"Vater und Sohn"-Zeichner Erich Ohser: "Ein Mann wie ein Elefant, der seiltanzen konnte"
"Vater und Sohn"-Zeichner Erich Ohser
"Möge der Fluch von hunderttausend Kindern auf Sie herabkommen!"
Er hatte über die Nazis gelästert und kam dem Todesurteil zuvor: Vor 75 Jahren erhängte sich Erich Ohser im Gefängnis. Der Zeichner der "Vater und Sohn"-Bildgeschichten verachtete das Regime - und arbeitete doch für Goebbels.
Zwei Briefe schreibt der Todgeweihte, bevor er dem Scharfrichter zuvorkommt. Den ersten richtet er an seine Henker: "Sie können stolz sein, der Mörder des Vaters von Vater und Sohn zu sein", schreibt Erich Ohser. "Möge der Fluch von hunderttausend Kindern auf Sie herabkommen! Oh, welche Vorstellung, mit diesen Hinrichtungen gegen die Wahrheit ankommen zu wollen! (...) Mörder, Mörder, Mörder!"
Der zweite Brief geht an seine Frau Marigard und Sohn Christian, 13, der mit Diphtherie im Bett liegt: "Mache aus ihm einen Menschen", bittet Ohser. "Ich gehe mit glücklichem Lächeln", so endet sein Brief.
Dann nimmt Erich Ohser, 41 Jahre alt, ein Handtuch, formt daraus eine Schlinge und erhängt sich am Fenstergitter seiner Zelle im Gestapo-Gefängnis in Berlin-Moabit. Ein Wächter entdeckt den Leichnam am 6. April 1944 um sechs Uhr morgens - der Zeichner wählte den Suizid aus Angst vor dem sicheren Tod.
Am nächsten Morgen um neun Uhr wäre Erich Ohser, angeklagt wegen "Wehrkraftzersetzung" und "landesverräterischer Feindbegünstigung", dem Volksgerichtshof vorgeführt worden. Ihn erwartete das Todesurteil durch den berüchtigten Strafrichter Roland Freisler.
Foto: AP/ e.o.plauen Stiftung
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"Vater und Sohn"-Zeichner Erich Ohser: "Ein Mann wie ein Elefant, der seiltanzen konnte"
Der Grund: Ohser hatte über Hitler und Goebbels gelästert. Ein Mitbewohner schrieb penibel mit und denunzierte einen der genialsten Comiczeichner des 20. Jahrhunderts. Einen Mann, der weder Widerstandsheld noch Täter war. Der das Regime verabscheute - und sich dennoch vor den Nazi-Karren spannen ließ. Denn ab 1940 arbeitete Ohser als Karikaturist für das NS-Renommierprojekt "Das Reich": eine auflagenhohe Wochenzeitschrift mit Leitartikeln von Reichspropagandaminister Josef Goebbels.
"Ich zeichne gegen die Alliierten - und nicht für die Nationalsozialisten": So rechtfertigte Ohser gegenüber Schriftsteller Hans Fallada, einem Freund, seine verstörenden Karikaturen der Vierzigerjahre. Er zeichnete Russland als mordlustige Bärenbestie, Amerika als schmierig-gierigen Kapitalisten, England als blutrünstigen Kolonialherren - kaum zu glauben, dass derselbe Mann der Welt die berührenden "Vater und Sohn"-Bildgeschichten schenkte. Millionenfach bestaunte, menschlich-humorige Miniaturen, die selbst in China und Iran Fans haben und bis heute im Schulunterricht eingesetzt werden.
"Das ist er selbst, der große, herrliche Mann, der so herrlich jung lachen konnte, und sein Junge, sein einziger Sohn, ein spitzmäusiges, lustig lachendes Geschöpf", schrieb Fallada über die "Vater und Sohn"-Geschichten. Ohser veröffentlichte sie ab 1934 unter dem Pseudonym "e. o. plauen" - eine Hommage an seine sächsische Heimatstadt.
