Hitlers Blütenkrieg gegen England "Die gefährlichsten Fälschungen aller Zeiten"
Spione verdienen meist gut am Verrat. So ging es auch dem Albaner Elyesa Bazna, der von Mitte 1943 bis März 1944 beim Botschafter Großbritanniens in der Türkei als Kammerdiener und Vertrauter fungierte.
Auf dem Tisch des Diplomaten Sir Hughe Knatchbull-Hugessen landeten heiße Informationen wie Protokolle alliierter Gipfelkonferenzen oder Strategiepapiere zur Vernichtung Hitler-Deutschlands vom Osten, Westen und Süden her. Wohl 150 geheime Dokumente lichtete Bazna ab und vertickte sie gegen Bares dem Sicherheitsdienst (SD) der Nazi-Führung. Sein Tarnname: "Cicero". Eine gute Wahl. Denn schon die römische Geistesgröße wusste, dass Geld die Welt "auch im Krieg" regiert.
Als Honorar strich Bazna über 300.000 britische Pfund ein, über 11 Millionen Euro nach heutigem Wert. Die Hälfte davon verjubelte er schnell. Als er aber Jahre nach Kriegsende den Rest umsetzen wollte, musste Bazna eine überaus betrübliche Erfahrung machen: Die Pfund-Noten entpuppten sich als Blüten. Es war kein Trost für Bazna, dass ein Experte der Bank of England größten Respekt vor deren professioneller Qualität äußerte: Es handle sich um die "gefährlichste Fälschung aller Zeiten".
Der Fall des geleimten Agenten gehört zu einer der bizarrsten Episoden im "Dritten Reich". Die ursprüngliche Strategie der Nazis hieß: Geld als Waffe, natürlich Falschgeld. Davon sollte so viel in den britischen Markt gepumpt werden, bis eine Inflation und das daraus resultierende Misstrauen die Wirtschaft im gesamten Empire kollabieren ließe - ein mächtiger Gegner weniger.
Knapp neun Millionen Geldscheine im Nennwert von über 134 Millionen Pfund wurden ab Anfang 1943 gedruckt, immerhin 13 Prozent der zirkulierenden Menge echter Banknoten. Die Hersteller, die ganz am Ende auch US-Dollar produzierten, waren keine Kriminellen, sondern todgeweihte Häftlinge aus Konzentrationslagern, die den passenden Beruf hatten: Drucker und Graveure, Schriftsetzer oder Lithografen - selbst Friseure, die den Auftraggebern als "geschickte Handwerker" galten.
Fast alle der 144 Zwangsfälscher haben die Haft überlebt - als Mitarbeiter beim "Unternehmen Bernhard", das nach dem leitenden SS-Mann Bernhard Krüger benannt war. Es gilt bis heute als größte Geldfälscheraktion der Kriminalgeschichte.
Am 18. September 1939, vor gut zwei Wochen hat der Zweite Weltkrieg begonnen, steht im Konferenzsaal des Reichsfinanzministeriums in der Berliner Wilhelmstraße 61 nur ein Thema auf der Tagesordnung: Wie attackiere ich das Wirtschaftssystem einer Weltmacht?
Historische Vorbilder gibt es genug. So schleusten die Briten Ende des 18. Jahrhunderts große Mengen gefälschten Papiergeldes ("Assignaten") nach Frankreich ein, um dort die Inflation zu verschlimmern und die Revolution zu sabotieren. Napoleons abgefeimter Polizeiminister Joseph Fouché operierte in umgekehrter Richtung mit Falsifikaten gegen London, Wien und Moskau.
Plan A hieß: Abwurf von Blüten über Großbritannien, gleich tonnenweise.
Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels nannte diese Idee zwar "grotesk", lehnte sie jedoch, so der Publizist Lawrence Malkin, "nicht von vornherein" ab. Der "einzige seriöse Einwand" sei vom Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsidenten Walther Funk gekommen. Der habe vor der Verletzung internationalen Rechts gewarnt - ein verblüffendes Argument inmitten eines Unrechtsstaats.
Weil auf Funk kaum jemand hörte, bekam Tage später der SS-Offizier Alfred Naujocks den Auftrag, eine Fälscherwerkstatt einzurichten. Naujocks war Spezialist für Kommandounternehmen. Kurz zuvor hatte er den angeblichen polnischen Überfall auf den grenznahen Sender Gleiwitz inszeniert und damit Hitler den Vorwand geliefert, die Wehrmacht in Polen einfallen zu lassen. "Der Mann, der den Zweiten Weltkrieg auslöste", wurde Naujocks später genannt.
Kripo-Chef Arthur Nebe hatte empfohlen, die besten Falschmünzer aus dem Knast zu holen, doch Naujocks bevorzugte Wissenschaftler der SS, dazu zivile Techniker und Handwerker. Die Werkstatt befand sich im Berliner Ortsteil Grunewald, Delbrückstraße 6a.
