
Breakdance in Aschaffenburg: Style - Superfresh
Hip-Hop-Fotos aus den Achtzigerjahren Yo!
Sie posieren vor Ghettoblastern, mit Armen voller Sprühdosen oder riesigen grauen Drum-Maschinen in der Hand. Sie tragen Fellmützen, ballonseidene Trainingsanzüge im Partnerlook oder Adidas-Schuhe mit extrabreiten Schnürsenkeln und weit hervorstehenden Laschen. Sie haben die Arme vor der Brust verschränkt, springen synchron in die Luft oder stehen Kopf.
Anfang der Achtzigerjahre eroberte Hip-Hop die Herzen und Kleiderschränke der europäischen Jugend. Von Finnland bis Spanien, von Großbritannien bis in die DDR erlagen innerhalb kürzester Zeit Zehntausende seiner Faszination. Kaum verwunderlich, denn Hip-Hop machte der Jugend ein einmaliges Angebot: Statt bloße Konsumenten einer neuen Mode zu werden, steckte in diesem Trend eine ganze Kultur - und die Botschaft, selbst aktiv zu werden. Teenager begannen den Vorbildern aus New York, der Wiege des Hip-Hop, nachzueifern und wurden Breakdancer, Graffiti-Sprüher, DJs oder Rapper.
Dieser Ära hat der schwedische Verlag Dokument Press nun den Bildband "Cause We Got Style! European Hip Hop Posing from the 80s and Early 90s" gewidmet. Er zeigt eine einzigartige Sammlung privater Schnappschüsse aus ganz Europa, mit Jugendlichen, die sich in ihren Outfits in Pose werfen. Entstanden ist der Band aus dem Internetprojekt Dopepose.com. Bereits seit 2006 laden dort Hip-Hop-Begeisterte und ehemalige Aktivisten ihre alten Bilder hoch.
Durch halb Europa für ein Paar Ohrringe
Der Band zeigt auch, dass es kaum eine Jugendkultur gibt, die so viel Wert auf Äußerlichkeiten legt. Trainingsanzüge und Sneaker von Puma oder Adidas gehörten ebenso zu den kostspieligen Insignien des Hip-Hop wie Schlapphüte von Kangol oder Gürtelschnallen mit dem Namen des Trägers. Wie schwer es in der Prä-Internet-Ära war, an die begehrten Accessoires zu kommen, zeigen Berichte von Hip-Hop-Aktivisten der ersten Stunde, die sich in "Cause We Got Style!" finden.

Breakdance in Aschaffenburg: Style - Superfresh
Für Aileen Ester Middel, die als Graffiti-Sprüherin Mickey bekannt wurde, etwa begann mit ihrer Liebe zum Hip-Hop eine echte Odyssee - die Suche nach einem Paar Ohrringen. Nicht irgendwelche, es mussten sogenannte Doorknockers sein. Denn solche baumelten damals auch an den Ohren von Rapperinnen wie Neneh Cherry, MC Lyte und Salt'N'Pepa. "Diese Ohrringe waren das ultimative Hip-Hop-Statement", erinnert sich Middel, "wenn du die als Frau trugst, wusste jeder sofort, dass du Hip-Hop liebst." So war das damals 18-jährige Mädchen aus dem niederländischen Groningen bereits nach London und Den Haag gepilgert, als sie die heiß begehrten Ohrringe endlich in einem kleinen Laden in Paris fand.
Die Kleidung war ein wichtiges Erkennungszeichen für die Hip-Hop-Aktivisten, meint auch Akim Walta. "In den achtziger und Neunzigerjahren konntest du nur anhand der Schuhe erkennen, ob jemand was mit Hip-Hop zu tun hatte", erinnert sich der Berliner. "Als ich einmal von einer Graffiti-Mission aus Stockholm zurückfuhr, musste ich sechs Stunden warten. Ich habe drei Typen von Tausenden angesprochen. Zwei waren Sprüher, einer ein Hip-Hop-DJ."
Die Inspiration für die Outfits kamen direkt aus New York. Alles, was damals aus der Hip-Hop-Metropole herüberschwappte, wurde gierig aufgesogen und genauestens analysiert. Aus Musikvideos und Filmen wie "Wild Style" und "Beat Street" schauten sich Jugendliche ab, wie man seinen Namen an die Wand sprühte, einen Plattenspieler als Instrument benutzte oder sich zu der neuen Musik auf dem Kopf drehte. Fotos in Zeitschriften oder das Cover eines einzelnen Albums konnten eine ganze Modewelle auslösen.
Papas Kordhose als Mode-Statement
"Plattencover waren sehr wichtig", erinnert sich Dan Ticaret, der Besitzer des ersten Hip-Hop-Ladens in Europa, "die Leute wollten immer, was sie auf den Hüllen sahen. Als zum Beispiel 1987 'Yo! Bum Rush the Show' von Public Enemy erschien, fragten plötzlich alle nach Daunenjacken." Ticaret, wie der Shop in Paris hieß, wurde schnell zum Geheimtipp für Hip-Hop-Fans auf dem gesamten Kontinent. Wie klein die Welt des Hip-Hop im Europa der Achtzigerjahre war, zeigt, dass Mickey, die Graffiti-Sprüherin aus Groningen, ihre heiß begehrten Ohrringe in eben diesem Laden fand.
Natürlich hatten nicht alle das Geld, um herumzureisen und die teuren Hip-Hop-Accessoires zu erjagen. Doch auch Improvisieren war erlaubt: "Wir malten unsere Jacken und Sneakers an", erinnert sich Akim Walta, "und durchwühlten die Kleiderschränke unserer Eltern nach bizarren Klamotten und Hüten. Die alten Kordhosen von deinem Vater oder deinem älteren Bruder konnten zu einem superfreshen Mode-Statement werden - auch wenn du der Einzige in deiner Stadt warst, der welche trug."
Auch das Posieren selbst wurde zur Kunstform. Manche Breakdancer zeigten ihre besten Moves, andere imitierten die Posen ihrer Vorbilder aus den USA oder versuchten auszusehen wie ein sogenannter Charakter, die comicartigen Figuren, die Graffiti-Sprüher an die Wände malten. "Es war die Zeit", erinnert sich der Schweizer Hip-Hop-Pionier d.d.fresh, "als jeder sofort eine Pose einnahm, wenn jemand das Objektiv seiner Kamera auf ihn gerichtet hat."
Cause We Got Style!: European Hip Hop Posing from the 80s and Early 90s
Preisabfragezeitpunkt
20.03.2023 14.58 Uhr
Keine Gewähr
Doch ob sie nun die sündhaft teuren Mode-Statements aus New York trugen oder handbemalte Jeans und ausgebeulte Jersey-Trainingsanzüge, ob sie aus Spanien, der Schweiz oder Finnland kamen, beim Posieren eint am Ende alle Hip-Hop-Anhänger in diesem Bildband eines: ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Der Brite DJ Supreme bringt es auf den Punkt: "Wer posiert, gibt ein Statement ab. Er sagt: Ich bin hier, furchtlos, stark und verdammt cool."
einestages zeigt einige Bilder aus "We Got Style! European Hip Hop Posing from the 80s and Early 90s" - zum Staunen, Schmunzeln oder in Erinnerungen schwelgen.