Drei Erichs in der Berliner Bohème
Geboren wurde er 1903 in Untergettengrün als Sohn eines Grenzbeamten, verbrachte seine Kindheit in Plauen und absolvierte auf Wunsch des Vaters zunächst eine Schlosserlehre. Doch schweißen, schmieden, schrauben wollte Ohser nicht. Er wollte Künstler werden. "Die Welt wird für den, der zeichnet, schöner, viel schöner", sagte er einmal.
In Leipzig studierte Ohser Kunst und lernte dort seine große Liebe Marigard kennen, der er bald nach dem ersten Rendezvous sagte: "Sie werden meine Frau." Er traf auch den schriftstellernden Studenten Erich Kästner, mit dem er bis an sein Lebensende befreundet blieb.
"Ohser zeichnete, ich schrieb, was das Zeug hielt. Und alles geschah in einer rebellischen Munterkeit", notierte Kästner. Zusammen mit dem Redakteur Erich Knauf bildeten die drei Erichs ein Künstlertrio, dem Sachsen bald zu kleingeistig wurde: Die jungen Bohemiens stürzten sich ins Berliner Getümmel. "Wir arbeiteten wie die Teufel, lachten an der Spree wie vordem an der Pleiße und lebten wieder einmal von der Hand in den Mund", so Kästner.
"Dienst am Volk", "Neue Revue", 1931
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
Ohser illustrierte Kästners Bücher und arbeitete für die gewerkschaftseigene Büchergilde Gutenberg, den sozialdemokratischen "Vorwärts", die "Neue Revue", den "Querschnitt". Er zog mit Karikaturen die Nazis durch den Kakao. So pinkelt ein Hutträger ein zittriges Hakenkreuz in den Schnee - "Dienst am Volk", 1931.
Eine andere Karikatur, 1932 im "Vorwärts", zeigt Hitler als erschöpftes Häufchen Elend, kauernd hinter einem riesigen Propagandaplakat, das den "Führer" in breitschultriger Siegerpose zeigt. "Dringend ruhebedürftig" steht drüber. Auch gegen Goebbels richtete sich Ohsers Spott: "Goebbels macht Toilette" heißt eine Karikatur von 1931, zu sehen ist der eitle Einpeitscher beim Ausprobieren diverser Köpfe.
Ein Anarchopärchen trotzt dem Stechschritt
Doch der spätere NS-Propagandaminister verstand keinen Spaß: Nach der "Machtergreifung" 1933 verweigerte die Reichskulturkammer dem Künstler die Aufnahme, was einem Berufsverbot gleichkam. Nicht mehr zeichnen zu dürfen sei, klagte Ohser, "als würde man mir einen Arm abhacken".
Mit Kästners Büchern gingen auch Ohsers Illustrationen in Flammen auf, Freund Knauf kam für zehn Wochen ins KZ. Obschon längst veröffentlicht, verbrannte Ohser die Originale seiner "Vorwärts"-Karikaturen im Schrebergarten. Doch dann traten ein walrossbärtiger, kugelrunder Glatzkopf und sein zerzauster Zögling auf den Plan - die Reihe "Vater und Sohn" rettete Ohser vor dem Ruin.
Für die "Berliner Illustrirte Zeitung" plante der "arisierte" Ullstein-Verlag 1934 nach Vorbild der US-Comics eine fortlaufende Bildergeschichte um eine feste Figur. Mit "Vater und Sohn" gewann Ohser die Ausschreibung und erhielt vom Propagandaministerium die Ausnahmegenehmigung, "unpolitische Zeichnungen" unter Pseudonym zu veröffentlichen.
Die Menschen schlossen "Vater und Sohn" sofort ins Herz, dieses verspielte Anarchopärchen, das dem Stechschritt trotzt und zusammen die Welt auf den Kopf stellt. Das keine Autoritäten anerkennt, lieber Torte als angebrannte Bohnen mampft und ein Gewehr nur benutzt, um Rosinen in den Kuchen zu schießen. Ein wohltuender Gegenentwurf zur Hart-wie-Kruppstahl-Erziehungsdoktrin der Nationalsozialisten. Bald prangten die liebenswerten "Vater und Sohn"-Antihelden auf Keksdosen, Kaffeefiltern, Zigarettenschachteln.