Knapp zwei Jahre experimentierte der Naujocks-Trupp, sein Etat lag bei zwei Millionen Reichsmark. Zwar gelang es, für die Blütenproduktion wichtige Grundfragen zu klären, etwa die Beschaffenheit des Papiers oder die komplexe mathematische Zusammensetzung der Seriennummern. Wohl 400 000 Scheine wurden gedruckt, zu Fünf- und Zehn-Pfund-Noten. Entgegen anderslautenden Legenden scheint die Qualität dieser ersten Fälschungen aber nicht die beste gewesen zu sein.
Zeitweilig sah es sogar so aus, als hätten die NS-Gewaltigen den hochfliegenden Plan begraben. Am 16. Juli 1942 notierte SS-Reichsführer Heinrich Himmler dann aber im Dienstkalender: "Pfund-Noten zunächst Verwendung genehmigt".
Naujocks Vorarbeit setzte dessen SS-Kollege Bernhard Krüger fort - wohl der talentierteste Fälscher in der SD-Abteilung "Auslandsaufklärung", die der junge SS-Brigadeführer Walter Schellenberg dirigierte. Und der ordnete an, im KZ Sachsenhausen nahe Berlin eine Geheimdruckerei einzurichten. Perfekter konnte eine Tarnung nicht sein.
Krüger rekrutierte seine Helfer in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, zum Teil mit bemerkenswerter Höflichkeit. Der slowakische Jude Adolf Burger schildert die Anwerbung in seinen Erinnerungen so: "Häftling Burger?" - "Jawohl". - "Beruf Typograf?" - "Jawohl". Daraufhin habe ihm der SS-Mann die Hand gereicht, "seine raue Stimme wurde plötzlich freundlich. Ich traute meinen Sinnen nicht . . ."
Die Gefangenen, die gewissermaßen um ihr Leben fälschten, dienten ihrem Chef Krüger mit äußerster Akribie. Der jüngste von ihnen war nicht mal 20, der älteste fast 60. Jeder Winzigkeit gingen sie nach - und entdeckten beispielsweise, dass manche Buchstaben zum Schutz vor Nachahmungen absichtlich minimal verformt waren. Oder dass Scheine fast unsichtbare Fleckchen aufwiesen - sie nannten sie "Fliegenschisse".
Sie fanden die erstaunlichsten Details heraus. So bestand die Tinte, die die Bank of England verwendete, teils aus der Kohle verbrannter deutscher Weinstöcke, die in Leinsamenöl gekocht wurde. Das Papier für die Blüten lieferte eine Mühle, die Wasser aus einem klaren, forellenreichen Bach mit "verhältnismäßig wenig Schwebestoffen" bezog, notierte Krüger. Solches Wasser nutzten auch die Briten.
Vom Sommer 1943 an lief die Produktion von Noten im Wert von 5, 10, 20 und 50 Pfund auf Hochtouren, Krüger war voll des Lobes. Eines Morgens hielt er triumphierend einen Schein hoch und erklärte den Häftlingen, "britische Banken" hätten ihn "als echt akzeptiert": "Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ausgezeichneten Arbeit."
Dennoch ließ die NS-Führung den Plan, das Vertrauen der Briten in ihre Währung durch perfekt gefälschte, tonnenweise aus deutschen Flugzeugen abgeworfene Pfundnoten zu zerstören, schließlich fallen. Der Hauptgrund dafür war der Widerstand der Luftwaffenführung, die angesichts der angespannten Treibstofflage das knappe Flugbenzin dringend für unmittelbare Kriegseinsätze selbst benötigte.
Nun trat Plan B in Kraft: Mit dem Falschgeld sollte in großem Stil bezahlt werden: für Gold, Edelsteine, Valuten, Rohstoffe für die Rüstungsindustrie oder Bewaffnung von SS-Verbänden. Und Agenten wie "Cicero", die man für ihr Doppelspiel mit Falschgeld entlohnte, wurden zu betrogenen Betrügern.
Eines der Hauptquartiere der dafür eingerichteten Vertriebsorganisation lag zeitweise in einem beschlagnahmten Hotel in den Weinbergen oberhalb von Meran. "Sonderstab Generalkommando III. Germanisches Panzerkorps" lautete die offizielle Bezeichnung der Dienststelle, zu der 50 Mitarbeiter zählten. Ihr Leiter war der Kaufmann Friedrich Schwend alias Doktor Wendig, der den Dienstgrad eines SS-Sturmbannführers bekam.
Über 33 Prozent des Nennwerts aller Blüten kassierten er und seine Leute.
Der ehemalige Zwangsfälscher und Memoirenautor Burger war überzeugt davon, dass viele als "ehrenwerte Bürger geltende Männer" mit Bernhard-Geldern Villen, Hotels, Unternehmen kauften. Keiner hat das je durchblickt.
Die Bank of England aber, die fahrlässigerweise ihr Geld für absolut fälschungssicher gehalten hatte, war nachhaltig beeindruckt vom Coup der Nazis: Noch heute, berichten Kenner, lässt sie ihre Scheine fast jeden Monat prüfen.
Zum Weiterlesen:
Lawrence Malkin. "Hitlers Geldfälscher"; Lübbe 2007; Paperback; 319 Seiten; 9,95 Euro.