
Geplanter Papstbesuch in der DDR: Katholizismus auf sozialistisch
Geplanter Papstbesuch in der DDR Katholizismus auf sozialistisch
Wenn Papst Benedikt XVI. am 23. September auf dem Erfurter Domplatz seine Messe gibt, wird er historischen Boden betreten. Beinahe wäre der damalige Kardinal Joseph Ratzinger nämlich zusammen mit Papst Johannes Paul II. in Thüringen aufgetreten. Was nur noch wenige wissen: Erfurt war schon einmal für einen Papstbesuch ausersehen. Doch die Pläne sind ebenso in Vergessenheit geraten wie die Erinnerungen an die zwiespältige Rolle der katholischen Kirche in der DDR. Auch in dieser Hinsicht könnte man sich an Erfurt erinnern.
Am ersten Juni-Sonntag 1988 hatten 21 Christen aus Sömmerda den Erfurter Mariendom besetzt. Rainer R. gehörte mit seiner Frau und dem achtjährigen Sohn dazu: "Die Besetzung war von uns geplant. Seit drei und mehr Jahren hatten wir Ausreiseanträge laufen, die abschlägig beantwortet wurden. Wir wollten mit dieser Aktion die Öffentlichkeit auf die Not und Verfolgung von Ausreisewilligen aufmerksam machen."
Die Staatssicherheit erwog eine gewaltsame Räumung, die katholische Kirche lehnte ab. Georg Sterzinsky, damals Generalvikar im Bischöflichen Amt Erfurt-Meiningen, ließ die Kathedrale stattdessen "wegen Bauarbeiten" sperren. Staatschef Erich Honecker schaltete sich ein. Nach zwei Tagen war eine Entscheidung ausgehandelt. Am Dienstagabend wurden die Familien im Abstand von jeweils 15 Minuten per Taxi nach Hause gefahren. Die jungen Leute hatten vom Staat die Zusicherung erhalten, innerhalb von 10 bis 30 Tagen in die Bundesrepublik ausreisen zu dürfen. Ihren Deal hielten Staat und Kirche vor der Öffentlichkeit geheim.
Es war wie so oft gewesen: In den letzten Jahren der Existenz des "entwickelten Sozialismus", als sich Hunderttausende Frauen, Männer und Jugendliche unzufrieden mit dem SED-Regime unter das schützende Kirchendach zurückzogen, hielten die Katholiken bis auf wenige mutige Ausnahmen die Pforten ihrer Gotteshäuser geschlossen oder sahen von einer Konfrontation mit der Staatsmacht ab. Sie wollte keinen Ärger - denn der DDR stand ein Papst-Besuch ins Haus.
Modell für andere "Bruderstaaten"
Das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche hatte sich nach der Begegnung zwischen Papst Johannes Paul II. und Staats- und Parteichef Erich Honecker im April 1985 in Rom gefestigt. Überraschend für viele Hardliner in der SED wurde der Papst von Honecker als "führende Persönlichkeit des Westens und der Nichtpaktgebundenen" gewürdigt und - nicht zuletzt auf Drängen der katholischen Geistlichkeit - zu einem Besuch der DDR eingeladen. Honecker maß sich an, ein Modell für andere "Bruderstaaten" zu schaffen, wie die katholische Kirche in den Sozialismus zu integrieren sei.
Eine erste Geste in dieser Richtung war das Katholikentreffen 1987 in Dresden, bei dem auch Kardinal Ratzinger anwesend war. Ursprünglich hätte das Treffen mit nur 30.000 Teilnehmern in Kreisstädten wie Bautzen oder Görlitz stattfinden sollen. So aber konnte der Besuch des Papstes in der DDR mit Honeckers Zustimmung unter dem Jubel von Hunderttausend Katholiken in der sächsischen Metropole verkündet werden. Selbst für die Betonfraktion im Politbüro, die den Einfluss von Johannes Paul II. auf die Bürgerrechtsbewegungen Osteuropas fürchtete wie der Teufel das Weihwasser, gab es kein Zurück mehr. Kardinal Joachim Meisner zeigte sich - damals noch als Vorsitzender der Berliner Bischofskonferenz - dankbar und sprach in Dresden von "einem wichtigen Tag für die Kirche in unserem Land".
Sonst hatte die katholische Kirche nicht viel zu bejubeln. Immer mehr Katholiken schlossen sich den Protestanten an, die mit rund sieben Millionen Mitgliedern die Mehrheit der Christen in der DDR stellten und in deren Kirchen über Umweltprobleme, die Militarisierung in Kindergärten und Schulen oder die Stationierung von Atomraketen diskutiert wurde, Friedensgottesdienste, Diskussionsabende Ausreisewilliger und enthüllende Ausstellungen stattfanden. Katholische Bischöfe hingegen kleideten diesbezügliche Bedenken in Verbalnoten, die sie der DDR-Regierung öffentlichkeitsunwirksam zuleiteten.
Eine "Kirche von unten", wie sie evangelische Bürgerrechtler 1987 als gesellschaftskritische Bewegung gegründet hatten und damit die friedliche Revolution beeinflussten, gab es bei den Katholiken nicht. Die Disziplin ging dort so weit, dass katholische Geistliche, die sich in Bürgerrechtsbewegungen engagierten, zur Mäßigung ermahnt wurden, weil man mit diesem Staat noch lange zusammenarbeiten müsse. Und schließlich sollte ja der Papst bald kommen.
Papst ließ sich nicht vereinnahmen
Die Planungen für den Besuch, der im Juli 1991 stattfinden sollte, waren 1988 schon weit gediehen. Nach einer offiziellen Begegnung des Papstes mit Honecker hätten zu einer Messe vor der Hedwigskathedrale 50.000 Christen aus Westberlin in den Ostteil der Stadt kommen dürfen. Dafür sollte der Papst auf einen Besuch in Westberlin verzichten. Weiter waren Veranstaltungen im Bistum Dresden-Meißen und in Magdeburg vorgesehen. Danach sollte ein großes Katholikentreffen in Erfurt stattfinden. Und per Hubschrauber war damals schon ein Abstecher des Papstes in das Eichsfeld geplant. Die Zusammenarbeit zwischen DDR-Staat und Klerus funktionierte in der katholischen Hochburg besonders gut.
Die SED hatte von der geplanten Entkatholisierung des Eichsfeldes abgesehen, die Christen Nordthüringens hatten sich schließlich stets als zuverlässige Wähler der von der SED abgesegneten "Volksvertreter" erwiesen. Als Belohnung für systemkonformes Verhalten durften in den achtziger Jahren Katholiken mehrfach ausgedehnte Pilgerreisen per Bus nach Lourdes oder Rom unternehmen. Die Teilnehmer wurden von der Kirche ausgewählt, die auch für deren Rückkehr bürgte. Als ein Mitglied des Chores der Hedwigs-Kathedrale in Österreich "Republikflucht" beging, holte ein ranghoher Geistlicher die Christin persönlich in die DDR zurück.
Doch nach dem Sturz Honeckers im Oktober 1989 kam dem Papst das fest eingeplante Reiseziel abhanden. Zwar versuchten die kurzzeitigen SED/PDS-Führungen bis in das Frühjahr 1990 hinein, den Papst für einen vorgezogenen Besuch der DDR noch im selben Jahr zu gewinnen. Sie wollten die DDR aufwerten - doch ihr Ende war da schon nicht mehr aufzuhalten.
Zum Weiterlesen:
Klaus Taubert: "Generation Fußnote. Bekenntnisse eines Opportunisten". Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag, Berlin 2008, 296 Seiten