Patriot und Antikommunist
Auf dem Zenit seines Erfolgs wurde Ohser weiter schikaniert - mit einem weiteren Berufsverbot 1936. Der Verlag intervenierte, Ohser durfte weiterzeichnen, doch das NS-Regime instrumentalisierte ihn nun als Werbemaskottchen. Gemeinsam mit seinem 1931 geborenen Sohn Christian musste Ohser bei Straßensammlungen des NSDAP-Winterhilfswerks auftreten und Zeichnungen für die Organisation liefern.
Populäre Antihelden: Erich Kästner neben einer "Vater und Sohn"-Reklame (um 1935)
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
1940 richtete das Propagandaministerium eine weitere Forderung an den Künstler: Er sollte politische Karikaturen für die NS-Wochenzeitung "Das Reich" anfertigen. Konnte er das ablehnen? Lange diskutierte Ohser mit seiner Frau Marigard, die gegen den lukrativen Job war. Schließlich willigte er ein.
Es war "ganz einfach die Liebe zu seinem Land, das er vor allem vor dem Osten (...) schützen wollte", so Ohsers Witwe nach dem Krieg. 1930 war er mit Kästner nach Moskau und Leningrad gereist - und als entschiedener Antikommunist zurückgekehrt.
Verhängnisvolle Schwerhörigkeit
Aggressiv dämonisierte Ohser im "Reich" vor allem die Russen als dickschädelige Schlächter, Haie, Bären oder Wölfe. Und attackierte auch die anderen Alliierten. "Weit entfernt von der Freundlichkeit von 'Vater und Sohn' wird Ohsers Virtuosität nunmehr böse", schreibt seine Biografin Elke Schulze.
Frontsoldaten schickten Jubelbriefe, 1942 durfte er sein Werk im Berliner "Kunstdienst" ausstellen. Zugleich riss der von Geburt an schwerhörige Künstler in aller Öffentlichkeit lautstark Witze über die NS-Granden. Eine Angewohnheit, die ihm zum Verhängnis wurde.
Als er mit seinem Freund Knauf über den "dümmsten aller Emporkömmlinge" (Hitler) und seinen "Zwerg" (Goebbels) lästerte, verriet ein Mitbewohner, Hauptmann Bruno Schultz, die beiden Künstler. Am 28. März 1944 wurden Ohser und Knauf verhaftet. Goebbels persönlich drängte auf einen kurzen Prozess.
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Titel: Erich Ohser alias e.o.plauen: Ein deutsches Künstlerschicksal
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Ohser geriet in Panik, ein erster Suizidversuch am 31. März scheiterte. Als er am 5. April erfuhr, dass sein Fall am folgenden Tag verhandelt werden sollte, entschied sich der Künstler, seinen Widersachern zuvorzukommen. Diesen Triumph gönnte er ihnen nicht - und wählte den Freitod. "Ich habe ihn im Moabiter Gefängniskeller auf einer Bahre liegend gesehen", schrieb Ohsers Frau Marigard später. "Es war das Gesicht eines glücklichen, heiteren Menschen."
So konnte Hitlers Blutrichter nur Erich Knauf zum Tode verurteilen. Ohsers Freund wurde am 2. Mai 1944 enthauptet. Seine Witwe bekam die Rechnung für den Henker zugeschickt: 158 Reichsmark und 18 Pfennig - zuzüglich 12 Pfennig Porto.
Der Südverlag hat eine Werkausgabe mit den Karikaturen und "Vater und Sohn"-Bildgeschichten veröffentlicht (mehr Informationen hier). Das Erich-Ohser-Haus in Plauen zeigt zweimal im Jahr wechselnde große Überblicksausstellungen zu Leben und Werk Ohsers. Die nächste Ausstellung mit dem Titel "schwarz auf weiß. e.o.plauen & Line Hoven" beginnt am 14. April 2019 um 19 Uhr und wird bis Oktober zu sehen sein. Mehr Infos und Termine finden Sie hier.
