Augenblick mal Wofür brauchte die US-Army Poledancer?

Männer, die an Pfählen turnen: Welche seltsamen Rituale pflegte diese Truppe? War es Mutprobe, Leistungsschau - oder etwa Kunst? Einestages erzählt die Geschichte hinter diesem Foto.
Foto: U.S. National Archives

Archaische Institutionen haben oft komische Initiationsriten. Da werden Mutproben verlangt, Gesten der Unterwerfung, die angeblich den Korpsgeist stärken. Im besten Falle sind sie nur peinlich, manchmal auch schmerzhaft oder verletzend. Novizen haben nichts zu lachen, ob in manchen Elite-Internaten, Studentenverbindungen oder beim Militär.

Dieses Foto zeigt auch die Neuen. Es sind Rekruten der US-Armee, die sich nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg für den Fronteinsatz gemeldet haben. Unter den gegebenen Umständen schauen sie allerdings gar nicht so unglücklich. Müssen sie auch nicht.

Wer oder was aber trieb sie auf die Pfähle? Wofür brauchte die Armee Poledancer und Akrobaten?

Die jungen Herren, die hier an Masten über ihren Ausbildern turnen, waren Teilnehmer des sogenannten SATC-Programms, Abkürzung für: Student Army Trainings Corps, ins Leben gerufen durch das US-Kriegsministerium im Frühjahr 1918. Die studentischen Abteilungen sollten, in praktischen Fertigkeiten geschult, das Fachkräftereservoir der Armee bilden. Aus dem Pool der Soldaten mit Hochschulreife wollte das Militär dringend benötigte Offiziere schöpfen.

Ort der Ausbildung waren akademische Stätten, in diesem Fall die University of Michigan in Ann Arbor. Colleges profitierten von dem Programm, weil es ihnen ersetzte, was sie an Studenten und somit an Geld durch die Einberufungen verloren. Aus der Kriegskasse wurden Hochschulen dafür bezahlt, junge Rekruten unterzubringen, zu verpflegen und in Dingen zu schulen, die man im Krieg gebrauchen konnte.

Außer in Militärkunde wurden die potenziellen Akademiker zu Automechanikern, Chauffeuren, Schmieden, Tischlern, Funkern, Maschinisten und Maurern ausgebildet - oder zu Elektrikern. Und für die gehörte das Erklimmen eines Telefonmasts selbstverständlich zum Berufsbild. Entsprechend grazil präsentierten sie sich auf dieser Gruppenaufnahme.

Fotostrecke

Männer, die an Stangen turnen: Pole Dance in the Army

Foto: © Jitendra Prakash / Reuters/ REUTERS

Es sollte nicht viele solcher Bilder geben: Der Waffenstillstand im November 1918 unterbrach das Berufsausbildungsprogramm, kurz nachdem es begonnen hatte. Bereits einen Monat später lösten die USA ihre Student Army Trainings Corps auf.

Die ersten Absolventen immerhin beherrschten einen Job, den sie vielleicht noch brauchen konnten, sollte es mit der akademischen Ausbildung nicht klappen. Als Lineman etwa. So hießen die Arbeiter, die seit Erfindung von Telegrafie und Telefon und mit Beginn der Elektrifizierung Kabel durchs ganze Land zogen. Der Beruf galt damals als einer der gefährlichsten überhaupt - nicht allein der Akrobatik wegen, sondern auch wegen der noch wenig ausgeprägten Schutzvorkehrungen.

Poledance übrigens, woran die Aufnahme ein wenig erinnert, war ursprünglich auch eine reine Männerdomäne - siehe Fotostrecke. Auch diese Form der Akrobatik verlangte Kraft, Fitness und Beweglichkeit. In den ersten Jahrzehnten den 20. Jahrhunderts wurde sie in den USA zu eine Attraktion in Wanderzirkussen - dort allerdings vornehmlich von Frauen ausgeführt, die an den Stangen des Zirkuszeltes turnten.

Es blieb bekanntlich nicht beim Zirkus. Wie die meisten Elektriker wurden auch Stangentänzerinnen irgendwann sesshaft.

Augenblick mal!
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