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Geraldine Mock: Die Himmelsstürmerin - einmal um die ganze Welt

Foto: Gene Smith/ AP

Flugpionierin Geraldine Mock Hausfrau der Lüfte

Ägyptische Soldaten verhörten sie, verblüffte Araber stürmten ihr Flugzeug: Als erste Frau umrundete Geraldine Mock 1964 im Alleinflug die Erde. Und übernahm nach ihrem großen Abenteuer wieder die Rolle einer braven Hausfrau.

Langsam ging Geraldine Mock mit ihrer Cessna in den Landeanflug, die Räder des kleinen Flugzeugs setzten bald auf der Landebahn des Flughafens Kairo auf. Über Funk meldete sich der Tower: "Wie lautet Ihre jetzige Position?", fragte der ägyptische Fluglotse. "Ich bin am Boden", antwortete die Pilotin verwirrt. Dann rasten Lastwagen auf sie zu, bewaffnete Soldaten geleiteten sie zum Verhör.

An diesem 2. April 1964 hatte Geraldine Mock den zivilen Flughafen der ägyptischen Hauptstadt verfehlt - und war versehentlich auf einer Militärbasis in der Umgebung gelandet. Als das Missverständnis geklärt war, bewirteten die Offiziere die Amerikanerin zuvorkommend mit Tee und ließen sie wieder in die Luft aufsteigen.

Tausende Kilometer hatte die Pilotin noch vor sich, berühmt war sie schon. Als erste Frau der Weltgeschichte sollte sie bald den Erdball im Alleinflug erfolgreich umrunden. Zuvor hatte die Deutsche Elly Beinhorn 1932 große Entfernungen über See per Schiff zurückgelegt; Mocks großes Vorbild Amelia Earhart war bei dem Versuch 1937 im Pazifik verschollen.

"Dann flieg doch um die Welt"

Bereits als Kind hatte Geraldine Mock, geboren am 22. November 1925, drei Wünsche: ein Kamel in der Sahara zu reiten, einen Elefanten im Dschungel - und einmal um die Welt zu fliegen. Mit ihrem Abenteuerdrang hatte möglicherweise die Straße zu tun, in der sie in Newark im US-Bundesstaat Ohio aufwuchs. Auf Geheiß ihrer Mutter durfte "Jerrie", wie alle sie riefen, nur auf ihrer Seite der gefährlichen Straße spielen. Weil dort aber ausschließlich Jungs wohnten, vertrieb sie sich die Zeit mit ganz anderen Dingen als die Mädchen dieser konservativen Zeit: Sie jagte Räuber oder ging als Indianer auf die Pirsch.

Im Alter von sieben Jahren nahm ihr Vater die kleine Jerrie mit auf einen Rundflug. Es dauerte nur eine Viertelstunde, aber schon war sie der Fliegerei verfallen. Und begann später ein Studium der Luftfahrttechnik, in einer Zeit, in der Männer vor dem Hangar saßen und lachten, wenn eine Frau Flugstunden nahm.

Das Studium brach sie allerdings ab, als sie den Piloten Russell Mock heiratete. Fortan führte sie trotz ihrer früheren Ambitionen ein Leben als Hausfrau und dreifache Mutter - und war schrecklich angeödet. "Wenn dein Leben so langweilig ist, dann flieg doch um die Welt", provozierte ihr Mann sie im Dezember 1962. "Einverstanden!", lautete Geraldine Mocks Antwortet. Flugstunden nahm sie bereits seit geraumer Zeit, das Ehepaar war sogar Miteigentümer einer kleinen Cessna.

Duell am Himmel

Statt zu putzen und zu kochen, kümmerte Mock sich nun um die Organisation von Überflugerlaubnissen und Landegenehmigungen, rief ausländische Botschaften an und suchte Sponsoren für die Finanzierung. Die Mocks verpassten dem elf Jahre alten Flugzeug vom Typ "Cessna 180" einen frischen Anstrich und bauten einen neuen Motor ein.

Himmelstürmerin: Geraldine Mock in Oakland am 16. April 1964

Himmelstürmerin: Geraldine Mock in Oakland am 16. April 1964

Foto: Robert W. Klein/ AP

Indes war die rebellierende Hausfrau nicht die einzige Frau, die endlich die Erde per Alleinflug umrunden wollte. Die professionelle Charterpilotin Joan Merriam Smith bereitete sich zur gleichen Zeit auf den Versuch vor. Die Konkurrentin war schon unterwegs, als Geraldine Mock am 19. März 1964 in Columbus (Ohio) abhob.

Ihren Flieger hatte die Himmelsstürmerin auf den Namen "Spirit of Columbus" getauft, in Erinnerung an den legendären Atlantikflug von Charles Lindbergh, der 1927 mit seiner "Spirit of St. Louis" nonstop von New York nach Paris geflogen war. Für ihren großen Tag hatte sie sich in Schale geworfen und trug ein blaues Outfit mit Blume am Kragen, dazu blaue Pumps.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Flug waren allerdings miserabel. Die Weltrekordaspirantin hatte zu dieser Zeit noch keine 800 Flugstunden absolviert und war nie übers offene Meer geflogen. Kaum war sie in der Luft, traten die ersten Probleme auf. Das Funkgerät fiel aus: kein Signal! Zum Glück gelang es Mock, trotz gefährlicher Scherwinde auf einer Luftwaffenbasis auf den Bermuda-Inseln zu landen. Techniker halfen ihr weiter.

Für arabische Männer eine Sensation

Zunächst verhinderten Sturmfronten den Weiterflug. Eine Woche war Geraldine Mock zur Untätigkeit verdammt, bis das Wetter aufklarte. Der Atlantik sollte weitere unangenehme Überraschungen bieten. Eines Nachts, als der Autopilot steuerte, verlor die "Spirit of Columbus" an Höhe: Die Tragflächen vereisten allmählich. Am nächsten Morgen schien zum Glück die Sonne, das Eis schmolz.

Für die Risiken wurde Mock entschädigt. Im marokkanischen Casablanca, schrieb sie in ihrem 1970 erschienenen Buch "Three-eight Charlie", verbrachte sie trotz des Wettrennens mit ihrer Rivalin einige Tage mit Freunden.

Geraldine Mock nach ihrer Weltumrundung am 17. April 1964 in Columbus

Geraldine Mock nach ihrer Weltumrundung am 17. April 1964 in Columbus

Foto: Corbis


In der arabischen Welt war die fliegende Hausfrau eine Sensation. Nach der Landung im saudischen Dhahran, wo Frauen nicht unverschleiert auf die Straße treten durften, umringten Dutzenden Männern mit Turbanen die "Spirit of Columbus". Staunend kletterten sie am 3. April 1964 in die Maschine und lachten: Kein Mann! Eine Frau!

Wegen ihrer Konkurrentin blieb Mock allerdings bei ihren Zwischenstationen wenig Zeit, sich das Land genauer anzuschauen. "Joan macht pro Tag 2000 Meilen", setzte sie ihr Mann bei Telefongesprächen unter Druck. Entnervt drohte sie ihm: "Wenn du mich noch einmal wegen Joan anrufst, fliege ich mit dem Linienflugzeug zurück!"

"Ohios Goldener Adler"

Immer weiter führte sie ihre Reise. Die kleine Cessna überflog Wüsten und Dschungel, den indischen Sukkontinent und die Philippinen, bis sie am 17. April wieder in Columbus in Ohio eintraf.

29 Tage, 11 Stunden und 59 Minuten hatte Mocks Reise gedauert, 21-mal war sie unterwegs gelandet. Ihre Gegnerin hatte sie längst abgehängt - als gute Verliererin gratulierte Joan Merriam Smith per Telegramm. Bei der Landung warteten zahlreiche Bewunderer; die Zeitungen tauften sie auf den Namen "Ohios Goldener Adler". Aus Washington, D.C. sandte Präsident Lyndon B. Johnson Glückwünsche.

Das konservative Frauenbild der Sechzigerjahre konnte aber auch ihre Heldentat nicht erschüttern. "Sie ließen Ihren Mann einen Monat allein, wie kam er zurecht?", wurde Mock am 27. April 1964 in der Fernsehsendung "To tell the Truth" gefragt. Die Pilotin, wieder artig frisiert und im Hausfrauenkostüm, antwortete mit einem kleinen Lächeln: "Oh, seine Mutter kam und half ihm."

Bald musste Russell Mock wieder ohne seine Frau auskommen. Die Ehe wurde geschieden, im Alter lebte die Luftfahrtpionierin einsam in einem Haus in Quincy (Florida), in dem die Blumen auf der Fensterbank welkten und die Weihnachtsdekoration noch im Januar hing. Geraldine Mock starb am 30. September 2014.

Auch als alte Dame war sie hellwach, sobald jemand sie auf ihre Abenteuer in der Luft ansprach. Mock wusste genau, was sie geleistet hatte. Dem "Flying Magazine" hatte sie im August 1964 gesagt: "Es war Zeit, dass eine Frau das tat."

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