32 Bilder"Vater und Sohn"-Zeichner Erich Ohser: "Ein Mann wie ein Elefant, der seiltanzen konnte"
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Angeklagt wegen "Wehrkraftzersetzung" und landesverräterischer Feindbegünstigung": Erich Ohser alias e.o.plauen (1903-1944; undatierte Aufnahme) an seinem Schreibtisch. Der schwerhörige Künstler riss auf offener Straße lautstark Witze über die Nazis und lästerte auch mit seinem Freund Erich Knauf. Ein Ehepaar, mit dem sie sich in Berlin-Kaulsdorf ein Haus teilten, denunzierte die beiden Freunde im März 1944 -
per Suizid entzog Ohser sich der Todesstrafe.
Foto: AP/ e.o.plauen Stiftung
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"Ich bin als Sohn geboren und habe mich im Laufe der Jahre zum Vater emporgearbeitet": Erich Ohser (r.) und seine Familie um 1910. Geboren wurde der Zeichner 1903 in Untergettengrün an der böhmischen Grenze, 1909 zog die Familie ins vogtländische Plauen um. Der Vater war Grenzbeamter und sorgte dafür, dass sein künstlerisch begabter Sohn eine Schlosserlehre absolvierte. 1920 ging Ohser nach Leipzig an die Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe.
Foto: e.o.plauen-Stiftung
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"Einschlafen mit Hindernissen": Schnell bekannt machte Ohser ab 1934 seine markante "Vater und Sohn"-Reihe. Diese Bildgeschichte zeigt exemplarisch, wie wenig Erich Ohser von der strengen NS-Erziehungsdoktrin hielt: Weil der Sohn nicht schlafen mag, spielt der Vater noch kurz mit ihm. Als alle Ermahnungen fehlschlagen, legt sich der entnervte Vater kurzerhand zum Sohn ins Bett - gemeinsam schlummern beide selig ein.
Foto: Hendrik Schmidt/ DPA
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Die zwei Erichs: Erich Ohser und sein Freund, der Schriftsteller Erich Kästner; das Foto entstand Ende der Zwanzigerjahre. Die drei Erichs - der dritte war der Redakteur Erich Knauf - machten als Künstlertrio erst Leipzig und dann (ab 1927/28) Berlin unsicher. "Wir arbeiteten wie die Teufel, lachten an der Spree wie vordem an der Pleiße und lebten wieder einmal von der Hand in den Mund", so Kästner.
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
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Vater mit Sohn: Freudig schwenkt Erich Ohser den kleinen Christian durch die Luft, das Kind kam am 20. Dezember 1931 zur Welt. Drei Jahre später begann der Zeichner seine "Vater und Sohn"-Serie als feste Rubrik in der "Berliner Illustrierten Zeitung". Die Bildgeschichten seien "Erinnerungen an meine Kindheit, ausgelöst durch die Freude am eigenen Sohn", so Ohser.
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
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Gemeinsamer Genuss: Mit viel Vergnügen und zwei Strohhalmen leeren Erich Ohser und sein Sohn Christian einen beachtlichen Humpen, ein Bild aus den Dreißigerjahren. Über seine "Vater und Sohn"-Bildgeschichten schrieb Freund Hans Fallada: "Das ist er selbst, der große, herrliche Mann, der so herrlich jung lachen konnte, und sein Junge, sein einziger Sohn, ein spitzmäusiges, lustig lachendes Geschöpf."
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
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Ferien an der Ostsee: Dieses undatierte Foto zeigt Ohser mit Ehefrau Marigard und Sohn Christian am Strand. Neben Spaten und Kescher wurde eine Hakenkreuz-Fahne in den Sand gerammt. Von wem, ist nicht überliefert. Fest steht: Ohser war ein scharfer Kritiker der Nationalsozialisten, auch wenn er ab 1940 als politischer Karikaturist für das NS-Renommierobjekt "Das Reich" tätig war.
