Fotostrecke

Hubertusbad in Berlin: Bilder aus der vergessenen Bade-Kathedrale

Foto: Jörg Rüger/sichtbarkeiten.de

Hubertusbad in Berlin Bilder aus der vergessenen Bade-Kathedrale

Einst war das Berliner Hubertusbad Symbol moderner Badekultur, heute herrscht Stille in den maroden Hallen. Fotograf Jörg Rüger betrat den Bau - und entdeckte zwischen Staub und Trümmern Reste von religiöser Erhabenheit.
Von Jörg Rüger

Das Gebäude wirkt unscheinbar. Von außen ist das ehemalige Stadtbad in Berlin-Lichtenberg nicht viel mehr als ein großer, grauer Gebäudeklotz, dessen Putz langsam abbröckelt. Die Fassade ist so wenig ansprechend, wie es von einem öffentlichen Bau, der allein der Funktionalität wegen errichtet wurde, eben zu erwarten ist. Im März 2011 stand ich nun vor diesem langweiligen Kasten - und wollte mit meiner Kamera den morbiden Charme im Inneren der Badruine festhalten.

Zu finden ist die marode Badeeinrichtung zwischen der Atzpodienstraße und der Hubertusstraße, die der Anstalt ihren Namen gab: Hubertusbad. Anfang 2011 hatte ich die Chance bekommen, das brachliegende Bad von innen zu fotografieren - und ich hoffte, dass sich hinter der tristen Fassade mehr verbergen würde, als der erste Eindruck von der Straße aus ahnen lässt. Ich brannte darauf, herauszufinden, in welchem Zustand sich das einst prächtige Innenleben des Bauwerks befand.

Über den Keller, wo sich früher die Werkstatt und die Einrichtungen für die Wasseraufbereitung befanden, ging ich hinein. Ich fand ein altes Röhrenradio und vergessene Kleidungsstücke, an den Wänden hingen ein paar Poster von Boney M. und spärlich bekleideten Pin-ups aus den späten siebziger Jahren. Ich konnte mir bildhaft vorstellen, wie hier einst die Mitarbeiter ihrem Tagewerk nachgegangen sind und ihre Mittagspausen verbracht haben. Schon diese wenigen Zeugnisse ließen erahnen, wie das Hubertusbad einst mit Leben gefüllt war.

Züchtige Geschlechtertrennung

Schon 1907 hatten die Planungen für die Badeanstalt begonnen - als das Dorf Lichtenberg zu einer selbständigen Stadt wurde. Und zu einer richtigen Stadt gehörte natürlich auch ein Volksbad. Doch der Erste Weltkrieg unterbrach die Bauarbeiten, das Geld wurde knapp, und so sollte es noch 20 Jahre dauern, bis das Schwimmbad eingeweiht werden konnte: Erst 1928 wurde es eröffnet, inzwischen war Lichtenberg ein Stadtteil Berlins geworden.

Das lange Warten hatte sich für die Bewohner Lichtenbergs gelohnt. Denn für damalige Verhältnisse war das Hubertusbad äußerst modern: Es gab, wie früher üblich, zwei nach Geschlechtern getrennte Schwimmbecken, ein großes für Männer und ein kleineres für Frauen. In separaten Bädern mit medizinischen Zusätzen konnten die Badegäste ihrem Körper Gutes tun. Im Kaltwasserbecken, in den Saunas und Dampfbädern ihr Immunsystem stärken, im Gymnastiksaal ihre Fitness trainieren und sich in den Massagekabinen verwöhnen lassen. Es gab sogar eine Sonnenterrasse, auf der die Gäste nach dem Saunagang entspannen konnten. Kurzum: Mit seiner Ausstattung hätte das Hubertusbad es schon damals mit den meisten heutigen Wellness-Tempeln aufnehmen können.

Luxus für 30 Pfennig

Wo sich einst die Massageräume befanden, konnte ich nur noch eine einzige Liege entdecken. Sogar das Herzstück des Volksbads war komplett verschwunden: die Wannenabteilung in der ersten Etage, die aus kleinen Kammern mit je einer Emaillebadewanne bestanden hatte. Sie war der ursprünglichen Hauptfunktion des Volksbads gewidmet gewesen: Körperhygiene für alle. Zusammen mit der Eintrittskarte wurden im Hubertusbad kleine Seifenstückchen erworben, mit denen sich auch die ärmeren Berliner, die in ihrer Wohnung weder Dusche noch Badewanne hatten, den Schweiß und Schmutz vom Körper waschen konnten.

Inzwischen jedoch verirren sich fast nur noch Fotografen wie ich in die verwaisten Räume. Als ich auf der Suche nach Motiven durch den sakral wirkenden Hauptraum der großen Schwimmhalle mit dem gewölbten Dach schritt, fiel das Sonnenlicht durch die in allen Farben strahlenden Fenster auf den Staub, der sich über die Jahre auf dem Fliesenboden gesammelt hatte. Die Stille und das bunte, schummrige Licht gaben dem Ort etwas Würdevolles - es erinnerte an die beruhigende Atmosphäre einer Kathedrale.

Strahlend türkis und in verschiedenen Braun-Nuancen waren die Wände und Kacheln hier einst gewesen - mittlerweile war die Farbe an vielen Stellen abgeplatzt und verblasst. Hier und dort lagen noch alte Schwimmhilfen herum. Bilder entstanden in meinem Kopf: wie Jung und Alt sich im Wasser vergnügten, wie andere Besucher mit Handtuch und Latschen auf den Galeriegängen an den bunten Fenstern vorbeigingen und auf die Badenden hinunterblickten.

Hoffnungsschimmer fürs Hubertusbad

Nach der Eröffnung der Badeeinrichtung im Jahr 1928 währte der Badespaß für die Berliner nicht lang: Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schwimmbad stark beschädigt und musste wieder instand gesetzt werden. Zudem verboten die alliierten Besatzungsmächte nach 1945 als Reaktion auf NS-nahe Sportverbände zunächst jede Form von organisiertem Volkssport, so dass das Schwimmbad eine Weile brach lag. Erst 1948, als die Behörden von ihrer starren Ablehnung der Sportvereine abrückten, kehrte Leben in das Hubertusbad zurück.

Die wirklichen Probleme für das Hubertusbad begannen jedoch erst in den achtziger Jahren: In Ost-Berlin wurden zahlreiche Neubauviertel geschaffen, und mit ihnen entstanden modernere, lichtdurchflutete Hallenbäder. Das nostalgische, aber düstere Hubertusbad verlor für die Berliner an Bedeutung. Auftretende Mängel wurden nicht mehr beseitigt, so dass 1988 erst die kleine Halle des Bads und 1991 schließlich das gesamte Hubertusbad geschlossen werden musste. Seitdem teilt das Schwimmbad das Schicksal zahlloser DDR-Immobilien: Mangels überzeugender Nutzungskonzepte und Investoren fiel das Kleinod in einen Dornröschen-Schlaf - und wartet auf bessere Zeiten.

Immerhin - einen Hoffnungsschimmer gibt es: Unter dem Namen "Licht an im Hubertusbad" hat sich eine Initiative gegründet, die eine zukünftige Nutzung des alten Stadtbads voranbringen möchte. Als ich wieder hinaus auf die Straße trat und mich zum Hubertusbad umdrehte, das von außen wieder nur wie ein grauer Klotz aussah, hoffte ich, dass das Vorhaben der engagierten Gruppe gelingt. Ich zumindest freue mich, dass ich das Hubertusbad von innen entdecken durfte - und dass es auf meinen Bildern weiterleben wird.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren