
Interview mit Angela Winkler: "Ich habe mir nichts zugetraut"
Interview mit Angela Winkler "Ich habe mir nichts zugetraut"
KulturSPIEGEL: Mit 17 hat man noch Träume. Erinnern Sie sich?
Angela Winkler: Mein Traum begann früher. In der Schule war ich immer in der letzten Reihe und hab nicht mitgemacht, weil meine Phantasie woanders hinging als in die Mathematik. Und dann, mit 15, habe ich den Film "Plötzlich, im letzten Sommer" gesehen, mit Liz Taylor. Das war mein zweiter Film überhaupt nach "Lassie", aber danach war's um mich geschehen. Diese Großaufnahmen der Köpfe, das hat mich so beschäftigt, da bin ich nicht nach Hause gegangen.
KulturSPIEGEL: Sie waren noch nicht volljährig? Wie haben Sie Ihre Eltern von Ihrem Berufswunsch überzeugt?
Angela Winkler: Mit 17 habe ich die Schule abgebrochen, um Schauspielerin zu werden. Vorher habe ich auf Wunsch meiner Eltern noch ein Praktikum im Krankenhaus gemacht, aber schon nach zwei Monaten wusste ich, nie und nimmer will ich da arbeiten. An der Staatlichen Schauspielschule in Stuttgart habe ich dann mit Hängen und Würgen die Aufnahmeprüfung bestanden, wurde aber nach zwei Monaten wieder rausbefördert.
KulturSPIEGEL: Warum?
Angela Winkler: Weil sie sich nicht auskannten mit mir. Ich stand da auch in der Ecke und fühlte mich nicht wohl. Ich war sehr scheu und hab mir nichts zugetraut. Und dann bin ich abgehauen. Meine Mitschüler in Stuttgart haben mir geholfen und mich nach München gebracht, zu Ernst Fritz Fürbringer, einem berühmten Schauspieler damals.
KulturSPIEGEL: Der hat Sie unterrichtet?
Angela Winkler: Ja, und er hat meinen Eltern einen Brief geschrieben, dass er mich für begabt hält. Mein Vater hat den Brief aber zerrissen, es war ja keine staatliche Schule.
KulturSPIEGEL: Und wovon haben Sie gelebt?
Angela Winkler: Ich wohnte bei jemandem in der Küche auf dem Sofa, habe als Parkplatzwächterin gearbeitet und auf dem Viktualienmarkt Obst verkauft. Da flog ich aber auch gleich wieder raus, weil ich den Armen mehr in die Tüte steckte als den Reichen.
KulturSPIEGEL: Nach der Schauspielprüfung ging es dann aber sehr schnell: Sie waren erst in Castrop-Rauxel am Theater, hatten einen frühen Erfolg mit dem Film "Jagdszenen aus Niederbayern", und 1971 holte Sie Peter Stein an die Berliner Schaubühne. Sieben Jahre gehörten Sie zum legendären Ensemble.
Angela Winkler: Nein, das stimmt so nicht. Ich habe mein erstes Kind ja schon 1974 bekommen.
KulturSPIEGEL: Und dann eine Auszeit genommen?
Angela Winkler: Eines Morgens um sechs hat das Kind Terpentinersatz geschluckt. Da merkte ich, mit einem Auge bin ich beim Kind, mit dem anderen Auge bin ich zu müde, ich wanke hin und her. Da bin ich raus. Wir wohnten dann einige Jahre in Italien in einer Ölmühle.
KulturSPIEGEL: Sie haben vier Kinder. War das neben dem Theater Ihr anderer Traum, eine große Familie zu haben?
Angela Winkler: Wenn ich in der Stadt geblieben wäre, hätte ich wahrscheinlich nicht vier Kinder bekommen. Das ist entstanden durch das Leben mit meinem Mann - er ist Bildhauer -, dadurch, dass wir immer wieder weggegangen sind und auf dem Land gelebt haben. In der Auvergne haben wir fünf Jahre lang auf tausend Meter Höhe gelebt, ganz einsam, da habe ich in den ersten Jahren sogar die Schule selbst gemacht, weil es keine gab.
KulturSPIEGEL: Sie haben das Theater aber nie aufgegeben, haben mit Klaus Michael Grüber und Peter Zadek Theatergeschichte geschrieben, stehen jetzt als "Lulu" in Berlin auf der Bühne. Fühlen Sie sich zerrissen zwischen Ihrem Leben auf dem Land und dem Leben in der Großstadt?
Angela Winkler: Nein, zerrissen nicht, aber in letzter Zeit habe ich wieder eine große Sehnsucht, auf dem Land zu leben und von da aus meiner Arbeit nachzugehen. Mit dem frischen Wind auf die Bühne, wie es früher war.
Zum Weiterhören:
Angela Winkler: "Ich liebe dich, kann ich nicht sagen". INDIGO Musikproduktion + Vertrieb GmbH, Hamburg, 2011.