"Dienst am Volk": Ein Besoffener pinkelt ein schwarzes, leicht verwackeltes Hakenkreuz in den Schnee - diese Karikatur aus Ohsers Feder erschien 1931 in der "Neuen Revue". Mit beißendem Spott überzog der Künstler den aufkommenden Nationalsozialismus - was ihm nach der "Machtergreifung" 1933 ein Berufsverbot eintrug.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Bunter Abend: Erich Plauen im Kreis von Freunden (Foto von 1937). "Überhaupt hatte dieser fröhlich lachende Mensch etwas Leises, Umschattetes, Trauer aus tiefstem Grund", schrieb Hans Fallada über ihn. "Nur Hohlköpfe konnten in dieser Zeit nur fröhlich sein, im Wesen aller anderen wirkte tief die Trauer."
Ausgebrannter "Führer": Wer ständig den Dicken markiert, kann irgendwann nicht mehr - "Dringend ruhebedürftig" lautet der Titel dieser Ohser-Karikatur, erschienen 1932 im sozialdemokratischen "Vorwärts". Zu sehen ist ein völlig überlasteter Hitler, der hinter einem gigantischen Propagandaplakat seiner selbst kauert, das den "Führer" in martialisch-breitschultriger Siegerpose zeigt. Unterschrieben ist die Zeichnung mit "Mir ist mies vor mir".
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Mit Spielzeuggewehr: Fasziniert probiert Sohn Christian ein Spielzeuggewehr aus - Vater Erich schaut etwas kritisch. In seinen "Vater und Sohn"-Geschichten blendet der Zeichner die martialische NS-Realität aus - ein Gewehr benutzen die beiden allenfalls, um nachträglich Rosinen in den Kuchen zu schießen.
Foto: ullstein bild/ Max Ehlert
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Eitler Einpeitscher: "Goebbels macht Toilette" lautet der Titel dieser Karikatur, erschienen 1931 in der "Neuen Revue". Zu sehen ist der NS-Reichspropagandaminister im Frack beim Ausprobieren diverser Köpfe. "Der einträglichste Kopf ist doch der des Industriesklaven!", stand darunter.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Selbstbildnis: Diese Tuschezeichnung von sich selbst fertigte Erich Ohser 1925 an. "Ein Mann wie ein Elefant, der seiltanzen konnte", schrieb sein Freund Hans Fallada über ihn. "Vielleicht am berühmtesten geworden durch seine bissigen Karikaturen in der Wochenzeitschrift 'Das Reich', unvergessen aber allen Kinder- und Elternherzen durch seine Bildgeschichten von 'Vater und Sohn'."
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen-Stiftung
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"Nationale Opposition total bankrott!" So lautet der Titel dieser "Vorwärts"-Karikatur von 1931. Sie zeigt Joseph Goebbels und den Unternehmer Alfred Hugenberg, beide ziemlich verschwitzt und ratlos. "Unsere Geschäfte gehen schlecht. Unsere Parteikassen sind leer. Unsere Politik geht in die Brüche", sagt der eine. Darauf der andere: "Es wird eben höchste Zeit, dass wir zur Regierung kommen." 1933 war es soweit: Nach der "Machtergreifung" verweigerte die Reichskulturkammer Erich Ohser die Aufnahme. Erst ab 1934 durfte Ohser wieder zeichnen - allerdings nur Unpolitisches und unter Pseudonym.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Populäre Antihelden: Erich Kästner posiert mit einem Hund auf dem Arm neben einem lebensgroßen "Vater und Sohn"-Reklameschild in Berlin (Foto von ca. 1935). Der walrossbärtige, kugelrunde Vater und sein strubbelhaariger Sohn eroberten in den Dreißigerjahren die Herzen der Menschen, sie prangten auf Plakaten und Keksdosen, Zigarettenschachteln und Kaffeefiltern. "In einer ekelhaften, lügnerisch 'total' politisierten Epoche", so Feuilletonist Friedrich Luft, sei es Ohser gelungen, "eine kleine Oase fast unbekümmerter Menschlichkeit zu schaffen".
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
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Unerschütterliche Optimisten: Dem humorlosen Gleichschritt der Nationalsozialisten und ihrer "Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl"-Pädagogik setzte Erich Ohser sein liebevoll-menschliches "Vater und Sohn"-Duo entgegen. Eine verschworene Gemeinschaft, die auf sämtliche Autoritäten pfeift und selbst der schwierigsten Situation noch etwas Positives abgewinnen kann. Hier sind die beiden im Eis eingebrochen - und freuen sich über die Fische, die sie beim Untergluckern gefangen haben. "Ende gut, alles gut", lautet der Titel dieser Bildgeschichte von 1936.
