
Queen-Sänger Mercury: Are you ready for Freddie?
Queen-Sänger Mercury "Wie ein echter Champion"

Hannes Rossacher, geboren 1952 (hier auf einem Bild von 1990), zählt zusammen mit Rudi Dolezal zu Europas Musikvideo-Pionieren. Er arbeitete unter anderem für die Rolling Stones, David Bowie, Falco, Rammstein, die Scorpions - und vielfach für Queen. Rossacher und Dolezal erhielten für ihre Videos und Musikfilme etliche Preise.
Es war im Juli 1985, als das Telefon bei mir in Wien klingelte. Auf der Suche nach einer Filmcrew hatte Queen-Manager Jim Beach sich an mich und meinen Partner Rudi Dolezal erinnert. Bis dahin hatten wir schon einige Male für deutsche TV-Sendungen mit der Band gedreht.
Queen hatten soeben beim "Live Aid"-Festival im Wembley-Stadion in London allen anderen Acts die Show gestohlen und wollten das Momentum dieses Triumphs jetzt nutzen, um im Münchener Musicland Studio eine neue Platte aufzunehmen. Wir erhielten den Auftrag, das filmisch festzuhalten. Am ersten Tag kam die Band ins Studio, um sich warmzuspielen. Sie begannen, auf dem Riff von "Start Me Up" von den Stones zu jammen. Nach etwa vier Stunden war daraus eine erste Rohversion von "One Vision" geworden.
Das Video sollte den unglaublichen musikalischen Druck zeigen, den die Band um Freddie Mercury zu erzeugen verstand. Das ist, denke ich, gelungen. Die Splitscreens im Video sind eine Hommage an den von Martin Scorcese geschnittenen "Woodstock"-Film. Ich war von dieser Ästhetik als Filmemacher sehr beeinflusst. Geschnitten wurde das Video in London im damaligen Top-Laden Visions in der Dean Street. Es gab drei Schneideräume - neben uns schnitten die Stones "One Hit To The Body" und die Dire Straits "Brothers In Arms".
Eines Abends wurde bei einem Chinesen Essen geordert, alle haben sich gegenseitig die Videos gezeigt. Freddie hatte sich von Dave Clarke (Dave Clark Five) in dessen Rolls-Royce zum Studio bringen lassen. Sie hatten den Wagen mitten auf der Straße geparkt, schon bald stand - sehr zum Amüsement von Freddie - die Polizei in der Tür.
Geburtstagparty im Nachtklub
Die Tätigkeit als Musikvideoregisseur muss man sich als eine Art kreativer Dienstleister vorstellen: Du wirst von Plattenfirma oder Management eines Künstlers kontaktiert, zu bestimmten Songs Ideen für ein Musikvideo zu präsentieren. Wenn dein Ansatz gefällt, kriegst du den Job.
Freddie war bei Queen eine Art Creative Director, er hat sich umfänglich in Konzept, Art Direction, Look und Schnitt eingebracht. Entweder hatte Freddie schon eine bestimmte Idee für die Umsetzung eines Songs, oder es gab im Londoner Office in der Pembridge Road ein Bandmeeting, bei dem man Konzepte besprach.
Ein Beispiel: Zum Song "Invisible Man" machten wir zwei Vorschläge - "Junge spielt ein 'Invisible Man'-Computerspiel" oder eine "Varieté-Story mit einer Houdini-artigen Figur im London der Zwanzigerjahre". Die Band wählte die Computerspielvariante, weil gerade Kinofilme wie "War Games" populär waren. Zeitgeist spielt immer eine Rolle in den Videos, sie sind eine Art Kunst mit Verfallsdatum.

Queen-Sänger Mercury: Are you ready for Freddie?
Freddie lebte Mitte der Achtzigerjahre in München. Hier wurde er weitgehend in Ruhe gelassen und hatte im Gegensatz zu London nicht ständig Paparazzi vor der Nase. Seinen 39. Geburtstag feierte er 1985 im Nachtklub Mrs. Henderson im Glockenbachviertel. Der plüschige Laden mit viel rotem Samt wurde eigens dafür zwei Wochen geschlossen und nach Freddies Vorstellungen komplett in Schwarz-Weiß umdekoriert.
"Black & White" war das Motto seiner Party, in Anlehnung an den berühmten "Black & White Ball" von Truman Capote im New York der Sechzigerjahre. Aus London ließ Freddie Freunde mit einer Boeing 737 einfliegen, dazu waren Münchner Szenetypen und seine Freundin Barbara Valentin eingeladen. Alle mussten in schwarz-weißen Kostümen erscheinen.
"No one's gonna stop me, honey!"
Es wurde wild gefeiert, getrunken und geflirtet. Freddie war in seinem Element. Was Spaßhaben anging, war seine Devise: "No one's gonna stop me, honey!" Und wenn er schon so viel Geld für die Party ausgab, wollte er das Event auch professionell auf Film festgehalten wissen.
Als Freddie unser Filmmaterial sichtete, entschied er spontan, die Partyszenen auch für ein Musikvideo zu seiner Solosingle "Living On My Own" zu nutzen. Der Klub blieb daraufhin weitere zwei Wochen geschlossen, wir ergänzten die Partybilder mit Gesangsaufnahmen von Freddie und Tanzeinlagen mit Dragqueens. Dieses Video ist mein persönlicher Favorit.
