
Filmgeschichte: Wenn schöne Frauen schöne Dinge tun
Filmgeschichte Wenn schöne Frauen schöne Dinge tun
Gibt es noch einen unbeleuchteten Aspekt des Großthemas 1968? Aber ja: Im Sommer jenes wundersamen Jahres drehte Rudolf Thome mit Uschi Obermaier und Iris Berben, Ulli Lommel und Marquard Bohm seinen ersten Spielfilm "Detektive". Die Krimigroteske ist ein Geheimtipp aus dem Schaffen der damals blühenden Münchner Schule - und wirkt heute so sexy und lässig wie einst.
Das "Oberhausener Manifest" von 1962, in dem die deutsche Filmavantgarde "Papas Kino" für tot erklärt hatte, war schon ein paar Jahre her. Ohnehin hatten die Filmemacher um Rudolf Thome, Klaus Lemke und Max Zihlmann, die sich Mitte der Sechziger zur "Münchner Gruppe" zusammenschlossen, mit dem gesellschaftskritischen Anspruch der Oberhausen-Fraktion nicht viel im Sinn. Die jungen Wilden aus Schwabing wollten lieber einfache Genre-Geschichten erzählen, stilistisch irgendwo zwischen Hollywood und Nouvelle Vague angesiedelt und mit vor allem zwei Bestandteilen: girls and guns.
Gleichwohl beginnt die Geschichte von Thomes "Detektiven" im Ruhrgebiet: Auf den 14. Westdeutschen Kurzfilmtagen in Oberhausen, die vom 31. März bis 6. April 1968 stattfanden, hatte der Regisseur den 15-Minüter "Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt" präsentiert und die Produzentin und Mäzenin Petra Nettelbeck kennengelernt. Sie war bereit, seinen ersten Langfilm mit 30.000 Mark zu fördern. "Max Zihlmann hatte zu diesem Zeitpunkt ein Drehbuch angefangen, aber nicht zu Ende gebracht, weil es ihn plötzlich zu sehr an Godards 'Bande à part' erinnerte", rekapituliert Thome heute. "Aber da nun Petra Nettelbeck zugestimmt hatte, hab' ich gesagt: Du musst sofort weiterschreiben. Das war Mitte April. Im Mai habe ich dann Stab und Besetzung zusammengesucht, und im Juni haben wir gedreht."
Stimmung, Posen, Sexyness
Was der Regisseur und seine Crew in jenem Sommer in München, der damaligen Hauptstadt des Cool, in Schwarzweiß und Cinemascope auf die Leinwand brachten, muss in die derzeitige umfassende 1968-Würdigung unbedingt miteinbezogen werden - nicht, weil es plakativ politisch wäre, sondern weil es von einer Haltung kündet und dabei so erstaunlich frisch geblieben ist. Abgesehen davon, dass der Film eindeutig vor Inkrafttreten des Rauchverbots entstanden ist, gibt es nichts, was ihn bei heutiger Ansicht überholt erscheinen ließe. Im Gegenteil: Inspiriert und zeitlos lässig wirkt das Werk, das nicht nur Thomes Debüt markierte, sondern auch die ersten Kinorollen von Iris Berben und Uschi Obermaier, die sich hier Chrissie Malberg nannte.
Der Krimiplot um die von Marquard Bohm und Ulli Lommel verkörperten Titelhelden, die gemeinsam das Detektivbüro West und Schubert betreiben, ist dabei für das Vergnügen von eher nebensächlicher Bedeutung. Die Story um die von einem Verehrer verfolgte Annabella (Berben) und den geplanten Giftmord an einem Industrieboss dient nur als Gerüst, um daran allerlei Intrigen und Seitenwechsel aufzuhängen. In Wahrheit geht es um Stimmung, ironische Posen, Filmzitate und Sexyness.
