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Patrick Mariathasan / DER SPIEGEL

Neues von gestern – der Geschichte-Newsletter Irren ist päpstlich

Liebe Leserin, lieber Leser,

»von Dir wird Glorreiches erwartet«, umschmeichelte ihn Papst Gregor IX., nannte ihn »Diener des Lichts« und einen »Spürhund des Herrn«. Konrad von Marburg erhielt aus Rom einen Freibrief zum Terror und wurde im 13. Jahrhundert der erste deutsche Inquisitor. Bei der Verfolgung von Ketzern machte er oft kurzen Prozess, als Ermittler, Ankläger und Richter in einer Person. Der fanatische Prediger trug viel dazu, dass Willkür und Denunziation zum Wesen der Ketzerprozesse wurden – bis er sich mächtige Feinde machte und eines Tages niedergestochen wurde. Ein Auftragsmord, vermutlich aus Rache.

Der Hetzer und die Ketzer: Hunderte von Menschen brachte der gefürchtete Sonderermittler auf den Scheiterhaufen. Mit Konrad von Marburg begann vor gut 800 Jahren das Zeitalter der päpstlichen Inquisition in Deutschland. Bereits seit dem 4. Jahrhundert war zuvor die katholische Kirche mit aller Härte gegen Abtrünnige vorgegangen, eine lange Ära der grausamen Verfolgungen sollte noch folgen.

Urteilsverkündung der Spanischen Inquisition auf der Plaza Mayor in Madrid (Gemälde von Francisco Rizi, 1683)

Urteilsverkündung der Spanischen Inquisition auf der Plaza Mayor in Madrid (Gemälde von Francisco Rizi, 1683)

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Wikipedia

Die neue Ausgabe von SPIEGEL GESCHICHTE erzählt von der Logik der Gewalt, mit der die kirchliche und die weltliche Macht Glaubensabweichler bekämpften: von Kreuzzügen und Massakern wie etwa an den Katharern in Südfrankreich (»Tötet sie alle!«). Von der Frevlerin und späteren Heiligen Jeanne d’Arc. Von der kühlen Perfektion, mit der die Folterknechte der Spanischen Inquisition ihre Opfer quälten. Und von Erzketzer Martin Luther im Konflikt um Pfründe, Macht und nationalistische Vorurteile.

Die Irrtümer der Unfehlbaren

Mit der Reformation oder spätestens mit der Aufklärung endete der Spuk – so die gängige Annahme. Aber die Verfolgung von Abtrünnigen überdauerte das Mittelalter und reichte bis weit in die Neuzeit. Als etwa die Sterndeuter Giordano Bruno und Galileo im 16. und 17. Jahrhundert das biblische Weltbild auf den Kopf stellten, gerieten auch sie in die Fänge der Inquisition. Und noch 1747 wurde ein Schweizer Bauer als Ketzer erdrosselt.

Sehr spät erst kroch der Vatikan zu Kreuze: Im Jahr 2000 setzte der greise Papst Johannes Paul II. ein umfassendes Schuldbekenntnis der katholischen Kirche zu den Verfehlungen aus zwei Jahrtausenden durch. Diesem Mea culpa stand Joseph Ratzinger höchst skeptisch gegenüber: Fünf Jahre später wurde er Papst Benedikt XVI., damals war er noch Chef der Glaubenskongregation – der Nachfolgebehörde der Heiligen Inquisition, die einst so viel Leid und Schaden anrichtete.

Das Heft »Im Namen Gottes« erklärt auch, warum in Italien Hunderttausende die Kirchensteuer lieber an die Waldenser als an die katholische Kirche entrichten. Die Glaubensgemeinschaft hat Jahrhunderte der Verfolgung überstanden, viele von ihnen schlossen sich dem Partisanenkrieg gegen Hitler an. Und in einem Essay zur »verstohlenen Lust am Bösen« ergründet der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich, warum sich konservative Schriftsteller und Silicon-Valley-Unternehmer als moderne Ketzer inszenieren.

Die druckfrische Ausgabe bekommen Sie ab sofort im Zeitschriftenhandel und können SPIEGEL GESCHICHTE im Abo oder als Einzelausgabe kaufen. Zur digitalen Ausgabe geht es hier. Schreiben Sie uns gern, wie Ihnen das Heft gefallen hat oder zu welchen Themen Sie gern mehr lesen würden – wir sind jederzeit erreichbar unter spiegelgeschichte@spiegel.de .

Die Redaktion von SPIEGEL GESCHICHTE empfiehlt:

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Jon Proctor / Wikimedia

  • Die Masche der »Parajacker« – und der simple Trick, der sie stoppte: Lösegeld erpressen, raus per Fallschirm, so entführten Verbrecher 1972 reihenweise Flugzeuge. Das FBI jagte die Täter. Dann hatten aber Ingenieure die richtige Idee.

  • Macht durch Inzucht: Europas Fürstenhäuser verkuppelten über Jahrhunderte hinweg ihre Töchter und Söhne miteinander, um Dynastien zu stärken und den Frieden zu sichern. Oft waren die Ehepartner verwandt – mit fatalen Folgen.

  • Sie wollte den Farbfilm nicht vergessen: Mit »Diesseits der Mauer« hat die Historikerin Katja Hoyer einen Bestseller über den Alltag in der DDR gelandet. Doch sie beschönigt darin die Vergangenheit mit fragwürdigen Methoden, schreibt Franziska Kuschel.

  • »Die Liebe zum Land Israel war erotisch, ja sexuell«: Gefühle spielten bei der Gründung Israels eine wichtige Rolle, sagt Harvard-Historiker Derek Penslar. Er hat erstaunliche Muster entdeckt – und sagt, was ihn trotz Dauerkrise optimistisch stimmt.

  • »Niemals unbewaffnet das Auto besteigen«: Die Klimakleber von der »Letzten Generation« hatten Vorläufer. Schon vor fast 120 Jahren gab es Autohasser in Deutschland. Manche schossen sogar auf Automobilisten.

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