Queen waren aber auch immer sehr generös, was Partys anging, und feierten gern mit ihrer Roadcrew. 1986 mussten wir eine Party für sie in Wien organisieren: Gerry Stickells, ihr legendärer Tourmanager, der schon mit Hendrix unterwegs gewesen war, hatte Geburtstag. Also musste her, was Engländer für eine Rock'n'Roll-Party brauchen: Penthouse-"Pet of the Year" Brigitta Cimarolli (auch in Falco-Videos zu sehen) entstieg einer Geburtstagstorte. Dazu Stripperinnen und eine Domina.
Passend zum Bandnamen plante ich, als Location das Wiener Animierlokal Queens Club zu mieten. Leider drehte der Besitzer mit seinen finanziellen Vorstellungen durch, als er hörte, wer da kommen wollte. So feierten wir schließlich im Wiener Café Seinerzeit, das - praktisch für die englischen Roadies - über den Hof einen direkten Zugang zu einem Bordell hatte.
Ein großzügiger Gastgeber...
Die Arbeit mit Queen war besonders. Die Band war sehr anspruchsvoll und willens, für die Videos auch finanziell großen Aufwand zu treiben. Ideal für einen Videoregisseur. In der Zeit von 1985 bis 1992 haben wir viel für die Band gearbeitet. Es entstand eine Art freundschaftliches Verhältnis, das über den normalen Umgang zwischen Künstler und Videoregisseur in unserer Branche hinausging.
Freddie Mercury war ja einer der letzten Rockstars, der sich eine Entourage hielt. Er war ein großzügiger Gastgeber - nicht nur bei seinen pompösen Geburtstagspartys. Wenn wir in London zu tun hatten, lud uns Freddie wiederholt zu sich nach Hause ein. Mal lag er eingerollt auf der Couch und guckte einen alten Hollywoodstreifen auf BBC2, mal gab er ein Dinner und spielte anschließend den Gästen im Wohnzimmer vor, wie er mit der Opernsängerin Montserrat Caballé in Barcelona für einen Auftritt probt. Alle lagen am Boden vor Lachen. Er konnte wahnsinnig lustig sein und auch über sich selbst lachen.
Freddies sexuelle Orientierung war offensichtlich, er ist auch stets unbefangen damit umgegangen. Das war damals nicht selbstverständlich; Elton John etwa war eine Scheinehe mit seiner Tontechnikerin eingegangen. Allerdings hat sich Freddie aus Rücksicht auf seine Eltern zeitlebens nie öffentlich dazu bekannt. Freddies Eltern waren sehr religiös. Sie haben es wohl geahnt, aber nie thematisiert, denn ihr Glaube, der Zoroastrismus, kennt Homosexualität nicht. Wie Freddie das Thema seiner HIV-Erkrankung mit seiner Familie und den Bandmitgliedern besprochen hat, dazu kann ich nichts sagen, und es zu deuten, steht mir nicht zu.
1991, bei den Videodrehs zu Songs des Albums "Innuendo", war es offensichtlich, dass gesundheitlich etwas nicht mit ihm stimmte. Er wirkte schwach und zerbrechlich. "These Are the Days of Our Lives" war das letzte Video, das wir mit Freddie drehten, in den Pinewood Studios bei London.
...und ein echter Champion
Die Stimmung war gedämpft. Allen war bewusst, dass es Freddie nicht gut geht. Er war gezeichnet von der Krankheit und hatte Schwierigkeiten zu stehen. Er lag meist in der Garderobe und trat immer nur kurz für seine Szenen vor die Kamera. Aber er wollte das durchziehen. Und alle haben sich bemüht, dies in würdigem Rahmen zu gestalten. Die Engländer haben eine spezielle Art der Gelassenheit, mit schwierigen, traurigen Dingen umzugehen.
Zum finalen Video "The Show Must Go On" wurde eine Collage aus bestehenden Queen-Sequenzen erstellt. Freddie war mittlerweile zu schwach zum Drehen. Aber singen konnte er erstaunlicherweise noch immer. Noch kurz vor seinem Tod war er im Studio, um letzte Takes einzusingen. Das zu tun, war für ihn wichtig. Rückblickend ist es schön, zu wissen, dass ihn seine einmalige Stimme trotz der schweren Krankheit nie verlassen hat.
Freddie Mercury war ein außergewöhnlicher und reizender Mensch mit einem unglaublichen Lebensweg von Sansibar bis an die Spitze der internationalen Charts. Aber dieses Schicksal war sicher kein "Bed Of Roses", wie er selbst in "We Are The Champions" singt.
Ich erinnere mich an eine Backstageszene vor einem Konzert im Wembley-Stadion 1986: Seine Vertraute Mary Austin war mit ihrem Baby zu Besuch. Freddie wiegte es in seinen Armen, schließlich sagte er: "Very beautiful, but not mine!" In diesem Moment schien eine Wehmut in seiner Stimme mitzuschwingen.
Um Freddie Mercury zu verstehen, muss man sich eigentlich nur "Bohemian Rhapsody" anhören - darin erfährt man alles über ihn. Besser kann man ihn nicht beschreiben. Wir haben unvergessliche Zeiten mit ihm erleben dürfen. Er war ein einzigartiger Künstler. Freddie sprühte wie eine Wunderkerze. Bis zu seinem tragischen Ende hat er nie aufgegeben. Wie ein echter Champion.