Selten ist der Truffautsche Leitsatz, schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen, beherzter umgesetzt worden als hier: Uschi Obermaier läuft als Sekretärin der beiden Schnüffler meist barfuß und im kleinen Schwarzen durch das karg möblierte Büro - oder gleich in Höschen und BH. Und Iris Berben bemerkt als Klientin einmal in aller Unschuld, sie könne doch nicht mit jedem Mann schlafen, der ihr gefalle. Während die Kerle nach dem Vorbild von Howard-Hawks-Cowboys mit Pistolen und Gewehren hantieren, legen die Mädchen dem verletzten Verehrer einen Kopfverband an und philosophieren über die Ehe. Uschi zu Iris: "Ich an deiner Stelle würde ihn ja heiraten. So schnell findest du nicht wieder einen Mann, der auf dich schießt."
Überhaupt sind die lakonischen Dialoge eine Stärke des Films. Sätze wie Marquard Bohms wunderbare Selbsteinschätzung "Ich habe auch einmal zu Hoffnungen Anlass gegeben - ich konnte mich nur nicht entscheiden, zu welchen" entfalten ihren Charme bis heute. Und sie illustrieren perfekt die entspannte "Afterhours"-Atmosphäre, die am Set geherrscht haben muss und die Ulli Lommel in der liebevoll gestalteten DVD-Edition im Interview beschreibt: "Wir haben damals entweder gedreht oder gefeiert." Der Zuschauer gewinnt den Eindruck, das Ensemble habe sich vor allem deshalb zusammengefunden, weil die Coolen damals halt vor Ort waren. Tatsächlich war nur Marquard Bohm, der als "deutscher Belmondo" galt, von Beginn an gesetzt; Lommel sollte eigentlich bei Lemke spielen und stand zur Verfügung, weil der ihn schließlich doch nicht nahm; Iris Berben wurde von Kritikerstar Uwe Nettelbeck aus Hamburg an den Set gefahren. Und Obermaier und Thome wohnten sowieso im selben Haus.
"Ich hätte es lieber unprofessioneller"
An Anekdoten über Geldmangel (die 30.000 reichten nicht!), Gagen (30 Mark am Tag für jeden) und übernächtigte Darsteller besteht denn auch kein Mangel. Amüsiert erinnert sich Thome daran, welch hohen Stellenwert damals Autos hatten - und wie sein eigener Wagen, ein roter Ford Cabrio, beim Dreh zum Einsatz kam. Schließlich ging er kaputt und musste abgeschleppt werden - was man zu Thomes Missfallen in einer Filmeinstellung an der etwas schlingernden Fahrbewegung erkennen kann.
Zum Thema "Politisches 1968" fällt dem Regisseur indes weniger ein: "Natürlich gab es jede Menge Demos, aber dafür hatten wir keine Zeit, wir mussten ja drehen." Vor allem erinnert er sich daran, wie er einmal ein paar hübsche Promoterinnen dazu animierte, ihre Marsriegel doch auf einer Kundgebung an Polizisten und Protestierende gleichermaßen zu verteilen. Und daran, dass er 1969 zum Kinostart von "Detektive" Flugblätter mit einer positiven "SZ"-Kritik an der Isar verteilen ließ.
Die unterschiedliche Arbeitsweise damals und heute kann der 68-Jährige, der gerade mitten in den Dreharbeiten zu seinem 26. Film "Pink" steckt, allerdings sehr plastisch beschreiben: "Die Leute heute haben ein völlig anderes, ein extrem professionelles Selbstverständnis. Da fasst kein Oberbeleuchter mehr einen Scheinwerfer an - denn dafür sind die Unterbeleuchter zuständig. Das macht es für mich schwieriger. Ich hätte es lieber ein bisschen unprofessioneller. Damals konnte eigentlich jeder alles machen, beziehungsweise keiner eine Sache so richtig. Wir waren ja alle Anfänger."
Wahrscheinlich liegt genau in dieser charmant-naiven Herangehensweise der Zauber seines Erstlingswerks begründet. In jedem Fall vermisst man bei "Detektive" nichts - wer hätte denn das coole Quartett in andere Kostüme stecken wollen? Und mehr Maske brauchte hier definitiv auch keiner.