Klageflut der Hohenzollern Mit dem "Prinzenfonds" gegen Kaiser Wilhelms Nachfahren

Georg Friedrich Prinz von Preußen, Oberhaupt der brandenburgisch-preußischen Hohenzollern
Foto: Patrick Seeger / DPASeit Jahren steht Georg Friedrich Prinz von Preußen in Konflikt mit dem Staat . Der Chef der Hohenzollern fordert Entschädigungen für frühere beträchtliche Besitztümer der Hochadel-Dynastie. Zudem hat er eine Reihe von Historikern und Journalisten in rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt. Ihnen will das Internetprojekt FragDenStaat, das für Informationsfreiheit eintritt, jetzt helfen - mit einem spendenfinanzierten "Prinzenfonds" .
Prinz von Preußen ist das Oberhaupt der brandenburgisch-preußischen Linie des Hauses Hohenzollern, Nachkommen des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Er verlangte etwa ein unentgeltliches Wohnrecht im Potsdamer 176-Zimmer-Schloss Cecilienhof und zudem hohe Entschädigungen für Immobilien, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der sowjetischen Besatzungszone enteignet wurden. Daneben erheben die ehemals Adligen gegenüber dem Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg Ansprüche auf einige Tausend Kunstwerke. Die Forderungen summieren sich auf einen wohl dreistelligen Millionenbetrag.
Bereits seit 2013 dauern die Verhandlungen mit dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg an. Vielfach beklagten in dieser Auseinandersetzung Historikerinnen und Journalistinnen, unter juristischen Druck zu geraten: Immer wieder gingen die Hohenzollern rechtlich gegen Medienberichterstattung vor, ebenso gegen Forscherinnen wie Karina Urbach oder Stephan Malinowski, der das Land Brandenburg im Entschädigungsstreit beriet. Er war zu dem Schluss gekommen, die Hohenzollern hätten den Nationalsozialisten damals "erheblichen Vorschub" geleistet - daher stehe ihnen keine Entschädigung zu.
Die Hohenzollern halten solcher Kritik entgegen, ihre Familie sei seit vielen Jahrhunderten mit der Geschichte Preußens und Deutschlands verbunden. Das Haus betont auf seiner Website, es bekenne sich zu einem "offenen Umgang mit seiner Geschichte". Die Familie habe lediglich einen Antrag auf Rückübertragung verlorener Vermögenswerte gestellt und fordere die gleichen Rechte auf Entschädigung, wie sie auch Tausende andere Enteignete in Anspruch genommen hätten.
"Recht sollte keine Kostenfrage sein"
Den Vorwürfen der juristischen Gängelei von Kritikern entgegnet ein Sprecher des Hauses Preußen gegenüber dem SPIEGEL, im Laufe des Jahres 2019 sei es in der Berichterstattung zum Haus Hohenzollern zu "zahlreichen falschen Tatsachenbehauptungen" gekommen. Nicht jeder der Urheber sei bereit gewesen, die Behauptungen zurückzunehmen, daher habe man deren Unrichtigkeit gerichtlich feststellen lassen wollen: "Jeder Bürger, auch Georg Friedrich Prinz von Preußen, hat das Recht, sich notfalls juristisch gegen falsche Tatsachenbehauptungen zu wehren."
In der Tat richteten sich die Klagen bei Historikern wie Urbach oder Malinowski nicht direkt gegen ihr fachliches Urteil, sondern gegen Aussagen zu Detailfragen, etwa zur Zugänglichkeit des Hohenzollernschen Familienarchivs. Druck auf die Kritiker erzeugten die Abmahnungen und Klagen dennoch fraglos. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) protestierte daher gegen das rechtliche Vorgehen; "Wissenschaft beruht auf einem offenen Austausch von Argumenten", sagte der stellvertretende Vorsitzende Frank Bösch.
Martin Sabrow, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, warf den Hohenzollern Angriffe auf die "Freiheit der Wissenschaft" sowie eine "Unkultur der Einschüchterung" vor. Das Haus Preußen argumentiert dagegen: "Das Recht auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit schließt nicht das Recht ein, Privatpersonen mit falschen Tatsachenbehauptungen zu schädigen."
Nun will eine gemeinnützige Initiative all jenen helfen, die in Rechtsstreitigkeiten mit dem einstigen Adelshaus gerieten: Das Webportal FragDenStaat.de, das Bürger in der Kommunikation mit Behörden unterstützt, startet am Donnerstag den "Prinzenfonds". Die Deutsche Journalist:innenunion (dju) in der Gewerkschaft Ver.di unterstützt den spendenfinanzierten Rechtshilfefonds.
"Ich hoffe", sagte Initiator Arne Semsrott dem SPIEGEL, "dass wir auf diesem Weg Rechtsprechung zur Gegenwart und Vergangenheit der Hohenzollern erreichen können." Vor allem will FragDenStaat Betroffene vernetzen. Die genaue Zahl könne man nur erahnen, so Semsrott, da "viele ForscherInnen und JournalistInnen Unterlassungserklärungen unterschreiben, um teure Gerichtsverfahren gegen den Prinzen zu vermeiden". Recht sollte aber keine Kostenfrage sein.
"Viele haben nicht die Mittel, sich zu wehren"
Auch wenn nur ein Teil vor Gericht landet, meldete nach Angaben von FragDenStaat allein das Landgericht Berlin bislang 47 Verfahren mit Georg Friedrich von Preußen. Wenn man der Klageflut gemeinsam entgegentrete, erklärt Semsrott, habe man "mehr Argumente, bessere Möglichkeiten der Verteidigung und eher die finanziellen Möglichkeiten, auch in höhere Instanzen zu gehen".
Die Idee zum Aufruf auf dem Behördentransparenzportal sei ihnen gekommen, als sie selbst in Konflikt mit Hohenzollern-Anwalt Markus Hennig gerieten: "Im November 2019 haben wir auf unserer Seite Dokumente aus dem Bundesarchiv veröffentlicht, die Briefe des damaligen Kronprinzen Wilhelm von Hohenzollern an Hitler zeigten. Später hat uns der jetzige Prinz Georg Friedrich abgemahnt und verklagt, wir sollten nicht behaupten, das Hohenzollern-Archiv sei nicht öffentlich zugänglich." Im Zuge des noch immer laufenden Verfahrens habe FragDenStaat von zahlreichen ähnlichen Fällen erfahren: "Viele Menschen, die verklagt werden, haben selbst nicht die Mittel, sich dagegen zu wehren." Der Prinzenfonds schaffe jetzt ein Hilfsbündnis - "denn zur Förderung der freien Wissenschaft und Forschung gehört auch deren Verteidigung vor Gericht".
Zugleich rechnet Semsrott nach dem Start um 9.30 Uhr am Donnerstagmorgen mit weiteren Konflikten: "Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass die Anwälte des Hauses Hohenzollern sehr gründlich auf jede einzelne Formulierung schauen werden."