Foto: Erich Ohser/ Hochschul- und Landesbibliothek Fulda
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Beliebtes Duo: Schauspieler Gerhard Dammann und der kleine Heinze im Pausenprogramm der Zirkusschau "Menschen, Tiere, Sensationen" 1937 in der Berliner Deutschlandhalle. Die beiden verkörperten das populäre "Vater-Sohn"-Paar - und freuten sich sehr über den geistigen Vater Erich Ohser, der die Vorstellung besuchte und sich zu den Schauspielern herabbeugte.
Vom NS-Regime instrumentalisiert: "Hier sammeln Vater und Sohn!" steht auf dem Plakat - zu sehen sind zwei überlebensgroße Vater- und Sohn-Figuren, die am 4. Dezember 1937, dem sogenannten "Tag der Nationalen Solidarität", in Berlin um Geldspenden warben. Alljährlich sammelten an diesem Tag Parteigrößen und prominente Künstler für das "Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" - ab 1936 mussten auch Erich Ohser und sein Sohn mitmachen.
Foto: ullstein bild/ Heinz Fremke
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"Vater und Sohn" nehmen Abschied: 1937 beendete Erich Ohser seine Serie. Einerseits gingen ihm die Ideen aus, andererseits war er es leid, als Werbemaskottchen vom NS-Regime benutzt zu werden. In der letzten Bildgeschichte entschweben die beiden liebenswerten Anarchisten in den Himmel. Der Vater grinst ab sofort als schnauzbärtiger Mond auf die Welt hinab, der Sohn strahlt als heller Stern am Firmament.
Foto: Südverlag
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Innerlich zerrissen: Anfang der Dreißigerjahre veräppelte Erich Ohser das NS-Regime mit beißenden Vignetten etwa im SPD-Organ "Vorwärts" - zehn Jahre später zeichnete er im Auftrag der Nationalsozialisten propagandistische Hetz-Karikaturen. "Seine wahre Meinung zu äußern", schrieb er resigniert an Freund Kurt Kusenberg, "hat keinen Zweck, weil man umgebracht wird."
Foto: e.o.plauen-Gesellschaft
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Vater ohne Sohn: Einladungskarte zur Vernissage von Erich Ohsers Ausstellung im "Kunstdienst" (Berlin 1942). Der "Vater" schickt sich an, den britischen Premier Winston Churchill zu zeichnen, den Ohser als tränensackbeschwerten, in sich zusammengesunkenen Griesgram karikierte.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Künstler-Ehe: Erich Ohser und seine Frau Marigard Bantzer bei der Zeitungslektüre in Berlin (Dreißigerjahre). Bantzer, die Tochter des Malers und Hofrats Carl Bantzer, studierte auch in Leipzig, wo beide sich kennenlernten. Als Ohser 1933 nicht mehr zeichnen durfte, ernährte die Kinderbuchillustratorin zeitweilig die Familie.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen-Stiftung
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Mordlüsternes Monster: Ab 1940 arbeitete Erich Ohser als politischer Karikaturist für die NS-Wochenzeitschrift "Das Reich". Besonders aggressiv sind seine Darstellungen Russlands, das der Künstler mal als blutrünstigen Bären, mal als Hai, Wolf oder Schlächter dämonisierte. Ohser war 1930 mit Erich Kästner nach Moskau und Leningrad gereist und - zutiefst bestürzt über die Zustände im Land - als überzeugter Antikommunist zurückgekehrt.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Zähes Ringen: "Nanu, der Stiefel geht ja gar nicht ab!", sagt der eine. Darauf der andere: "Da hat, scheint es, jemand sein Bein reingesteckt!" Mit diesen Sätzen wurde die 1943 erschienene Karikatur für "Das Reich" versehen. Die Propaganda-Aussage dahinter: So sehr England und die USA auch zerren und ziehen - Italien bekommen sie nicht einfach so.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Die Alliierten als finstere Brutalos: "Europäer, fürchtet Euch nicht vor einem Sieg der Alliierten! Jeder von uns steht mit einem Plan bereit!", lautet der Text zu dieser Ohser-Karikatur, erschienen 1943 in der NS-Wochenzeitschrift "Das Reich". Die Kriegsgegner der Deutschen werden als fiese Schläger verunglimpft, die Tod und Verderben bringen. Laut seiner Biografin Elke Schulze empfand Ohser die Arbeit für "Das Reich" zunehmend als Fron. Seinem Freund Hans Fallada gegenüber rechtfertigte er die Propaganda-Zeichnungen mit den Worten: "Ich zeichne gegen die Alliierten - nicht für die Nationalsozialisten."
