
"Harald Schmidt Show": Die besten Sidekicks und stärksten Momente
"Harald Schmidt Show" Der König der Nacht und sein Hofstaat
Sicher wäre auch ein Gespräch mit Albert Darboven interessant gewesen. Doch die kleine Französin hat ihren Chef mal wieder völlig falsch verstanden - und macht die Situation damit nur noch besser. "'arald möschte mit die Damen spreschen ...", der Rest geht schon im Gejohle des Publikums unter .
Harald Schmidt im Studio kann sich vor Lachen kaum halten, auf dem Bildschirm im Hintergrund sieht man Darboven mit unsicheren Rückwärtsschritten gehen. Nathalie Licard, diesmal als Reporterin beim Pferderennen in Baden-Baden, hat den Hamburger Kaffeekönig verjagt. Weil sie durch ihren Knopf im Ohr gehört zu haben glaubt, Schmidt wolle nur mit Darbovens Hostessen sprechen. Hat man dem deutschen Geldadel vor laufender Kamera jemals schöner auf den Schlips getreten?
Vor 20 Jahren, am 5. Dezember 1995, lief auf Sat.1 zum ersten Mal die "Harald Schmidt Show". In ihren besten Zeiten hatte sie alles, was Komik, was Late Night haben muss. Dazu gehören unbedingt auch: exzellente Sidekicks und Nebenfiguren.
"Es war die 'ölle!"
Auch Nathalie Licard - und damit hatte sie selbst am wenigsten gerechnet. Die Französin war von Beginn an dabei. "Isch 'abe mitgeholfen, das Studio aufzubauen", sagt sie im Gespräch mit einestages. Licard kam wegen eines Mannes nach Deutschland, brauchte einen Job, zimmerte mit anderen Aushilfen die Studioeinrichtung zusammen: "Isch war sogar noch ein paar Woche vor 'arald bei der Schoo."
Noch immer hat Nathalie Licard diesen zauberhaften französischen Akzent - oder spricht, je nach Perspektive, weiterhin ziemlich grottiges Deutsch. Zum ironischen Gesamtkunstwerk der Show gehört, dass die Produktionsfirma ihr nach dem Handwerker-Job ausgerechnet die Telefonzentrale anvertraute. "Es war die 'ölle! Isch 'abe zwei Sätze auswendisch gelernt un' die Leute sofort weiter verbunden."

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Der frankophile Harald Schmidt habe sie dann gefördert. Als Manuel Andrack beim Sprechen des Show-Intros versagte, probierte es auch Nathalie Licard. Harald Schmidt hörte die Aufnahme und sagte, nun habe man doch die Sprecherin gefunden. Danach machte Licard eine kleine Karriere als eigentlich talentfreie Außenreporterin - immer ein bisschen zu direkt, zu distanzlos, zu verpeilt; das alles mit diesem Akzent, der alles in Seide packt.
Ab Ende 2000 wurde Nathalie Licard zum Teil der Show-Familie, die bis zum Ende der ersten Sat.1-Jahre im Dezember 2003 aus einer ordentlichen deutschen Late Night ein Weltklasse-Format machte. Der Triumphzug begann am 30. August 2000 - da saß Manuel Andrack zum ersten Mal als Sidekick im Studio.
Im Interview für eine DVD zur Show erzählte er, warum es fortan einen zweiten Mann auf der Bühne gab. "Harald kam Anfang 2000 aus dem Weihnachtsurlaub in Holland wieder, auf irgendeinem Kanal liefen wohl die ganzen amerikanischen Late-Night-Shows. Er sagte dann total ernst: Ich finde es richtig scheiße, dass ich der einzige Late-Night-Moderator auf der Welt bin, der sich hier jeden Abend alleine abrackern muss."
Andrack, bis dahin Redaktionsleiter, erwies sich als perfekte Ergänzung. Er gab dem Meister den nötigen Dialog-Widerstand und machte sich mit seinen privaten Seltsamkeiten bereitwillig zum Opfer Schmidt'schen Spotts. Zusammen gestalteten sie unerreichte Parodien, ob als altes Ehepaar bei der Zugfahrt oder junges Paar beim Brunch .
Ausgelaugt vom Fünf-Tages-Betrieb
Ergänzt wurde das Duo von Bandleader Helmut Zerlett und Kartenhalterin Suzana Novinscak, nunmehr ebenfalls Spielpartner. Zugunsten der improvisierten Gespräche und Studio-Aktionen wurden Stand-up und Interviews gekürzt, musikalische Gäste kamen nur noch selten.
Die größte Wandlung aber machte Harald Schmidt selbst durch. Brillant war er immer, doch in den Neunzigern wirkten Stimme und Ausdruck noch aufgesetzt, oft sprach Schmidt viel zu laut und mit der Attitüde eines Morningshow-Moderators. Spätestens mit dem Ansprechpartner Andrack und der ständigen Improvisation wurde Schmidt ruhiger, authentischer, selbstironischer. Und damit viel besser.
Ende 2003 war der Spaß vorbei. Harald Schmidt beendete seine Show bei Sat.1 und ging in die "Kreativpause". "Ich glaube, die Fünf-Tage-Woche hat uns das Genick gebrochen", sagte Manuel Andrack. Ein halbes Jahr nur war die Show von Montag bis Freitag ausgestrahlt worden. Doch das, so Andrack, habe vor allem Schmidt ausgelaugt.
