

Noch einmal leuchtete sie tausendfach, die lachende rote Sonne auf gelbem Grund. Am vergangenen Samstag hatten sich in mehr als 20 Städten Demonstranten versammelt, um gemeinsam für den Ausstieg aus der Kernenergie zu protestieren. Allein in Berlin waren es rund 30.000 Atomkraftgegner, die, das Brandenburger Tor im Rücken, die Straße des 17. Juni hinunter zur Parteizentrale der CDU marschierten, um ihrer Forderung nach einem Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Atomkraft noch einmal Nachdruck zu verleihen.
Es war ein Meer von Fahnen und Bannern, T-Shirts und Buttons mit dem Logo der Anti-AKW-Bewegung - und dieses Mal hatte die Sonne in der Mitte des kreisförmigen Slogans "Atomkraft? Nein Danke!" wirklich Grund für ihre gute Laune. Denn kurz darauf lag das Ausstiegs-Papier der Koalition vor. Die SPD hat bereits ihre prinzipielle Zustimmung signalisiert. Es ist kein Ende von heute auf morgen - aber in absehbarer Zeit und mit breitem politischem Konsens. Nach mehr als 40 Jahren Protestbewegung ist die Abschaltung aller Kernkraftwerke in Sichtweite gerückt.
Wer hätte damals bei den Protesten gegen den Bau von Kernkraftwerken in Wyhl und Brokdorf oder die Atommülllager in Gorleben und Schacht Konrad damit gerechnet? Wer hätte geglaubt, dass das verheerende Atomunglück in Fukushima und die darauf folgenden Demonstrationen eine andere Wirkung entfalten könnten als der Aufschrei nach Tschernobyl?
In den letzten Dekaden versammelten sich trotzdem immer wieder abertausende Menschen, um ihrem Unmut, ihrer Wut und ihrer Verzweiflung gegenüber der Kernenergie Luft zu machen - und sich Gehör zu verschaffen. Manchmal mit Steinen und Gewalt, viel öfter mit Bannern, Flugblättern und Parolen, mit friedlichen Sitzblockaden und einer ganzen Reihe von kreativen und mutigen Aktionen. einestages erinnert an die spektakulärsten Momente in der Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland.
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Harter Anfang: Mit den Demonstrationen gegen den Plan eines AKW-Baus im badischen Wyhl rückte der Widerstand der Bevölkerung gegen die Nutzung von Atomkraft in der Bundesrepublik ins öffentliche Bewusstsein. Auch gegen gewaltlosen Widerstand von Atomkraftgegnern ging die Polizei damals häufig mit großer Härte vor - wie am 2. Februar 1975, als mehrere hundert Polizisten mit Wasserwerfern...
...das besetzte Baugelände für das geplante Kernkraftwerk räumte. Gebaut wurde das AKW nie.
Spontis in Bewegung: Am 22. Februar 1977 erreichte die Bürger im östlichen Niedersachsen die Nachricht, dass in ihrer Nachbarschaft ein Atommülllager entsteht. Wenige Tage später machten sich Demonstranten auf nach Gorleben. In den Slogans der Anti-Atomkraftbewegung erlebte die Sprüchekultur der Spontiszene eine späte Blüte.
Republik Freies Wendland: Auf dem Gelände der sogenannten Tiefbohrstelle 1004 für die geplante nukleare Entsorgungsanlage bei Gorleben in Ostniedersachsen riefen Atomkraftgegner am 3. Mai 1980 die "Republik Freies Wendland" aus. Auf diesem Gelände sollten...
...Probebohrungen in den Gorlebener Salzstock stattfinden, um seine Tauglichkeit als Atommülllager zu erkunden. Am 31. Mai 1980 stattete der damalige Juso-Vorsitzende...
...Gerhard Schröder, rechts, mit rund 300 Delegierten des Bundeskongresses der Jungsozialisten den Bewohnern des Anti-Atom-Dorfes bei Gorleben einen Solidaritätsbesuch ab. 20 Jahre später setzte Schröder als Bundeskanzler den Atomausstieg durch - den der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit 2010 erst einmal wieder kassierte. Einen Monat nach Schröders Besuch...
