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Internierung in den USA: Japano-Amerikaner unter Generalverdacht

Foto: AP/National Park Service

Internierte japanische Einwanderer in den USA Lieutenant Sulus Mission

Nach Pearl Harbor sperrten die USA 120.000 Menschen wegen ihrer japanischen Herkunft weg. Auch "Star Trek"-Schauspieler George Takei kam als Kind in ein Lager - seitdem streitet er für Bürgerrechte.

George Takei war fünf Jahre alt, als zwei Soldaten mit Gewehren an die Tür des Hauses in Los Angeles schlugen. "Unsere Eltern hatten uns bereits geweckt, mich, meinen vierjährigen Bruder und meine Schwester, die noch ein Baby war", erzählte er SPIEGEL ONLINE. "Die Soldaten befahlen uns, die Wohnung zu verlassen. Meine Mutter hatte das Baby im Arm und eine Tasche in der anderen Hand, Tränen strömten über ihr Gesicht. Das vergesse ich nie."

Die Takeis wurden 1942, wie alle japanischen Immigranten, erst zu Sammelplätzen gebracht und hausten dann in einem provisorischen Lager auf der Rennbahn in Santa Anita in einem Pferdestall: "Für uns Kinder war das aufregend, aber für meine Mutter mit dem Baby schrecklich." Schließlich musste die Familie im Lager Rohwer leben, in einer Baracke unter Teerpappe, umgeben von Wachtürmen. In den Sümpfen von Arkansas war es im Sommer glühend heiß und im Winter eisig.

Jeder Schultag begann mit dem Bekenntnis zur amerikanischen Flagge; das "Pledge of Allegiance" sagt jedes Schulkind in den USA auf. Takei, der später durch die Rolle des Hikaru Sulu in der Fernsehserie "Star Trek" zu Ruhm im Land kommen sollte, erinnert sich gut: "Ich konnte durchs Fenster den Stacheldraht draußen sehen, während ich die Worte Liberty and justice for all sprach."

Auf Pearl Harbor reagierten die USA hysterisch

Für alle? Ihre Freiheit wurde japanischstämmigen Amerikanern Anfang der Vierzigerjahre genommen - man pferchte sie in Internierungslager, ohne Anklage. Als Grund reichte, dass Japan Anfang Dezember 1941 in Pearl Harbor die Pazifikflotte angegriffen hatte. Daraufhin traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein. Und begannen, Einwanderer wegzusperren.

Am 19. Februar 1942 unterzeichnete Präsident Franklin D. Roosevelt die "Executive Order 9066". Damit war das Militär ermächtigt, Immigranten aus der Nähe von militärischen Stützpunkten zu deportieren, sofern sie aus den "Achsenmächten" kamen - dem Deutschen Reich und seinen Bündnispartnern wie Japan und Italien. Das traf vor allem japanische Einwanderer an der Westküste, wie die Familie Takei.

Sie lebten in Boyle Heights, das an Little Toyko grenzt, japanisches Zentrum von Los Angeles mit 30.000 Immigranten und vielen Läden, Straßenmärkten, Restaurants, buddhistischen Tempeln. Im März und April mussten insgesamt rund 120.000 Menschen binnen Tagen ihre Wohnungen verlassen; unter ihnen waren 30.000 Kinder und zwei Drittel Amerikaner.

Den Präsidenten zu diesem drastischen Schritt gedrängt hatte John McCloy, Unterstaatssekretär im Kriegsministerium (und später Hochkommissar im Nachkriegsdeutschland). Er berief sich auf Warnungen von Geheimdienstlern. Nach Pearl Harbor "brach eine Massenhysterie aus", sagt George Takei. Selbst Zeitungen wie die "New York Times" rechtfertigten die Internierung. Und Hollywoodfilme wie "Little Tokyo, USA" präsentierten die Stadtteilbewohner als Saboteure.

Video: Ausschnitt aus dem Film "Little Tokyo, USA"

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"'Star Trek' hat mir das Mikrofon gegeben"

An die Spitze stellte sich mit Earl Warren der Generalstaatsanwalt von Kalifornien. "Warren sagte, es gebe zwar keine Beweise, dass wir Saboteure seien - aber das zeige nur, wie verschlagen und undurchsichtig Japaner seien", meint Takei. "Er tat das, weil er Karriere machen wollte." Ein Jahr später wurde Warren zum Gouverneur von Kalifornien gewählt.

Der zart gebaute George Takei ist heute 78 Jahre alt, wirkt aber viel jünger und hat eine höchst ungewöhnliche Biografie. In den Sechzigerjahren wurde er berühmt als Lieutenant Hikaru Sulu, gecastet von Serienschöpfer Gene Roddenberry als Steuermann des Raumschiffs Enterprise in "Star Trek". Darin erkunden Menschen jeder Herkunft gemeinsam den Weltraum - ob Schwarze, Russen, Außerirdische oder eben Asiaten. "Damals begann die Bürgerrechtsbewegung", so Takei, "Roddenberry hatte eine politische Vision."

Lange trat er als Sulu auf, aber später ebenso - wie in der Nerd-Serie "Big Bang Theory" - als George Takei. Denn auch er hat eine politische Vision. Wie Takei sagt, dank seines Vaters, der ihn gelehrt habe, dass es beim Einsatz für die Demokratie auf jeden Einzelnen ankomme. Für sein zweites Leben als politischer Aktivist, bemerkt Takei, "hat mir 'Star Trek' das Mikrofon gegeben". Als etwa Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger per Gesetz gegen die Homoehe vorgehen wollte, macht Takei seine Homosexualität öffentlich. Er heiratete seinen langjährigen Partner Brad Altman - vor Fernsehkameras.