Nach einjähriger Auszeit setzte Schmidt seine Sendung in der ARD fort, an nur zwei Tagen in der Woche. Dank Anspielpartner Andrack entstanden immer noch tolle Shows, doch es fehlten viele aus der alten Show-Familie. Ebenso fehlte es an Esprit.
Dann musste Andrack gehen - und es kam Oliver Pocher, zuvor schon oft Gast in der Show. Wie sehr Harald Schmidt ihn schätzte, konnte man an den sehr warmen Begrüßungsworten erkennen. Dass er ihn als Nachfolger aufbauen, ihm seine Sendung angeblich sogar sofort übergeben wollte, verstand niemand. Doch Schmidt erkannte sich offenbar in dem jungen Comedian wieder.
Pocher, ein Missverständnis
Oliver Pocher hatte sich über Auftritte in Daily-Talkshows wie "Bärbel Schäfer" und "Hans Meiser" ins Fernsehen reingenervt , wurde vom Publikum ausgepfiffen, von vielen Sendern abgewiesen und schaffte es schließlich über die Viva-Ochsentour zu Pro7. Harald Schmidt hatte einst Ähnliches bei Theater- und Kabarettbühnen erlebt. "Ich bin hinten rausgeworfen worden und vorn wieder reingekommen", ist einer seiner Standards. Ein anderer: "Niemand wartet auf dich." Pochers schierer Karrierewille muss Schmidt imponiert haben. Dass beide für eine gute Pointe ihre Mutter verkaufen würden und menschliche Schwächen sofort erkennen, sind weitere Gemeinsamkeiten.
Die Zahl der Unterschiede ist größer, wesentlich für den Misserfolg war vor allem einer: Harald Schmidt wurde in seiner Karriere immer besser und erreichte mit Mitte 40 seinen Zenit. Oliver Pochers begrenztes Talent dagegen war mit knapp 30 bereits erschöpft. An der Seite des schon matten Late-Night-Königs spielte sich Pocher nicht nach vorn, sondern kasperte sich mit ihm in die Bedeutungslosigkeit. Keine gemeinsame Sendung erreichte auch nur entfernt das Niveau einer durchschnittlichen Show in den Andrack-Jahren bei Sat.1.
Gestritten hätten sie sich nie, sagten beide später. Im Konfliktfall war Schmidt offenbar ein Vermeider. "Das letzte halbe Jahr unserer Zusammenarbeit war nicht mehr lustig", so Manuel Andrack 2012 im SPIEGEL-Gespräch . "Schmidt hat sich in seinem Büro eingeschlossen. Oder er ist in seinem Jaguar nach Hause abgehauen oder sonstwohin."
Auch Sven Olaf Schmidt, besser bekannt als "Der scharfe Sven", klagte über Harald Schmidts Scheu vor einem offenen Wort. Vom Show-Ende auf Sat.1 hätten die Mitarbeiter fünf Minuten vor der Presse erfahren. "Wenn jemand eine Gesellschaft mit hundert Leuten hat, die für ihn arbeiten, dann ist er Unternehmer. Dann hat er Verantwortung. Dann kann man nicht aufhören, weil man keinen Bock mehr hat."
"So 'ne kleine, miese Type "
Einmal allerdings maßregelte Schmidt einen Mitarbeiter heftig, sogar vor laufender Kamera - den ohnehin schon angezählten Oliver Pocher. Als die heute zu Recht vergessene Lady Bitch Ray (nur echt mit dem Zusatz "Skandal-Rapperin") Pocher ein Döschen mit dem angeblichen Inhalt Vaginalsekret schenkte, verstummte der. Da hatte wohl jemand seinen Aus-Knopf gefunden.
Nach dem Auftritt der Sängerin Maria Mena hatte Pocher seine Sprache wiedergefunden, machte ein paar Scherze im Dieter-Bohlen-Style und wollte die Ekeldose dann an die Norwegerin weiterverschenken. "Das ist aber jetzt völlig uncharmant", sagte Schmidt. "So 'ne kleine, miese Type, die, wenn sie Fotzensekret überreicht kriegt, so klein ist mit Hut und es dann einem ausländischen Gast so reinsemmelt, der kein Deutsch versteht."
Wer hoffte, dass nach Pochers Abgang alles wieder gut werden würde, irrte. Ohne Andrack und ohne rechten Biss begann Schmidt eine hochbezahlte Arbeitsverweigerung, die sich erst die ARD, dann Sat.1 und Sky eine Weile ansahen, um Schmidt schließlich und völlig zu Recht zu feuern. Immerhin holte der Altmeister noch einige Talente als Sidekicks auf die Bühne. Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf waren die besten, doch auch ihnen blieb nur, die "Harald Schmidt Show" auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit zu begleiten.
Die Sehnsucht nach der Show, wie sie einmal war, ist ungebrochen - bei Fans und beim früheren Stammpersonal. Nathalie Licard sagt, sie treffe sich regelmäßig mit dem früheren Chefautor Markus Zimmer, der als "Butler Markus" auch selbst vor der Kamera stand. "Wir sagen immer, dass es is so schade, dass 'arald nischt mehr auf Sendung ist."
Am 5. Dezember wollen sich Licard, Zimmer und viele andere ehemalige Kollegen in einem Kölner Restaurant treffen, um das Show-Jubiläum zu feiern. Harald Schmidt, über den Nathalie Licard kein böses Wort verliert, kommt erwartungsgemäß nicht.
"Wir 'aben 'arald auch gar nischt eingeladen."

einestages-Autor Hendrik Steinkuhl ist freier Journalist und lebt in der Nähe von Osnabrück.