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Erich und Marigard 1943 in Berlin: Ende des Jahres wurde Familie Ohser ausgebombt, Ehefrau und Sohn zogen nach Süddeutschland. "Es ist unvorstellbar traurig, durch diese Straßenleichname zu gehen", schrieb der Zeichner im Dezember 1943 seiner Frau. Ohser blieb in Berlin, arbeitete weiter für die NS-Wochenzeitschrift "Das Reich" und zog mit Erich Knauf nach Kaulsdorf, wo sie gemeinsam mit Margarete und Bruno Schultz ein Haus bewohnten - jenem Ehepaar, dass die Freunde 1944 wegen regimekritischer Aussagen denunzieren sollte.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen-Stiftung
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Hinterhältige Freiheitsstatue: "Das demokratische Füllhorn des Glückes wird über Europa ausgeschüttet" - diese Ohser-Karikatur erschien 1943 in dem publizistischen NS-Renommierobjekt "Das Reich". Die Freiheitsstatue verspricht Glück, Kultur, Frieden, Freiheit und Segen; tatsächlich purzeln Tod und Verderben aus ihrem Füllhorn.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Ernster Blick: Diese Bleistiftzeichnung von seinem Sohn Christian, elf Jahre alt, fertigte Erich Ohser im Jahr 1942 an. Zwei Jahre später nahm der Künstler sich im Gestapo-Gefängnis das Leben.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Verfilmte Freundschaft: Der Schauspieler Hans Löw (l.) verkörpert Erich Ohser im 2016 erstmals ausgestrahlten Film "Kästner und der kleine Dienstag" (Regie: Wolfgang Murnberger). In die Rolle Kästners, mit dem Ohser bis zu seinem Tod eng befreundet war, schlüpfte Florian David Fitz (M.).
Foto: Anjeza Cikopano/ ORF/ DOR Film/ DPA
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Pariser Kaffeehausszene: Diese Zeichnung Ohsers entstand 1929 bei einem Ausflug mit Erich Kästner in die französische Metropole. Von aufwendigen Gemälden hielt der Künstler nichts: "Eine kleine Zeichnung über das Auge, durch das Herz aufs Papier gebracht, ist mehr wert als ein sechs Quadratmeter großer, krampfig gemalter, verlogener Schauerschinken", so Ohser.
Foto: Erich Ohser/ e.o.plauen Stiftung
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Im Tod vereint: Auf dem Hauptfriedhof in Plauen befindet sich das Grab von Erich Ohser und seinem Sohn Christian, der im Jahr 2001 verstarb. Den Grabstein ziert eine Zeichnung aus der letzten "Vater und Sohn"- Bildgeschichte. Sie zeigt das Pärchen, wie es dem Publikum den Rücken zukehrt und Richtung Mond schwebt.
Foto: Hendrik Schmidt/ DPA
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Stolperstein für Erich Ohser: Vor der Dudenstraße 10 in Berlin-Kreuzberg erinnert diese kleine Metallplatte an den großen Zeichner, der sich vor 75 Jahren das Leben nahm, um seinen Schergen zuvorzukommen. "Er war ein rauflustiger Kritiker seiner Zeit", schrieb Kästner über seinen 1944 in den Tod getriebenen Freund. "Er hasste die Profitmacher, er verlachte die Spießer und Heuchler, er attackierte die Bürokratie, er focht für die Freiheit des einzelnen und kämpfte gegen die Dummheit der meisten."