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Japanischstämmige Amerikaner: George Takei, Schauspieler und Politaktivist, alias Lieutenant Sulu!

Foto: ddp images

Am stärksten aber treibt Takei die Japaner-Internierung um. Auf seinen Memoiren basiert das Broadway-Musical "Allegiance", das er produzierte: "Ich dachte erst an ein Theaterstück, aber Musik geht zu Herzen." Takei stand selbst auf der Bühne: als heiterer Großvater einer internierten Familie. Und in Rückblicken als Sohn, der durch Army-Verpflichtung dem Lager entkam und nun als verbitterter alter Mann damit hadert.

"Baby Tanaka, Baby Ito, Baby ohne Namen..."

Ermöglicht hatte dieses heute verdrängte, verschüttete Kapitel der US-Geschichte ein aufgestauter Rassismus. Weiße fürchteten japanische Einwanderer als Konkurrenten. Fleißig, ehrgeizig, aufstiegsorientiert - nun wurden sie gezwungen, ihren Besitz zu verschleudern.

Schriftstellerin Erica Jong schildert in "Angst vorm Fliegen", wie ihre japanische Schwiegermutter kostbares Porzellan verkaufen muss. Und Teller für Teller vor den Augen des entsetzten Käufers zerschmettert, der eine Handvoll Dollar geboten hat. Ebenso muss der Familienvater in Takeis Musical binnen Stunden seine Farm verscherbeln. Nur ein paar Tausend Dollar soll er bekommen vom Nachbarn, den er bis dahin für einen Freund hielt.

Die Deportierten mussten in Lager weitab von jeglicher Zivilisation, in Prärien, Gebirgswüsten oder Reservaten. Sie wurden als Zwangsarbeiter beim Straßenbau eingesetzt. Die zehn größten Lager betrieb die War Relocation Authority. Auch Rohwer, wo die Takeis landeten. "Wir gewöhnten uns daran, dreimal am Tag für lausiges Essen anzustehen", sagt Takei. Wegen der schlechten medizinischen Versorgung starben allein in den WRA-Lagern fast 2000 Menschen, "viele davon Neugeborene", so Takei. "Ich bin als Erwachsener noch einmal nach Rohwer gegangen und habe viele Gräber gesehen: Baby Tanaka, Baby Ito, Baby ohne Namen..."

20 Dollar plus Fahrkarte, sayonara und goodbye

Einmal wachte der kleine Takei nachts auf, als er seine Eltern weinen hörte. Sie mussten den "Loyalitätsfragebogen" der US-Regierung ausfüllen. "Eine Frage war: Schwören Sie Loyalität zu Amerika, und schwören Sie dem Kaiser in Japan ab? Meinen Eltern, in Kalifornien geboren, wurde unterstellt, dem Kaiser treu zu sein." Als sie sich weigerten, brachte man sie nach Tula Lake, ein "viel härteres Lager, bewacht von Panzern".

Im Krieg hatten die Internierten keine Stimme. Und erst recht nicht danach, als Amerika im Siegestaumel war. "Wir bekamen 20 Dollar und eine Fahrkarte, das war's", so Takei. Die Takeis fuhren nach Los Angeles zurück. Little Tokyo gab es nicht mehr, niemand wollte die Japaner. "Wir zogen nach Downtown, zwischen Alkoholiker und Abbruchhäuser. Mein Vater arbeitete als Tellerwäscher in Chinatown. Asiaten waren die einzigen, die uns Jobs gegeben haben." Später hat er an ein mexikanisches Viertel gute Erinnerungen - "wundervolle Freunde, Tortillas, mexikanische Musik".

Erst 1988 entschuldigte sich Präsident Ronald Reagan, die Regierung zahlte Überlebenden eine symbolische Entschädigung von 20.000 Dollar. Takei hat schon früh Vorträge über die Internierung gehalten, meist an Unis. Den Durchbruch schaffte er mit dem Internet - er ist auf YouTube , Instagram, Facebook , allein dort mit fast zehn Millionen Fans. Und einen Teil der Musical-Produktionskosten warb er auf der Web-Plattform Indiegogo ein.

Reservierter Sessel für Donald Trump

Es geht ihm nicht nur um Geschichte, auch um die Gegenwart: Als Donald Trump gegen Muslime hetzte, lud Takei den Präsidentschaftskandidaten ins Musical ein - und reservierte demonstrativ in jeder Vorstellung einen Sessel. Der blieb leer. Mitte Februar schloss das Musical; Takei verloste unter seinen Fans einen Besuch der letzten Show nebst Abendessen mit ihm und Brad - auf Skype. Nun hofft er darauf, "Allegiance" nach London zu bringen. Oder nach Los Angeles.

Little Tokyo ist heute ein schläfriges Viertel für Touristen. Ein paar Sushi-Restaurants, Andenkengeschäfte, Hello-Kitty-Laden, rote und weiße Ballons im Wind. Eine auf alt getrimmte Litfaßsäule an der East First Street erzählt vom Schicksal der Bewohner. Mehr erfährt man gegenüber, im 1992 eröffneten Japanese-American National Museum.

Einer der Gründer und Finanziers: George Takei.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels stand, dass Earl Warren Mitglied der Demokratischen Partei gewesen sei. Tatsächlich war er Republikaner. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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