mann mit der Tolle ist Verheißung und Aufbegehren - nicht nur in München-Laim. Und nicht nur für Bischof, der seit seinem Auftritt bei Rudi Carrell vor bald 27 Jahren davon lebt, mit Musikanlage, Dekoration und Scheinwerfern als Elvis durch Deutschland zu touren.
King aus dem Schwabenland
In "All the King's Men" versucht Sozialhistoriker Lott, die große Anzahl weißer Unterschichtsmänner in der Zunft der Elvis-Imitatoren zu begründen. "Sie versuchen sich an der Elvis-Route, die vom Tellerwäscher zum King of Rock'n'Roll führt. Wie Baseball und die Freiheitsstatue steht Elvis für den Weg nach Amerika", mitten rein in die Gesellschaft, ins erträumte Leben.
Nils Strassburg, 2012 von der Elvis-Presley-Gesellschaft und Time Warner zum besten Elvis-Interpreten Deutschlands gekürt, sieht das ähnlich: "Elvis war White Trash, er hatte ja eigentlich gar keine Chance. Doch die hat er genutzt. Das inspiriert." Der Schwabe Strassburg, mit 38 einer der jüngeren Elvis-Interpreten, braucht den Weg in die Mitte der Gesellschaft nicht mehr zu finden. Der ausgebildete Sänger mit US-Pass trägt die Tradition in die Zukunft. Bei "Roll Agents - The Elvis Xperience" will er die Musik von Elvis auf die Bühne bringen, wie der King es selbst heute getan hätte. Doch trotz aller Huldigung ist für Strassburg eines klar: "Elvis ist tot, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche."
Wer sich aber in der Welt seiner Imitatoren umhört, merkt: "Elvis lebt" ist nirgendwo so wahr wie hier.
Ob schwäbischer Elvis oder texanisches Rock'n'Roll-Urgestein, so unterschiedlich die unzähligen Elvis-Imitatoren rund um den Globus auch sind, so sehr eint sie die Liebe zum King, seinem Hüftschwung, seinen Koteletten, den glitzernden Ganzkörper-Jumpsuits und natürlich - der unverwechselbaren Stimme. einestages zeigt einzigartige falsche Elvisse aus aller Welt, von der mexikanischen Presley-Reinkarnation bis zum einbeinigen King of Rock'n'Roll.