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Geniale Filmanfänge: Liebe auf den ersten Blick

Foto: Universal Pictures

Berühmte erste Filmszenen Genial von Anfang an

Kaum angefangen, schon eingefangen: Gute Filme packen einen sofort - und lassen einen nie mehr los. Hier sind unvergessliche erste Sekunden.

Sonnengelbe Buchstaben rollen über eine schwarze Leinwand, kleine Sprenkel deuten einen Sternenhimmel an. Die Schrift verliert sich in der Tiefe einer weit, weit entfernten Galaxis, aus dem Off schmettern Fanfaren. Die letzten Buchstaben sind kaum in der Schwärze des Alls verschwunden, da saust ein fliehendes Raumschiff ihnen hinterher. Und dann kommt er - von oben schiebt sich gewaltig der imperiale Sternenzerstörer ins Bild, bis er fast die ganze Leinwand ausfüllt.

Die ersten Sekunden von George Lucas' "Star Wars" haben 1977 Filmgeschichte geschrieben und machten gleich ganz zu Beginn der noch unbekannten Filmreihe klar, dass man es hier mit einem Filmepos wahrhaft titanischen Ausmaßes zu tun bekommen würde. Schon mit der ersten Einstellung wurde auch die dunkle Bedrohung, die im Film vom finsteren Imperium ausging, fühlbar.

Ein ähnliches Gefühl der Bedrohung, nur mit einer genau entgegengesetzten Bewegung, hatte Stanley Kubrick sechs Jahre zuvor mit einem ebenfalls ikonischen Filmanfang geschaffen: Der Startszene von "Uhrwerk Orange". Untermalt von einer unheilvollen Synthesizerversion von Henry Purcells "Music for the Funeral of Queen Mary" füllt hier vor schwarzer Leere das hasserfüllt lächelnde Gesicht des Schlägers Alex die Leinwand, seine eisblauen Augen direkt auf den Zuschauer gerichtet.

Reglos verharrt er, während die Kamera rückwärts von ihm weg fährt und auch seine Kumpels ins Bild kommen, ganz in Weiß uniformiert, abgesehen von den schwarzen Hüten und Springerstiefeln. Und fast so starr wie die porzellanweiß-nackten Frauenfiguren, die in obszöner Brückenhaltung als Tische und Fußablage dienen. Willkommen in der Korova-Milchbar! Aus dem Off stellt Alex jetzt seine "Droogs" vor: Pete, Georgie und Dim, die sich mit einem Glas Drogenmilch in Stimmung bringen für "ein wenig Ultra-Brutale".

Der Anfang eines Films gibt die Richtung für alles vor, was noch folgt. Er liefert die Folie, durch die das restliche Geschehen betrachtet und gehört wird. Und brennt sich dem Zuschauer dauerhaft ein, wenn es ihm gelingt, gleich in den ersten Minuten oder gar Sekunden die Essenz des Filmes auf den Punkt zu bringen.

Narrative Miniaturen

Egal, ob mit schnellen Schnitten oder ruhigen Einstellungen, meistens geht es in Anfangsszenen vor allem darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mit allen Mitteln - und sei es Scarlett Johanssons Po in einem fadenscheinigen Slip, der 2003 die erste halbe Minute von Sofia Coppolas "Lost in Translation" zu sehen war.

Gelegentlich aber gibt es auch Filmanfänge, die wie eigene kleine Geschichten funktionieren. Narrative Miniaturen, aus denen sich sehenswerte Kurzfilme basteln ließen. Behaglich wie eine Picknickdecke breitet David Lynch in der ersten Einstellung von "Blue Velvet" (1986) die Farben der US-Flagge vor seinem Publikum aus. Gemächlich, sommerträge senkt die Kamera ihren Blick. Vor einem weiß getünchten Lattenzaun ragen rote Rosen in den azurblauen Himmel. Jazzsänger Bobby Vinton trällert schmachtend von zärtlichen Seufzern und blauem Samt.

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Ein altertümlicher Feuerwehrwagen zuckelt vorbei. Vom Tritt zur Beifahrertür winkt ein Mann in Bügelfaltenhose und kurzem Hemd. Dekorativ zu seinen Füßen fährt ein Dalmatiner auf dem Trittbrett mit. Bevor man merkt, dass das eigentlich ein Witz sein muss, kehrt auch schon der Lattenzaun zurück ins Bild und strahlt so blütenweiß, als habe Tom Sawyer ihn eben frisch streichen lassen. Gelbe Tulpen schaukeln im Wind. Eine Schülerlotsin winkt Kinder über die Straße: erst die großen, dann die kleinen. Ein Mann sprengt den Rasen. Eine Frau hat es sich mit einer Tasse Tee vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Was für ein wunderbar fauler Sommertag!

Nur der Revolver, der auf der Mattscheibe auftaucht, will nicht so recht ins Bild passen. Draußen verheddert sich der Gartenschlauch im Rosenbusch. Der Mann mit Hut zerrt daran, greift sich plötzlich an den Hals, fängt an zu röcheln, bricht zusammen. Während er benommen auf dem Rücken liegt, spritzt das Wasser wie eine Blutfontäne aus dem Schlauch. Bobby Vinton trällert.

Das Böse lauert im Gras

Das Idyll gerät in Schieflage: Die Kamera fährt in den Rasen hinein, in die bedrohliche Froschperspektive eines Tierhorrorstreifens. Wie ein Dschungel wirken die riesenhaften Halme aus diesem Blickwinkel. Dazu ein Brummen, als würde man in der Badewanne untertauchen und sein eigenes Blut zirkulieren hören. Etwas rauscht und schmatzt und schabt. Immer lauter. Bis die Kamera, die sich durch das Gestrüpp windet, auf eine Meute schwarz glänzender Käfer stößt, ein rastlos gefräßiges Knäuel. Unter der Oberfläche, wenn man ganz genau hinschaut, bleibt nicht viel übrig vom Kleinstadtidyll.

Wollte man Lynchs gesamtes Filmoeuvre auf wenige Sekunden einkochen, es müssten wohl diese sein. Hinter der kleinbürgerlichen Kitschfassade tun sich menschliche Abgründe auf.

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Volk, Stefan

Skandalfilme: Cineastische Aufreger gestern und heute

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24.03.2023 18.11 Uhr

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Auf die ersten Minuten kommt es an. Wer sein Publikum nicht gleich am Anfang packt, der kriegt es vielleicht nie. David Lynch hat uns schon nach dreizehn Sekunden.

Mit den verschiedensten Mitteln schafften es andere Regisseure, die Zuschauer gleich in diesen ersten Augenblicken in ihren Bann zu schlagen - Sergio Leone mit den knarzenden, quietschenden Geräuschen eines einsamen Bahnhofs in "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968), Stephen Spielberg mit einem tödlichen Schwimmausflug in dunkler See am Anfang von "Der weiße Hai" (1975). einestages erinnert an grandiose Filmanfänge - von denen man sich wünscht, sie würden nie enden.

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