...räumte die Polizei das Anti-Atom-Dorf.
Protest in Wackersdorf: Mehr als 10.000 Demonstranten protestierten am 18. Mai 1986 an der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf gegen Kernenergie. Dabei kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehr als 130 Polizisten wurden von den teilweise gewaltbereiten Demonstranten verletzt. Auch nach diesem Tag...
...kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Wasserkraft für Atomstrom: Während einer Demonstration am 26. Februar 1981 gegen den Bau des Atomkraftwerks im schleswig-holsteinischen Brokdorf versuchte die Polizei mit einem Wasserwerfer, die Blockade der Demonstranten aufzulösen. Rund...
...entstand dennoch. Doch die Proteste rissen nicht ab, wie diese Aufnahme aus dem Juni 1986 zeigt. Dem Jahr, in dem das AKW ans Netz ging.
Nach Tschernobyl: Die Reaktorkatastrophe in dem ukrainischen Kernkraftwerk trieb die Menschen in Deutschland auf die Straße - so etwa am 8. Juni 1986 in Hamburg. Auf dem Heiligengeistfeld schlossen dabei Hunderte Polizisten 862 Anti-AKW-Demonstranten ein und hielten sie auf diese Weise bis zu 13 Stunden lang fest. Der berüchtigte "Hamburger Kessel" war die bis dahin größte Massenfestnahme in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Aktion wurde später gerichtlich als rechtswidrig eingestuft.
Gleisblockade: Im April 1995 erreichte der erste Transport radioaktiver Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente entstanden waren, das Zwischenlager Gorleben. Die sogenannten Castor-Transporte werden in den Folgejahren stets von heftigen Protesten begleitet, bei denen Atomkraftgegner - wie etwa im November 2005 - versuchen, Straßen und Schienen zu blockieren.
Lichterkette gegen Atommüll: Mehr als 10.000 Atomkraftgegner demonstrierten am 26. Februar 2009 mit Fackeln in Salzgitter dagegen, die ehemalige Eisenerzgrube Schacht Konrad zu einem Endlager für radioaktive Abfälle zu machen.
"Atomkraft Schluss!" So lautete das Motto dieser Großdemo am 28. Mai 2011 auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Rund 30.000 Menschen forderten dabei einen raschen Ausstieg aus der Nutzung von Atomkraft. Mit ihnen gingen an diesem Tag auch in mehr als 20 anderen deutschen Städten Demonstranten auf die Straße. Zwei Tage später...
...präsentierte die Koalition ihr Ausstiegs-Papier. Endlich hat die lachende rote Sonne, das Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung, Grund zum Strahlen.
Wackersdorf im Bau: Die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, als sie noch im Bau war. An den Wochenenden gab es regelmäßig Radau, aber unter der Woche ging der Bau ungestört voran. Idyllische, entspannte Momente waren eher die Regel als die Ausnahme.
Wackersdorf Demo, immer dicht dran: Mitten im Geschehen, Polizisten stürmten los um sich einzelne Demonstranten zu greifen, was zu erheblichen Verwirrungen sorgte, da es sich nicht immer um gewalttätige Aktivisten handelte. Von Seiten der Polizei handelte es sich dabei oft um reine Provokation, schließlich ging es darum, Stärke zu zeigen und mit harter Hand durchzugreifen.
Vater, Mutter, Kind - Menschenkette in Wackersdorf: Wackersdorf-Wochenenden waren nicht nur Ort gewalttätiger Ausschreitungen, sondern auch eine Gelegenheit für die ganze Familie, sich mal das Monster aus der Nähe anzusehen und den eigenen Unmut über den Bau der Wiederaufbereitungsanlage auszudrücken.
Das Gelände von Wackersdorf aus der Luft: Für die Wiederaufbereitungsanlage von Wackersdorf wurde eine Schneise in den Wald geschlagen. Um dieses Stück Land erhitzten sich die Gemüter fast jedes Wochenende mit Großdemonstrationen, die nicht immer friedlich endeten.
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